Sommerbriefe von Roman Zitzelsberger

Sommerbriefe 2022 von Roman Zitzelsberger

05. August 2022

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

wieder mal ein Sommerloch. Wie jedes Jahr. Kaum steigen die Temperaturen und die Wohnmobile rollen Richtung Süden (oder wohin auch immer), stellt sich die Frage nach wichtigen Botschaften für die nachrichtenarme Zeit.

Dieses Jahr ist das eine besondere Herausforderung. Vielen Menschen haben die heftig gestiegenen Preise den Sommerurlaub verdorben; in der Ukraine tobt nach wie vor ein schrecklicher Krieg mit ungewissem Ausgang.

Das bewegt die gesamte h, beeinflusst seit Monaten unser Tun und treibt mich ganz persönlich um. In diese Zeit fällt unsere aktuelle M+E-Tarifrunde und mit dem Thema Tarif wende ich mich jetzt auch an Euch:

Den August hindurch möchte ich mit Euch einen Blick hinter die Kulissen werfen und berichten, was mich als Bezirksleiter und Verhandlungsführer über den Prozess einer Tarifrunde beschäftigt.

Vor zwei Jahren haben wir mit den "Sommer-Briefen" den ersten Corona-Sommer überbrückt und auf die Themen und Rezepte gab es viel positives Feedback.

Dieses Jahr bekommt Ihr "Sommer-Tarifbriefe" und ich verspreche, dass auch für die Tarifexpertinnen und -experten unter Euch Interessantes dabei sein wird.

Und weil der August Urlaubsmonat ist und das Leben neben der Arbeit noch andere Dinge zu bieten hat, gibt es unter der Überschrift "Lebensfreude" persönliche Lebensfreuden am Ende jedes Briefes.

Heute geht es darum, wie eine Tarifforderung überhaupt zustande kommt. Und zwar bevor die Gremien diskutieren und die entsprechenden Aktivitäten losgehen.

Ich selbst mache mir bereits Jahre bevor ein Tarifvertrag ausläuft und eine neue Forderungsidee entsteht, Gedanken zu Richtungen und Strategien einer Tarifrunde.

Ein kleines Beispiel: Nach dem Tarifabschluss 2016 (Pilotabschluss zu einer reinen Entgeltrunde in NRW) haben wir direkt im Anschluss begonnen, eine Idee aus dem Tarifabschluss 2015 (Altersteilzeit, Bildungsteilzeit, Geld - Pilot in Ba-Wü) aufzugreifen. Nämlich mehr Spielräume und Selbstbestimmung während der Arbeitszeit tariflich zu regeln.

Aus mehreren Untersuchungen, aber auch aus der Beschäftigtenbefragung der IG Metall 2013, wussten wir: Die Beschäftigten sind bereit sehr flexibel zu arbeiten, aber sie erwarten auch ein gewisses Maß an Freiräumen bei ihrer Zeitgestaltung.

Zwar gab es auch da schon Betriebsvereinbarungen etwa zu Gleitzeit, später kamen mobiles Arbeiten oder Homeoffice dazu. Aber leider profitieren davon nur Beschäftigte in Systemen, in denen nicht alle gleichzeitig da sein müssen oder es sogar egal ist, von wo gearbeitet wird.

Der Gedanke war also Freiräume für Menschen zu ermöglichen, die alle zeitgleich, meist noch in Schichten und an festen Orten, arbeiten müssen. Beschäftigte bei Liebherr in Ochsenhausen etwa können ja nicht die Teile mitnehmen und die Kühlschränke von zuhause aus montieren. Ihr wisst, was ich meine.

Wenn die Richtung klar ist, stellen sich natürlich viele weitere Fragen. Zunächst: Ist das wirklich das Thema, welches den Beschäftigten auf den Nägeln brennt?

Ich frage mich selbst immer ein paar Dinge und zwar vom Anfang bis zum Ende: Welches Problem wollen wir eigentlich lösen? Sehe nur ich das als Problem oder bewegt es die Menschen wirklich? Wie könnte ein Ergebnis aussehen und ist das Problem damit zumindest teilweise gelöst?

Dabei stelle ich mir gern vor, dass ich eine Weile nach einem Tarifabschluss einen Kollegen oder eine Kollegin in der Kneipe am Nachbartisch darüber reden höre, dass diese neuen Regelungen im Tarifvertrag echt super sind.

Zum Beispiel die Wahlmöglichkeit freie Tage oder Geld (T-Zug). Oder die neue Altersteilzeit. Dann stelle ich mir vor, wie ich einen Schluck Bier trinke und in mich reingrinse.

Es fällt mir immer leichter, einen langen Weg vom Ende her zu denken. Selbst dann, wenn ich noch nicht konkret weiß, wie die Lösung für ein Problem aussehen kann.

Mir ist aber noch eine Sache wichtig. Eine Tarifrunde ist immer Teamarbeit - von der Forderungsidee bis zur Umsetzung des Ergebnisses. Und das Team ist sehr groß.

Allein in Baden-Württemberg spielen ein paar Hunderttausend Mitspielerinnen und Mitspieler. Ich bin sozusagen der Trainer.

Nur weil die Menschen, die in vorderster Reihe mit mir wirken, ihre Arbeit mindestens so gut oder noch besser können als ich, machen wir in Baden-Württemberg so erfolgreiche Tarifpolitik.

Denn am Ende setzt sich die beste Idee aus der ganzen Mannschaft durch, nicht die des Chefs.

Noch ein Satz zum ganz großen Team: Je stärker Beschäftigte in das Zustandekommen von Tarifverträgen einbezogen werden, umso bessere Ergebnisse werden wir erzielen.

Weil die Menschen so zu ihrem eigenen Nutzen etwas beitragen können. Weil wir die richtigen Themen angehen und nicht zuletzt, weil eine Gewerkschaft nur dann stark und gut ist, wenn sich viele Menschen anschließen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.

Für die M+E-Tarifrunde 2022 gab es viele Forderungsideen. Am Ende hat sich der eindeutige Wunsch nach einer Erhöhung der Monatseinkommen durchgesetzt - auch wenn wir einige Schleifen gebraucht haben, um da hinzukommen.

Die anderen Probleme und Anforderungen sind deshalb aber nicht vergessen, vielmehr gilt: Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde. Darüber schreibe ich das nächste Mal.

Lebensfreude

Heute möchte ich meine Freude am Sonnenaufgang und Sonnenuntergang mit Euch teilen - ich liebe es, einfach dazusitzen oder noch im Bett zu liegen und zu sehen, wie die Sonne kommt oder geht.

Einen meiner schönsten Sonnenaufgänge habe ich in der Nähe von Lloret del Mar in Katalonien erlebt. Aus einem uralten ehemaligen Kloster mit dicken Mauern und winzigen Fenstern oberhalb einer kleinen Felsenbucht, das an sich schon eine Reise wert war.

Das Beste aber war der morgendliche Blick aus dem Fenster, wenn die Sonne aus dem Meer aufstieg und ihre Strahlen den Tag begrüßten. Ein unglaublich magischer Moment.

Bilder von Sonnenaufgängen gibt es zuhauf. Man kann sie anschauen und bestaunen. Letztlich aber zählt, was man in diesem Augenblick spürt. Das kann kein Foto einfangen. Das ist Lebensfreude pur.

Meinen Lieblingssonnenuntergang über dem Meer schaue ich mit einem Glas Weißwein an der Westküste des Peloponnes am Fuß der Berge. An klaren Tagen sieht man bis zur Insel Zakyntos.

Das Magische daran hat Konstantin Wecker in einer Liedzeile wunderbar lyrisch beschrieben: …die Sonne stirbt wie ein Tier und man sieht sie die Augen weiten. Und wir ziehen in ihr Rot und sterben mit.

Zum Glück nur lyrisch. Sonst wäre es ja keine Lebensfreude mehr.

Macht es gut. Bis zum nächsten Sommer-Tarifbrief.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

Sommerbriefe 2020 von Roman Zitzelsberger

04. September 2020

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

der heutige Sommerbrief wird der letzte in diesem Jahr sein.

Und das, obwohl nach einigen verregneten, kalten Tagen der Sommer wieder etwas Fahrt aufnimmt.

Ich hatte schon angekündigt, heute etwas zu den IG Metall-Vorstandsmitgliedern aus Baden-Württemberg zu sagen.

Der Vorstand besteht aus dem Ersten Vorsitzenden, der Zweiten Vorsitzenden, dem Hauptkassierer sowie vier weiteren geschäftsführenden und 29 ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern.

Und aus dem Kreis der 29 kommen fünf aus dem Ländle. Über die möchte ich heute kurz schreiben.

Zunächst einmal über die beiden Betriebsratsvorsitzenden von Daimler in Sindelfingen, Ergun Lümali und von Audi in Neckarsulm, Rolf Klotz. Beide sind Metaller durch und durch und sehr "pflichtbewusste" Betriebsratsvorsitzende für die beiden größten Automobilstandorte in Baden-Württemberg.

Dieses "Betriebsratsvorsitzenden-Pflichtbewusstsein" drückt sich bei Ergun und Rolf gleichermaßen vor allem durch eine Frage aus: Was ist das Geschäft von morgen an unseren Standorten? Welche Produktentscheidungen und welche Investitionen sind notwendig, um die Standorte auszulasten und dafür zu sorgen, dass es auch morgen und übermorgen noch genügend gute Arbeit für die Beschäftigten gibt?

Gerade die Frage neben Verbrennern und Hybrid-Antrieben auch noch elektrifizierte Fahrzeuge an den Standorten zu produzieren und damit die Zukunft zu sichern, treibt beide in derselben Weise an. Und beide können sich nicht nur auf ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Betriebsrat und Vertrauenskörper, sondern wenn es darauf ankommt, auch auf ihre Belegschaft verlassen.

Sowohl Audi in Neckarsulm als auch Daimler in Sindelfingen sind starke, kampferprobte Belegschaften, die immer, wenn es darauf ankommt, solidarisch und geschlossen zusammenstehen - in betrieblichen Konflikten genauso wie in Tarifrunden.

Bei Rolf Ebe bei Liebherr in Ehingen werden auch Fahrzeuge gebaut. Die sind nur etwas größer und dienen einem anderen Zweck als der Personenbeförderung.

Bei Liebherr in Ehingen werden Fahrzeugkrane gebaut. Die hat jeder schon mal gesehen und im Zweifel können die größten dieser Riesenteile ein paar tausend Tonnen heben.

Ein gewerkschaftliches Schwergewicht ist aber auch Rolf selbst, nicht nur als Betriebsratsvorsitzender.

In einer beispielhaften Vorgehensweise hat Rolf zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen, der Geschäftsstelle Ulm und dem Team des Gemeinsamen Erschließungsprojekts (GEP) systematisch die Gewinnung von Mitgliedern, vor allem aber die Beteiligung der Belegschaft, deutlich nach vorne gebracht.

Und in Sachen aktive Belegschaft ist auch auf die Oberschwaben in Ehingen jederzeit Verlass, wenn es darum geht, ihre IG Metall in Tarifrunden zu unterstützen.

Neben Rolf, Ergun und Rolf sind noch Sabine und Nadine zwei der 29 Vorstandsmitglieder.

Über Nadine Boguslawski hatte ich schon geschrieben. Sie ist die Erste Bevollmächtigte der Geschäftsstelle Stuttgart und war vorher Tarifsekretärin in der Bezirksleitung Baden-Württemberg.

Mit den großen Automobilstandorten von Daimler Untertürkheim und Sindelfingen, Porsche in Zuffenhausen, den zahlreichen Bosch-Standorten und vielen weiteren Betrieben rund ums Auto, sind Nadine und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Region besonders von der Transformation betroffen.

Das gilt auch für Sabine Pfleghar. Sie ist freigestellte Betriebsrätin bei ZF in Friedrichshafen und neben ihrer Betriebsratsarbeit vor allem auch in der Vertrauensleutearbeit im Betrieb und in der örtlichen und bezirklichen Frauenarbeit der IG Metall aktiv.

Dass ZF in Friedrichshafen in Sachen Aktionsfähigkeit ebenfalls ganz vorne dabei ist, brauche ich eigentlich nicht zu betonen. Dass ein so großer Zulieferkonzern im Automobilgeschäft große Umbrüche in der Transformation zu bewältigen hat, weiß Sabine natürlich sehr genau.

Ich kenne sie übrigens schon genauso lange wie Beate von Heidelberger Druckmaschinen (siehe letzter Sommerbrief), aus der Jugendarbeit und insbesondere aus dem Jugendcamp in Markelfingen. Wer übrigens da noch nicht war, sollte das unbedingt mal nachholen.

Es zeichnet sie schon aus, dass unsere fünf Vorstandsmitglieder nicht nur sehr erfahrene und politisch klare Kolleginnen und Kollegen sind, sondern auch, dass sie den Rückhalt ihrer Belegschaften haben.

Das verleiht jedem Wort mehr Gewicht als alles andere.

Danke für Euren Einsatz.

Lasst mich zum Schluss dieses Sommerbriefs noch einmal eine Sache wiederholen. Ich bin vereinzelt darauf angesprochen worden.

Für jeden der zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die ich in den Sommerbriefen dargestellt habe, könnten auch viele andere stehen. Die meisten wussten vorher gar nicht, dass ich über sie schreibe.

Sie stehen als Beispiele und vor allem für eines: für das Gesicht der IG Metall in ihrer Region und in ihrem Betrieb.

Und das ist wichtig.

Wir sind nur so stark wie wir sind, weil wir nicht nur in den großen politischen oder tarifpolitischen Fragen etwas bewegen. Sondern vor allem dort, wo uns unsere Mitglieder, wo uns die Beschäftigten jeden Tag wahrnehmen - im Betrieb.

Und deshalb möchte ich mich vor allem bei Euch allen, die ich hier auch als Beispiel hätte nennen können, bedanken. Ihr seid die IG Metall.

Und zusammen sind wir viel mehr als die Summe der Einzelnen - eine echt starke Organisation.

Es bewegt sich gerade so viel, über was ich noch schreiben könnte und wollte. Ich wünsche mir aber, dass wir uns bald wiedersehen - auf Tarifkommissionen und Delegiertenversammlungen, Funktionärskonferenzen oder im Betrieb.

Schreiben und lesen ist schön und gut. Der persönliche Kontakt ist aber durch nichts zu ersetzen. Wir sind halt Menschen.

Und neben allen beruflichen sozialen Kontakten liegt mir - das habt ihr sicher bemerkt - auch noch etwas Anderes am Herzen.

Mit lieben Menschen zusammen kochen und essen und dann über viele banale oder ernste Dinge zu sprechen, zu streiten, zu lachen.

Mich bewegt gerade sehr, wie immer mehr despotische, reaktionäre, hasserfüllte Weltanschauungen zu einer gewissen "Normalität" werden. Wie noch so abstruse Lügen, selbst von Staatenlenkern, einfach verbreitet und dann auch noch geglaubt werden.

Wie die größten Spinner ihren geistigen Müll über soziale Medien oder auf öffentlichen Plätzen verbreiten. Wie Neonazis den Betrieb als ihr Aktionsfeld entdecken und auch dort ihre kruden Weltanschauungen - zum Teil sehr geschickt - verbreiten.

Auch wenn das an vielen Stellen nur Minderheiten sind. Ich bin als Gewerkschafter, als Mensch, als Demokrat und politisch linker Mitdenker nicht bereit, solchen Irrsinn einfach zu dulden.

Wir müssen jeden Tag dafür werben, dass solidarisches Zusammenstehen keine Spalter und Hass-Demagogen brauchen kann.

Dass unsere Werte wie Teilhabe, Gerechtigkeit, Toleranz die Grundlage für ein friedliches, aber auch handlungsfähiges Miteinander sind - auch und gerade im Durchsetzen unserer Interessen.

Weil Solidarität gewinnt!

Pass' auf Dich auf.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

BESOFFENE SPAGHETTI

Ich habe mich für die besoffenen Spaghetti entschieden.

Geht ganz einfach.

In einer großen Pfanne etwas Olivenöl bei mittlerer Hitze heiß werden lassen - es darf nicht rauchen.

Dann ein paar Thymianzweige und zwei Knoblauchzehen rein - einfach schälen und mit der Messerklinge plattdrücken. Der Knoblauch sollte nicht dunkel werden.

Währenddessen in einem großen Topf Wasser zum kochen bringen, ordentlich Salz rein und 500 Gramm Spaghetti reinwerfen.

Mittlerweile Knoblauch, Öl und Thymian mit einer Flasche Rotwein - gerne einen Nebbiolo - ablöschen und auf volle Hitze gehen.

Vorher ein Gläschen für die Köchin oder den Koch abzweigen.

Die Spaghetti werden, sobald sie nicht mehr steif sind, aus dem Wasser in die Pfanne gebracht. Eine Schöpfkelle Nudelwasser darf ebenfalls in die Pfanne.

Von dem Nudelwasser noch etwas aufbewahren, falls es noch Flüssigkeit braucht.

Dann sollen die Spaghetti im Rotwein al dente köcheln.

Zwischendurch die Flüssigkeit probieren, ggf. etwas salzen.

Die meiste Flüssigkeit soll aufgesaugt bzw. verkocht sein, so dass noch etwas Sauce übrigbleibt.

Am Ende schwarzen Pfeffer und abgeriebene Schale von einer Bio-Zitrone dazu geben.

Auf dem Teller noch Parmesan al Gusto drüber.

Fertig.

01. September 2020

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

kennt Ihr von Erich Kästner "Das fliegende Klassenzimmer"? Ein wunderbares Jugendbuch, das ich mehr als einmal gelesen habe.

Zu Beginn schreibt Kästner, dass er das Schreiben des Buches solange hinausgezögert hat, bis seine Mutter ihm droht, dass er nichts zu Weihnachten bekäme, wenn er die Geschichte jetzt nicht endlich schreiben würde. Das hat gesessen.

Jetzt ist es so, dass mir Susanne nicht mit so handfesten Drohungen kommt, wenn ich die Sommerbriefe nicht ordentlich liefere (sie muss ja noch drüber schauen und das Ganze ordentlich layouten), aber mehr oder weniger dezente Hinweise bekomme ich schon, wenn ich nicht liefere.

Danke übrigens an Susanne Rohmund, Julia Wahl und Karin Schneider, die das wechselweise überarbeiten, Korrektur lesen, auf die Sozialen Medien bringen und den Newsletter versenden. Und das auch teilweise im Urlaub.

Nach dem erneuten Demo-Wochenende in Berlin, will ich mein klares Statement aus dem ersten Sommerbrief gerne wiederholen. Es ist unerträglich, dass die abstrusesten Ansichten auch noch Zulauf bekommen - Stichwort QAnon und solche Dinge.

Wie sagte Einstein: Zwei Dinge seien unendlich - das Universum und die Dummheit der Menschen. Beim Universum sei er sich nicht ganz sicher.

Ich will heute viel lieber über Kolleginnen und Kollegen aus zwei wichtigen Gremien berichten. Zum einen über unsere Bezirkskommission und zum anderen über unsere Vorstandsmitglieder.

Das erste Gremium, die Bezirkskommission, ist sozusagen unser "Landesvorstand". Also das Gremium, das gemeinsam mit mir und mit Beratung der Bezirkssekretärinnen und Bezirkssekretäre, das entsprechende Entscheidungen zu politischen Fragen, zu Personaleinstellungen, zu Finanzen, zu Gremienbesetzungen und vielem mehr bespricht und entsprechende Beschlüsse fasst oder Vorschläge abgibt. Vorschläge deshalb, weil manche Beschlüsse (etwa Personal) dann final durch den Vorstand der IG Metall gefällt werden.

Wir haben insgesamt sieben Bezirkskommissionsmitglieder, von denen ich einige schon in anderen Zusammenhängen vorgestellt habe.

Etwa Achim Dietrich, der ZF Gesamtbetriebsratsvorsitzende oder die beiden Betriebsratsvorsitzenden Katja Kalkreuter von Lindenfarb und Conny Miltenberger von Rauch Möbelwerke.

Neben den dreien sind da noch Beate Schmitt, freigestellte Betriebsrätin von Heidelberger Druckmaschinen, Nadine Krenn, die JAV-Vorsitzende von Audi in Neckarsulm, Thomas Madl, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Conti in Villingen und Michael Häberle, der Betriebsratsvorsitzende von Daimler Untertürkheim.

Ich möchte kurz zu Michael was sagen.

Michael ist ein echtes schwäbisches Original, vor allem aber ein Herzblut-Gewerkschafter und einer derjenigen, der an seinem Standort am ehesten sieht, wie groß die Herausforderung der Transformation der Pkw-Antriebe ist.

Der Kampf um Batteriefertigung, elektrischen Antriebsstrang und Brennstoffzellenproduktion, den Michael und seine Kolleginnen und Kollegen führen, zeigt, wie herausfordernd Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit schon jetzt ist und in Zukunft sein wird. Michael macht mit seinen Leuten einen tollen Job.

Dass er sich dann noch mit einigen klar Rechts-Außen-Betriebsräten ("Zentrum Automobil") herumschlagen muss, die zwar nichts auf die Reihe bekommen, außer Un- und Halbwahrheiten zu verbreiten und Michael und seinen Mitstreitenden noch zusätzlich Steine in den Weg zu legen, zeigt wie anspruchsvoll Michaels Aufgabe ist.

Beate kenne ich seit der Jugendarbeit. Sie macht nicht nur seit je her eine tolle Betriebsratsarbeit, sondern die Alten erzählen auch, sie habe schon als Jugendvertreterin Franz Steinkühler beim Skat bezwungen. Sie repräsentiert darüber hinaus die wichtige Branche Maschinenbau.

Mit Nadine ist die Historie fortgesetzt, dass immer ein Mitglied der Bezirkskommission aus dem Kreis der Jugend kommt.

Und Thomas bringt die Erfahrung des großen Mischkonzerns Conti mit ein.

Jetzt könnte ich über alle sieben - auch über Achim, Katja und Conny - noch eine Menge schreiben, dann wird es aber zu lang. Ich will das hier nur nutzen, um mich für ihre Arbeit und ihren Einsatz zu bedanken. Das läuft ja auch alles nebenher und keiner der sieben kann sich über Unterauslastung beklagen.

Übrigens: Wer mitgezählt hat, stellt fest, dass es eine weibliche Mehrheit in der Bezirkskommission gibt.

Das hat sich so ergeben, und es ist auch nicht verwunderlich, obwohl in den meisten unserer Branchen der Anteil männlicher Beschäftigten bei teilweise über 80 Prozent liegt. Dass dennoch von den etwa 1900 Betriebsratsgremien 300 eine Kollegin als Vorsitzende und fast 400 eine stellvertretende Vorsitzende haben, ist auch ein Beleg von seit Jahrzehnten gezielter Frauenförderung.

Das kommt nicht von heute auf morgen und da gib es noch viel zu tun.

Und schon ist dieser Sommerbrief wieder zu lang geworden. Susanne wird schimpfen und deshalb muss ich die Vorstandsmitglieder im nächsten Brief behandeln.

Ergun Lümali, der Betriebsratsvorsitzenden aus Sindelfingen und gleichzeitig stellvertretenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Daimler, habe ich schon mal vorgewarnt. Und nachdem die Spitzen von Union und SPD ein paar wichtige Weichen, zum Beispiel zur Verlängerung der Kurzarbeit, gestellt haben, will ich auch noch was zur politischen Landschaft schreiben.

Nächstes Jahr sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Bundestagswahlen. Da sollte man schon einen Blick drauf werfen.

Und dann bin ich zwischen zwei Rezepten mit Rotwein hin- und hergerissen. Besoffene Spaghetti oder Coq au vin.

Letzteres hat Isabell Allende in ihrem Kochbuch Aphrodite so wunderbar interpretiert. Mal sehen. So jetzt aber Σκορδαλια - Skordalia.

Pass' auf Dich auf.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

Σκορδαλια - SKORDALIA

Rezept von Nikos

Nikos lebt die meiste Zeit des Jahres auf der griechischen Insel Skopelos.

Sein Segelboot ist Programm - es heißt No Stress. Und Nikos hat mir erklärt wie man Skordalia richtig zubereitet.

Bei mir ist das eher immer Kartoffelbrei mit viel Knoblauch. Eigentlich soll es eine Vorspeisencreme sein - wie Tarama, Tsatsiki oder Auberginensalat.

Ich habe Nikos berichtet wie ich Skordalia zubereite und er sagte mir, dass man das zwar mit Kartoffeln machen kann.

Richtig gut wird es aber nur mit altbackenem Brot. Das weicht man ein, nimmt aber nicht die Kruste, sondern nur das Innere vom Weißbrot.

Gut ausdrücken und zusammen mit Knoblauch, Salz und Olivenöl in den Mixer.

Ich finde da müssen noch ein paar Spritzer Zitronensaft rein.

Gut zerkleinern, aber es darf nicht zu flüssig werden. Es soll eine luftige Creme sein.

Dann Walnüsse zerkleinern und untermischen.

Für vier Vorspeisenportionen dürfen das schon 4 große Knoblauchzehen sein, ein kleines altbackenes Weißbrot und gut 50 ml gutes Olivenöl.

Guten Appetit.

27. August 2020

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

wie hat das dieses Jahr mit dem Urlaub geklappt? Balkonien? Terrassinien? Oder etwa doch Malle?

Jedenfalls gibt es eine Urlaubsart, die 2020 nochmals deutlich zugenommen hat: Der Caravan- und Reisemobilurlaub. Mit 12.700 neu zugelassenen sogenannten Freizeitfahrzeugen im Juni 2020 war das ein Zuwachs gegenüber Juni 2019 um 50 Prozent.

Das ist gut so, denn Baden-Württemberg ist durchaus so etwas wie ein Zentrum dieser Branche. Im Mittelpunkt steht die Hymer Group in Bad Waldsee, zu der neben Hymer auch andere Marken wie Dethleffs oder Bürstner gehören.

Ich hatte letztes Jahr die Gelegenheit mir die Reisemobilproduktion von Hymer in Bad Waldsee anzuschauen und ich war schwer beeindruckt.

Mindestens genauso beeindruckt bin ich aber von den Kolleginnen und Kollegen, die in den zahlreichen Branchen, für die wir als IG Metall zuständig sind, das Gesicht der IG Metall sind. Bei Hymer kommt man an Janusz Eichendorff nicht vorbei.

Janusz ist der Betriebsratsvorsitzende und ein echter IG Metaller. Er ist Mitglied im Beirat der IG Metall, sitzt bei den Tarifverhandlungen der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie am Verhandlungstisch und wer sich in seinem Umkreis befindet, erlebt einen "Wirbelwind". Janusz ist echt ein super Typ.

Als in den späten 1990er Jahren die beiden damaligen Gewerkschaften Textil und Bekleidung (GTB - 1998) und Holz und Kunststoff (GHK - 2000) zur IG Metall kamen, war die Tradition zweier sehr erfolgreicher Branchengewerkschaften zunächst beendet.

Und was das sowohl für die Organisation als auch für die betroffenen Mitglieder und Funktionäre bedeutet, wenn es die eigene Gewerkschaft plötzlich nicht mehr gibt, das kann jede Herzblut-Metallerin und jeder Herzblut-Metaller vielleicht erahnen - sich aber nicht vorstellen.

Ich kann mich an diese Phase sehr gut erinnern - ich war damals 2. Bevollmächtigter in Gaggenau - und habe die Betreuung der TB- und HK-Betriebe übernommen.

Mit Textil war das noch einfach, da es um den Sitzhersteller auf dem Daimler Werksgelände in Rastatt ging. Bei Pressspanplatten und Sägewerk nebst Kartonfabrik, Büromöbel und hochwertigen Polsterbetten war das schon schwieriger.

Was wichtig war und ist: Wir haben die GTB und die GHK eben nicht einfach übernommen, sondern es ist uns gelungen, für diese - zu Recht selbstbewussten - Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ihre Rolle als starker Teil des Ganzen zu finden. Und das ging nur, weil die "Alt-Metaller" ihrer Rolle als Integratoren nachgekommen sind und die GTB'ler und GHK'ler ihren Platz in der IG Metall eingenommen haben.

Und neben Janusz sind das viele andere. Etwa Edmund Volkwein von Waldner Labor oder Conny Miltenberger von Rauch Möbelwerke oder Klaus Schulz von Ruf Betten.

Aus dem Kreis der Textilerinnen und Textiler sind die bekannten Aktivposten etwa Christian Schnellbach von GST oder Norbert Maier von Digel, Katja Kalkreuter von Lindenfarb oder Ellen Götz von Betty Barclay.

Die Bandbreite geht von Möbel, Raumeinrichtungen, Anzügen bis hin zu Airbag-Stoff oder Textilveredelung. Diese Kolleginnen und Kollegen stehen stellvertretend für tausende Aktive in unseren Branchen.

Und es sind beileibe nicht alle. Aber alle hätten es verdient hier auch genannt zu werden.

Eigentlich wollte ich noch etwas über die Branchen schreiben, die schon seit je her zur IG Metall gehören - etwa unsere Kolleginnen und Kollegen im Handwerk oder bei Edelmetall.

Ich schau mal, dass ich das noch in einem der nächsten Sommerbriefe nachhole. Aber sonst wird das heute zu lang. Und ich möchte demnächst noch über ein paar Kolleginnen und Kollegen schreiben - über unsere ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder und unsere Bezirkskommission - sozusagen unseren Landesvorstand.

Ich möchte mich in diesem Sommerbrief noch bei einem Kollegen bedanken, der neben den Branchen Holz-Kunststoff und Textil-Bekleidung auch noch das Kfz-Handwerk viele Jahre im Bezirk verantwortlich geleitet hat und viele tolle Tarifabschlüsse maßgeblich verhandelt hat.

Ich rede von Martin Sambeth, der zum 1. September als 2. Bevollmächtigter in die Geschäftsstelle Karlsruhe wechselt. Martin war und ist genau einer der "Alt-Metaller", der die "Seele" unserer Kolleginnen und Kollegen in den Branchen immer besonders gut verstanden hat. Glück auf, Martin, und DANKE.

Diese Woche gibt es nur einen Sommerbrief, nächste Woche versuche ich wieder zwei zu schaffen.

Jetzt habe ich mehr Ideen über die ich noch schreiben könnte, als es heuer Sommerbriefe geben wird. Lass' Dich also überraschen was mir noch einfällt.

Und vielen herzlichen Dank für die zahlreichen Rückmeldungen.

Es gibt natürlich schon ein paar Sachen, die nachgearbeitet werden müssen. Etwa die Sache mit dem Liederabend.

So, und dann habe ich noch ein paar Leckereien auf Lager, über die ich gerne schreiben möchte.

Σκορδαλια - Skordalia. Eine wunderbare griechische Knoblauch-Creme, für die es natürlich wieder unzählige Rezepte gibt.

Ich würde Dir gerne meinen Favoriten schreiben.

Heute geht es aber erstmal um Blumenkohl.

Pass' auf Dich auf.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

GERÖSTETER BLUMENKOHL

Rezepte mit geröstetem Blumenkohl gibt es viele. Die Grundidee ist immer die gleiche.

Den Blumenkohl in seine Röschen zerteilen, das ganze mit Olivenöl und Salz (ich plädiere für Fleur de Sel) vermengen und im Backofen bei 200 Grad (Umluft) etwa 30 Minuten backen bis der Blumenkohl schön Farbe annimmt. Herausnehmen und mit einer Marinade vermengen. Fertig und super lecker.

Das heutige Rezept ist weitgehend aus dem ZEIT-Magazin (dort gibt es übrigens eine Menge richtig guter Rezepte).

ZUBEREITUNG

Blumenkohl zerteilen, Zwiebeln vierteln. Alles in einer Schüssel mit Olivenöl (reichlich) übergießen. Salzen und mit den Händen vermengen.

Den Backofen auf 200 Grad vorheizen.

Auf einem Blech Backpapier auslegen, Blumenkohl und Zwiebeln darauf verteilen und eine halbe Stunde backen. Zwischendurch wenden.

Kapern, Rosinen und Oliven sehr fein hacken. Aus Olivenöl, Senf und Zitronensaft eine Marinade herstellen. Mit den gehackten Zutaten mischen.

Den Blumenkohl und die Zwiebeln in eine Schüssel geben und mit der Marinade und Pfeffer würzen. Vorsichtig unterheben.

Mir schmeckt es lauwarm am besten. Guten Hunger.

ZUTATEN

1 Blumenkohl

2 rote Zwiebeln

eine halbe Tasse schwarze Oliven (ohne Stein - am besten schwarze und nicht geschwärzte)

je 1 EL Rosinen und Kapern

1 TL scharfer Dijon-Senf

eine halbe Tasse fein gehackte Petersilie

Zitronensaft (al Gusto)

Olivenöl

Salz, Pfeffer

21. August 2020

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

hast Du einen Adamek zuhause? Und wenn ja, welchen? Den ganz alten grünen, den fast ebenso alten blauen oder den recht neuen roten?

Wenn Du nicht weißt, was der Adamek ist, dann hilft dieser Sommerbrief etwas weiter. Und wenn Du es weißt, solltest Du ihn dringend hervorholen und mal wieder ein paar Arbeiterlieder singen.

Denn der Adamek ist ein Arbeiterliederbuch. Und den gab es viele Jahre bei den Grundseminaren (also A1, die da noch F1 hießen und Jugend 1) im Buchpaket.

Ich weiß nicht mal ob es noch ein Buchpaket gibt (sorry Irene, ich hätte Dich ja nur fragen müssen).

Und sehr viele Kolleginnen und Kollegen waren verwundert, wenn plötzlich die Referenten bei den Grundseminaren erklärt haben, dass heute Abend zwei Kolleginnen oder Kollegen kommen, um mit den Teilnehmenden Arbeiterlieder zu singen.

Das war in meiner früheren Geschäftsstelle dann häufig der frühere Betriebsratsvorsitzende des Mercedes PKW Werkes Rastatt, Karlheinz Fischer, oder der Betriebsratsvorsitzende von Maquet in Rastatt, Roland Walter, oder der Sekretär und spätere Bevollmächtigte Roman Zitzelsberger.

Wir fuhren abends zu den Seminaren mit unseren Gitarren und dann wurden zum ersten Mal die Bücher ausgepackt und Arbeiterlieder gesungen.

Was wichtig ist: Wenn man die Lieder zum ersten Mal hört oder gar mitsingt, dann kann das schon verstören. Das ist eine zum Teil sehr martialische Sprache, von Kampf, von Armut, von Kerker, von Revolution ist die Rede.

Und deshalb ist es so wichtig die jeweilige Geschichte zu den einzelnen Liedern zu kennen. Unsere Geschichte.

Die Geschichte der Kämpfe mit den Mächtigen, den Kapitalisten, den Unterdrückern, den Nazis. Die Arbeitgeber erkennen uns erst seit 100 Jahren als Verhandlungspartner an.

Am Anfang der Gewerkschaftsbewegung haben sie uns mit Gewalt unterdrückt. Sie haben dafür gesorgt, dass es Gesetze gegen uns gab, die gewerkschaftliches Handeln verboten haben.

Und das ist keine nationale Frage, sondern diese Unterdrückung hat stattgefunden und findet überall auf der Welt statt. Auch heute noch an vielen Orten.

Ich bin ein großer Freund von Arbeiterliedern. Natürlich bin ich auch ein wenig Nostalgiker.

Aber ich mag unsere Lieder deshalb so sehr, weil man mit ihnen so wunderbar unsere Geschichte erzählen kann. Und dabei mehr lernt, als wenn man das nur liest oder hört.

Die Verzweiflung, die Trauer, die Wut und den Mut. Die Hoffnung und die Kraft, die unsere Altvorderen gebraucht haben. Die sprechen durch unsere Lieder.

Wenn man sie singt, dann kann man diese Gefühle spüren. Und darauf kommt es an.

Egal ob wir am Verhandlungstisch sitzen und einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung aushandeln. Ob wir mit Verbänden oder Politikern etwas aushandeln.

Dafür braucht es einen kühlen Kopf und klaren Verstand. Wir müssen gute Kompromisse finden und Lösungen in Widersprüchen suchen und vor allem unsere Mitglieder über die Richtigkeit des Weges überzeugen.

Wir wären aber nicht wir, wenn dabei nicht auch immer die notwendige Leidenschaft und Klarheit dabei ist, die zeigt auf welcher Seite wir stehen.

Nein, ich meine keinen modernen Klassenkampf. Das bin ich nicht. Ich meine etwas viel Wichtigeres.

Eine klare Haltung. Ein Wertegerüst. Ein Kompass, der dafür sorgt, dass wir nicht beliebig sind oder Modernität ein Schön-Wetter-Begriff wird. Eine Floskel.

Und diese Haltung basiert eben sehr stark auf der Grundlage unserer Herkunft und unserer Geschichte. Und dabei helfen mir unsere Lieder.

Ich glaube, wir müssen mal wieder einen Liederabend machen. Und wer noch keinen Adamek hat, der bekommt ihn an diesem Abend von mir geschenkt.

Aber gute Kultur hat auch was mit gutem Essen zu tun und ein gutes Glas Wein soll dabei auch nicht schaden. Deshalb kommt jetzt mein Risottorezept. Schon wieder ein Lieblingsrezept.

Risotto alla Milanese. Und dazu gibt es einen wunderbaren Weißwein. Gerne mit schöner Säure. Passt wunderbar zu dem etwas kräftigeren Essen.

Ich mache immer zuviel Butter und Parmesan rein. Ich kann nicht anders.

Ich möchte im nächsten Sommerbrief über unsere Kolleginnen und Kollegen berichten, die nicht in der Metall- und Elektroindustrie, sondern in unseren Branchen arbeiten.

In der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie, in der Edelmetallindustrie, im Handwerk, in der Textil- und Bekleidungsindustrie.

Starke Frauen und Männer die zeigen, dass die IG Metall soviel mehr ist.

Und dann muss ich Euch von geröstetem Blumenkohl erzählen.

Ich habe schon wieder Hunger.

Bis dahin.

Pass' auf Dich auf.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

RISOTTO ALLA MILANESE

Ein gutes Risotto beginnt mit einem gut gekühlten Glas Weißwein - gerne einem Lugana oder Roero Arneis - von dem man zu Beginn ein Gläschen für die Köchin/den Koch braucht.

Man wird selten für weniger als 4 Personen Risotto machen, für mein Verständnis gilt - je mehr, desto besser.

Naja. Begrenzt wird es dann doch irgendwann durch die Topfgröße.

Zunächst mit der Brühe beginnen - eine Beinscheibe, Wurzelgemüse, einige Pfefferkörner, ein Lorbeerblatt und eine Zwiebel (am besten eine weiße) gespickt mit 3 oder 4 Nelken in einem großen Topf mit 2,5 Liter kaltem Wasser aufsetzen und mindestens 2 Stunden köcheln lassen.

Gelegentlich den Schaum abschöpfen.

Ich rate dazu, die Brühe entweder mit Eiweiß zu klären, mindestens aber durch ein Haarsieb zu schütten, um keine Flusen in der Brühe zu haben. Heiß halten.

Derweil 2 Schalotten sehr fein hacken (noch feiner als bei den Rahmblättle).

Aus 2-3 Markknochen das Knochenmark herausdrücken und ebenfalls sehr fein hacken.

In einem großen Topf einen guten Schuss Olivenöl erhitzen (es darf auf keinen Fall rauchen) und die Schalotten und das Knochenmark darin glasig dünsten.

Dann noch einen Schuss Olivenöl dazu und etwa 300 Gramm Reis (Arborio oder Carnaroli) dazu geben. Manche waschen den Reis vorher, ich verzichte darauf. Kauft lieber den Reis als superfino, es lohnt sich.

Alles gut verrühren - selbstverständlich mit einem Holzkochlöffel.

Die geklärte Brühe steht auf dem Herd und ist gerne 90 Grad heiß. Ich schlage vor, nicht die Brühe zu salzen, sondern das entstehende Risotto.

Sobald der Reis komplett mit Olivenöl überzogen ist, einen sehr kräftigen Schluck von dem Weißwein - nein, nicht in den Koch - sondern in den Topf zum Ablöschen schütten.

Ab jetzt gilt es: rühren, rühren, rühren. Und nach und nach immer von der Brühe zugießen.

Der Reis muss immer schwimmen und leicht köcheln.

In der zweiten Hälfte der Kochzeit (etwa nach 10 Minuten) dann salzen und es darf etwas schwarzer Pfeffer hinzu.

Im letzten Viertel der Kochzeit reichlich guten Safran (etwa 0,2 Gramm) hinzu. Ich nehme meist Fäden und gemahlenen je zur Hälfte.

Sobald der Safran drin ist, noch einen Schuss Wein (oder ein paar Spritzer Zitrone), weil Safran Fett und Säure sehr mag, um richtig Farbe zu geben.

Sobald der Reis fertig ist (er hat schon noch Biss) kommen bei mir 75 Gramm Butter (direkt aus dem Kühlschrank in Form von kleinen Würfeln) und 100 Gramm geriebener Parmesan dazu - bitte einen guten und nicht fertig geriebenen aus dem Päckchen.

Achtung mit dem Salz - wenn ihr schon reichlich gesalzen habt, denkt dran, dass auch Parmesan salzig ist.

Es gibt für die Menge auch Rezepte mit weniger Butter und Parmesan. Geht gar nicht. Mehr schon.

Risotto muss auf dem Teller verlaufen, also darf schon noch "flüssig" sein.

Ich hoffe, Ihr habt noch was von dem Weißwein übrig oder eine zweite Flasche kaltgestellt.

Lasst es Euch schmecken.

17. August 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie ich ja bereits angekündigt hatte, will ich mit diesem Sommerbrief ein Blick auf die anstehende Tarifrunde zur Metall- und Elektroindustrie beziehungsweise zur Diskussion zu möglichen Forderungen schreiben. Und ich habe versprochen, etwas über das Mundartsprechen zu schreiben.

Ich gebe unumwunden zu: Ich spreche gerne Dialekt. Natürlich gebe ich mir in bestimmten Situationen Mühe nicht in meinen Mittelbaden-Ureinwohner-Slang zu fallen. Aber spätestens wenn ich bei alten Freunden oder mit meinem Bruder unterwegs bin, ist es um mich geschehen.

Doch das ist gar nicht so einfach zu erklären, welchen Dialekt ich eigentlich spreche. Badisch sagen manche - klar, ich komme aus Baden, konkret aus Muggensturm.

Und da beginnt mein Dialekt-Erklär-Problem. Das liegt nämlich genau an der Sprachgrenze des Rhein-Fränkischen und Oberrhein-Alemannischen.

Das lässt sich entlang des Wortes gewesen ("Wo bist du gewesen?") erklären. Im Rhein-Fränkischen ist das eindeutig ein gwäh ("Wo bisch gwäh?"), während es im Oberrhein-Alemannischen ein ganz klares gsi ist ("Wo bisch gsi?").

Ihr merkt jetzt schon, es ist gar nicht so einfach, wenn man multilingual aufwächst. Da muss man sich entscheiden, ob gwäh oder gsi? Naja.

Deshalb wird auch in jedem Dorf in meiner Herkunftsgegend auch ein leicht anderer Wortschatz gepflegt.

Wunderbar.

Warum ich darüber schreibe? Ganz einfach. Es gibt heute das extrem leckere Rezept "Saure Rahmblättle". Und das habe ich von meiner Oma Liesel geerbt.

Und als ich es vor ein paar Jahren aufgeschrieben habe, habe ich es eben so aufgeschrieben, wie meine Oma das erklärt hat. Befehlston inbegriffen.

Wenn Ihr das mit dem Dialekt genauer wissen wollt, dann gebt mal in die Suchmaschine "Alemannischer Beispielsatz" ein.

Dann könnt Ihr das genau bei Wikipedia nachlesen und werdet feststellen, dass es zwischen den Schwaben und den Badnern viel mehr Gemeinsames gibt als sich das manche eingestehen wollen.

Und Grenzen an Stellen, wo Ihr sie nie vermutet hättet. Aber die eigentlichen Grenzen gibt es eh nur im Kopf. Und die reißt man am besten ein.

Dieser Tage mache ich mir natürlich intensive Gedanken über die kommende M+E Tarifrunde. Und weil KFZ-Handwerk, Textil, Edelmetall und einige andere auch vor der Tür stehen, denkt man das am besten gleich mit.

Ich denke, wir werden uns in allen Tarifrunden über Sicherheit von Beschäftigung unterhalten. Da kann man viel mit reduzierten Arbeitszeiten machen. Das bietet sich an.

"Stunden statt Menschen entlassen" haben das die Esslinger Kollegen 2009 als Leitmotiv genannt. Das ist aktueller denn je. Aber reicht das?

Ich bin da ganz bei der Auffassung unseres Vorsitzenden Jörg Hofmann. Wir brauchen nach der individuellen Wahlmöglichkeit "Zeit für Geld" (T-Zug) eben auch eine kollektive Wahlmöglichkeit.

Und wenn der Betrieb A eben unter Volllast fährt, dann kann das ja so sein wie es ist. Und wenn der Betrieb B weniger ausgelastet ist, dann sind es eben nur vier Tage. Aber auch das springt zu kurz. Vier mal acht macht 32 Stunden. Nur viermal pro Woche in den Betrieb? Und am fünften Tag?

"Zeit zum Leben, Lieben, Lachen" war das Motto der 80er und 90er. Ich würde heute noch ein "Lernen" dazufügen.

Weniger Verkehr, weniger Umweltbelastung, weniger Kosten. Ich glaube wir sollten diese Themen diskutieren und offensiv aufnehmen.

Und ich bin sehr dafür, eine bezifferte Entgeltforderung zu stellen. Auch als mindestens Teilausgleiche für kürzere Arbeitszeiten.

Und wir müssen den Ausbildungstarifvetrag (MTV-A) runderneuern und die dual Studierenden endlich tariflich absichern - gerade jetzt ist die Gefahr der Nicht-Übernahme massiv gestiegen.

Und zuletzt: Was für Metall und Elektro gut ist, kann für die anderen Branchen nicht schlecht sein.

Ich freue mich auf eine offensive Diskussion in den Tarifkommissionen im Herbst. Und diskutiert das bitte schon jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen.

Krise vorne, Krise hinten. Wir ducken uns doch nicht weg. Wir haben allen Grund mit erhobenem Haupt und großem Selbstbewußtsein die Debatte zu starten.

Und am Ende ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Und auszutesten wie Mobilisierung auch unter Pandemie-Bedingungen geht. Da gibt es echt gute Ideen.

Ich freue mich drauf, das alles mit Euch zu diskutieren und - vor allem - umzusetzen.

Damit bin ich auch schon wieder am Ende des heutigen Sommerbriefs.

Im nächsten Brief geht es um Kultur.

Um einen wichtigen Teil unserer gewerkschaftlichen Kultur - Arbeiterlieder.

Einige von Euch wissen, dass das auch eine große Leidenschaft von mir ist.

Und dann müssen wir über Risotto reden.

So und jetzt kommt der Nachschlag. Auf Badisch (Ihr wisst schon Sprachgrenze ...)

Pass' auf Dich auf.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

SAURE RAHMBLÄTTLE

Badische Küche vom Feinsten

Rezept von meiner Oma Liesel, Text auf Badisch von Roman Zitzelsberger

Koiner hat so gude Rohmblädle gmacht wie mei Oma Liesel. Au wenn heit nimme viel Leit wissed wie ma die macht und was des überhaupt isch.

Äh Lähbe ohne saure Rohmblädle isch oifach koi richtigs. Un des bsonnere an da Rohmblädle isch, dass die quasi zu allem esse konsch.

Die basset genauso gud zumme Schbahnferkel, zumme Hecht oder wie zumme Schbargel oder Floischworschd.

D'Oma Liesel hattse moischdens mimme Broade gmachd. Midderre gonz dinne Broadesoß.

Un weil jeder nur ä kloins Stiggel Floisch grid hat, hats jo die Bläddle brauchd. Sonschd wär ma jo verhungerd.

So. Jetzt woisch abber immer noch ned was des isch.

Erschdamol Zutate.

ZUTATE

Äh Kilo Grummbiere - feschdkochende

3 Schalodde - wennse kloi sinn, nemmsch viere

Budder - die isch fürd Mehlschwitz.
Ich machs nach Gfühl.
So äh Viertel vomme Pfund ugfähr

Mehl - ned viel.
So oi, zwoi Esslöffel

Weißweiessig - nemmsch abber koi Glump

Än halber Lidder Sahne - des isch jetzt wichtig.
Sahne!!! Koi Sauerrohm!!!

Äh Lorbeerblatt

Peterling

Pfeffer, Salz, Muskat
aber ned so vorgmaohlenes Zeig.

MACHE

Grummbiere schäle un in Scheibe schneide. Ned zu dinn, ned zu dick.

Ähn große Hafe mit Wasser zum Koche bringe. 3 bis 4 Lidder. Ordentlich Salz nei. Uns Lorbeerblatt.

Grumbiere nur blangschiere. Ned durchkoche. Sonsch kriegsch Grumbierebrei. Des isch a was feins. Aber heit mached ma Rohmblättle.

Mimme Sieblöffel aus der kochende Brüh nemme un im kalte Wasser abkühle. Des richdsch da vorher innere Blaschdigschüssel no. Kalts Wasser! Äh paar Eiswürfel machsch a nei.

Wenn die Grummbierscheibe einigermaße kalt sinn, schüttschse ab. In so än Saladseier oder so was.

Von da Kochbrüh brauchet mar noch äh bissel. D' Reschd konsch fortleere.

D'Schalodde hasch hoffentlich scho kloi gschnidde. Un zwar kloi. Koi Brogge. So gonz feine Stiggle.

Am beschde nemmsch dann da Hafe wo die Grummbierscheibe drin blangschierd hasch.

D'Butter nei. Wennse verlaufe isch d'Schalodde dazu - sinnse a wirklich kloi gschnidde?

Bissel glasig werre lasse, danns Mehl dazu. Gugsch dasses ned Farb ohnemmt.

D'Hafe runner von der Hitz, am beschde nemmsch än Schneebesse.

Än Spritzer vom Essig nei. Umrühre. Guggsch, dasses koi Glummbe gibt. Rühre!

Dann von der Grummbierebrüh. Weiter rühre! S' darf koi Glummbe gäbbe. Himmelherrgott. Rühre!

Widder uff d'Herdblatt. Weiter rühre! D'Sahne dazu. Nett alles uff oi mol.

Die hasch vorher schu ausem Kühlschronk gholt. Die darf ned zu kalt sei.

Rühre! Koi Glummbe.

Wenns widder uffkochd isch, nemmsch d'Hitz runner.

Isches schee schlonzig? Des isch extrem wichdig.

Mit Pfeffer, Salz und Muskat abschmegge.

Wenn dars net sauer gnug isch, konnsch noch än kloiner Spritzer Essig neimache. Machsch abber longsom.

Dann dusch die Grummbierscheibe nei. Besse weglege un än Kochlöffel nemme!

Jetzt gonz behutsam unnerhebe. Un wenn die Grummbiere zu woich gekocht hasch, mergsches schbädeschdens jetzt.

D'Hitz konnsch jetzt gonz wegnemme. Oifach noch ä bissel ziege lasse.

Zwischezeitlich haksch da Peter. Drübber streue un da Hafe uff da Tisch.

Än Guder.

14. August 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

den heutigen Sommerbrief widme ich wie angekündigt den Frauen. Den Frauen, die hauptberuflich für die IG Metall arbeiten und - nein, jetzt kommt nicht der Quatsch "ihren Mann stehen" - einfach einen tollen Job machen.

Die IG Metall hat in Baden-Württemberg 27 Geschäftsstellen. Von diesen 27 Geschäftsstellen stehen zehn unter der Führung einer Kollegin als Erste Bevollmächtigte.

Als die IG Metall vor 20 Jahren ihr Traineeprogramm, ein Ausbildungsprogramm für Gewerkschaftssekretärinnen und Gewerkschaftssekretäre, ins Leben gerufen hat, war schnell klar: Die IG Metall wird weiblicher. Denn von Anfang an waren mehr Frauen in dem Programm als es überhaupt Gewerkschaftssekretärinnen gab.

Und das war gut so!

Zwingende - wenn auch keine automatische - Konsequenz ist, dass auch der Anteil der weiblichen Führungskräfte steigt.

Das ist auch in Baden-Württemberg der Fall, worauf ich ein kleines bisschen stolz bin. Auch wenn ich nur einen bescheidenen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet habe.

Liane Papaioannou (Pforzheim), Helene Sommer (Friedrichshafen-Oberschwaben und Singen) sowie Andrea Sicker (Aalen und Schwäbisch Gmünd) waren mehrere Wochen in ihrer Trainee-Ausbildung im Praxiseinsatz bei mir in Gaggenau. Und die Kollegin Nadine Boguslawski (Stuttgart) habe ich während des Theorieteils der Ausbildung kennen gelernt.

Später war Nadine im Team der Bezirksleitung maßgeblich für die Tarifpolitik mitverantwortlich.

Natürlich gab es auch unzählige Kollegen, die ich auf dem Weg der Trainee-Ausbildung begleiten konnte. Ich habe aber versprochen, dass wir heute nur über die Frauen sprechen.

Die Kolleginnen Claudia Peter (Gaggenau), Petra Wassermann (Ulm), Dorothee Diehm (Freudenstadt) und Tanja Silvana Nitschke (Reutlingen-Tübingen) habe ich über andere Ebenen der Zusammenarbeit kennengelernt.

Claudia Peter und ich waren etliche Jahre zusammen in der Gaggenauer Geschäftsführung, ehe sie dort meine Nachfolgerin wurde.

Petra Wassermann und ich kennen uns aus den Daimler-PKW-Arbeitszusammenhängen, mit Dorothee Diehm verbindet mich eine Geschichte, in der wir gemeinsam ein sehr schwieriges Thema lösen mussten, und Tanja Silvana Nitschke und ich haben uns erst durch meine Rolle als Bezirksleiter näher kennen, und von meiner Seite, sehr schätzen gelernt - ich glaube, es ist auch umgekehrt so.

Alle Kolleginnen verbindet Folgendes: Extrem hohe Einsatzbereitschaft, Durchbeißen durch schwierige Situationen sowie Ernsthaftigkeit und Lust am Gestalten und Führen.

Und machen wir uns nichts vor: In einem Männerladen wie der IG Metall werden Frauen natürlich gefördert, aber geschenkt wird ihnen nichts.

Was unsere Top-Führungsfrauen im Ländle auch alle mitbringen, ist Lebensfreude. Zum Lachen und Genießen gehen sie definitiv nicht in den Keller.

Die IG Metall insgesamt, vor allem aber die IG Metall Baden-Württemberg, ist deutlich weiblicher geworden. Das ist großartig.

Davon profitieren wir alle, denn das verändert unsere Diskussionskultur, unsere Sichtweisen und unser Gesicht und bringt uns somit weiter.

Ich kann über unsere Spitzenkolleginnen in Baden-Württemberg eines mit Sicherheit sagen: Sie stehen deshalb da, wo sie stehen, weil sie einfach richtig gut sind, einen tollen Job machen und unsere IG Metall voranbringen.

Es ist für mich eine große Freude mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.

Der heutige Sommerbrief ist den Frauen gewidmet, die hauptberuflich für die IG Metall in Baden-Württemberg arbeiten.

Dabei sind unsere 1. Bevollmächtigten natürlich nur ein Teil. Ich könnte noch über viele andere schreiben, etwa die rund 150 Verwaltungskolleginnen (kurz: VAs) in den Geschäftsstellen und der Bezirksleitung.

Sie sind die erste Anlaufstelle für die Mitglieder, sie bekommen meist zuerst mit, wo etwas im Argen ist, haben ein offenes Ohr und stehen mit Rat und Tat und Sachverstand unterstützend zur Seite.

Oder die vielen Gewerkschaftssekretärinnen und andere Geschäftsführerinnen, die jeden Tag in den Betrieben unterwegs sind und unsere vielen ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen unterstützen.

Euch allen ein sehr herzlicher Dank für Eure tolle Arbeit!

So liebe Kollegen - zum Schluss geht es wieder um eine richtige Männersache: Ums Kochen! Und zwar Shakshuka.

Ich kann diese köstliche Speise nur empfehlen.

Ob das Gericht aus Marokko, dem Libanon oder dem israelisch-palästinensischen Raum kommt, ist unklar. Abwandlungen davon gibt es auch in der Türkei.

Eigentlich isst man Shakshuka zum Frühstück - wie ich zum ersten Mal in Tel Aviv. Tatsächlich mag ich es aber lieber zum Abendessen.

Es gibt unglaublich viele Variationen. Probier' es doch auch mal aus. Es macht satt und glücklich.

Ehrenwort. Ich schwöre auf das Rezept des genialen Kochs Yotam Ottolenghi aus dem Kochbuch "Genussvoll vegetarisch".

Wichtig hierbei: Du kannst nicht genug Safran nehmen.

Das Rezept findest Du wieder unten.

In meinem nächsten Brief will ich über die kommende Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie schreiben. Und über Dialekte. Und über ein badisches Rezept, das mein Lieblingsrezept ist. Ja, ich habe sehr viele Lieblingsrezepte.

Pass auf Dich auf.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

SHAKSHUKA NACH YOTAM OTTOLENGHI

ZUBEREITUNG

Kreuzkümmelsamen in einer sehr großen Pfanne bei hoher Temperatur ohne Fettzugabe 2 Minuten rösten. Das Öl und die Zwiebeln zugeben und 5 Minuten anbraten. Die Paprikastreifen, den Zucker und die Kräuter hinzufügen und weitere 5-10 Minuten bei hoher Temperatur braten, bis das Gemüse etwas Farbe annimmt.

Die Tomaten, den Safran, den Cayennepfeffer sowie etwas Salz und Pfeffer hinzufügen. Auf niedrige Temperatur schalten und 15 Minuten garen. Während des Garvorgangs immer wieder etwas Wasser zugießen (insgesamt bis zu 250 ml), sodass die Mischung die Konsistenz einer Tomatensauce annimmt. Probieren und bei Bedarf nachwürzen. Sie sollte würzig und aromatisch schmecken. (Die Mischung lässt sich gut im Voraus zubereiten.)

Die Lorbeerblätter entfernen und die Paprikamischung gleichmäßig auf vier Portionspfännchen mit hohem Rand verteilen, die groß genug für eine ordentliche Portion sein müssen. Bei mittlerer Temperatur auf dem Herd erwärmen, dann den Pfanneninhalt so auseinanderschieben, dass pro Pfanne zwei Lücken entstehen, und in jede Lücke ein aufgeschlagenes Ei gleiten lassen. Mit etwas Salz bestreuen und die Deckel auflegen. Bei sehr (!) niedriger Temperatur 10-12 Minuten garen, bis die Eier gerade eben gestockt sind. Mit Koriandergrün garnieren und servieren.

Guten Appetit!

ZUTATEN

Für 4 (hungrige) Personen

1/2 TL Kreuzkümmelsamen
180 ml mildes Olivenöl oder anderes Pflanzenöl
2 große Zwiebeln, in Ringe geschnitten
2 rote und 2 gelbe Paprikaschoten, von Stielansatz, Samen und Scheidewänden befreit und in 2 cm breite Streifen geschnitten
4 TL Roh-Rohrzucker
2 Lorbeerblätter
6 Zweige Thymian, die Blättchen abgezupft und gehackt
2 EL gehackte Petersilie
2 EL Koriandergrün, plus mehr zum Garnieren
6 reife Tomaten, grob gehackt
1/2 TL Safranfäden
1 Prise Cayennepfeffer
Salz und schwarzer Pfeffer
8 Eier

11. August 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den vergangenen Wochen ist in drei wichtigen baden-württembergischen Unternehmen etwas Bedeutendes gelungen.

In der schwersten Wirtschaftskrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs konnte eine Vereinbarung zur Sicherung von Beschäftigung und zur Stabilisierung der Unternehmen selbst getroffen werden. Ich rede von Daimler, ZF und Bosch.

Gleichzeitig sind wir gerade dabei, in einer Vielzahl von weiteren Unternehmen etwas Ähnliches hinzubekommen, was uns teilweise bereits gelungen ist.

Mit Blick auf den Herbst befürchten wir, dass es zahlreiche Personalabbauprogramme bis hin zu harten Kündigungen oder gar komplette Standortschließungen geben wird.

Unsere wichtigste Aufgabe wird es dann sein, dies zu verhindern.

Das Besondere an den drei Betrieben ist, dass sie sich wie mittelständische Unternehmen aus dem Ländle anfühlen. Dabei sind es multinationale Konzerne mit hunderttausenden Beschäftigten mit Standorten auf allen Erdteilen.

Die drei Spitzen der Betriebsräte dieser Unternehmen sind echte baden-württembergische Urgesteine, die jeden Tag auf Augenhöhe mit den Geschäftsleitungen verhandeln.

Es ist wie in Bertold Brechts "Fragen eines lesenden Arbeiters", dass die drei das alles nicht alleine machen.

Sie haben ihre Verhandlungskommissionen und Stäbe und wissen, dass die Belegschaften hinter ihnen stehen. Und die IG Metall ist selbstverständlich auch immer mit an Bord. Wir stimmen uns eng ab, sitzen mit am Verhandlungstisch oder sind Ratgeber und Unterstützer im Hintergrund.

Aber letztendlich kommt es auf die Menschen an, die in der ersten Reihe stehen.

Michael Brecht für Daimler, Achim Dietrich für ZF und Frank Sell für Bosch. Diesen Sommerbrief möchte ich nutzen, um für diese drei starken Typen eine Lanze zu brechen.

Alle drei sind ausgeprägte Familienmenschen, leben und lachen gerne, arbeiten für die Sache - teilweise weit mehr als es das Gesetz oder der liebe Gott vorgesehen hat - und schaffen es trotz aller Ernsthaftigkeit der Dinge, immer die Menschen im Blick zu behalten.

Ihre Rolle ist im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos. Denn wenn es darauf ankommt, fährt Michael nach Hambach in Lothringen, um die Kollegen in ihrer Auseinandersetzung um die Zukunft ihres Standorts zu unterstützen, oder Achim nach Spanien, um sich mit den Kollegen dort für gute Auslaufbedingungen einzusetzen. Und das kommt nicht von ungefähr: Die drei sind waschechte IG Metaller, durch und durch Gewerkschafter und einfach gute Freunde.

Wie alle Menschen mit großer Verantwortung stehen Michael, Frank und Achim auch mal in der Kritik. Was sie, was wir gemeinsam tun, ist nicht die Erfüllung des Wünschenswerten, sondern das Erreichen des Machbaren.

Und ich kann mit großer Freude sagen: Ich bin sehr froh, dass in diesen drei so wichtigen Unternehmen drei so tolle Kerle auf unserer Seite vorne dran stehen und in dieser extrem angespannten Lage alles tun, um das Beste für die Kolleginnen und Kollegen zu erreichen.

Dafür schauen sie über den Tellerrand hinaus, sehen immer das große Ganze - ohne das Detail zu übersehen, denken die Dinge zu Ende, sind klare Interessenvertreter und haben dennoch einen echten unternehmerischen Blick auf die Zukunftsfähigkeit "ihrer" Unternehmen.

Jetzt könnte ich noch viele andere Kollegen aber auch viele Kolleginnen aufzählen. Frank, Michael und Achim stehen heute stellvertretend für sie alle. Ich danke Euch allen.

Zum Schluss möchte ich gerne noch zwei schöne Dinge schreiben.

Da ich immer mal wieder etwas Neues lernen will, habe ich das griechische Alphabet auswendig gelernt - fälschlicherweise das Altgriechische.

Es kann natürlich sinnvoll sein, Altgriechisch zu lernen. Dann kann man - wie unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann - die "Ilias" von Homer im Original lesen.

Alternativ empfehle ich Euch ein lustiges Stück mit ernstem Hintergrund: "Lysistrata" des griechischen Dichters Aristophanes, das 411 v. Chr. uraufgeführt wurde.

Ein Stück, in dem es der gleichnamigen Titelheldin gelingt, die Frauen der Kriegsparteien im Peloponnesischen Krieg mit folgender Idee für sich zu gewinnen: Solange die Kerle den bescheuerten Krieg fortführten, gäbe es keine körperliche Liebe mehr.

Das mit dem Kriegsende ging dann recht schnell. Welch wunderbare Geschichte und wie schön wäre es, wenn sich das nicht nur auf der Bühne, sondern auch in der Realität so begeben würde.

Das zweite Wichtige - weil gerade so richtig Sommer ist - ein Kochtipp von mir.

Ich bin ja nicht nur ein großer Griechenland-Freund, sondern auch Spanien-Liebhaber. Naja, eigentlich des gesamten Mittelmeerraums.

Ich mag die Menschen, die Kulturen, die Art zu leben und nicht zuletzt liebe ich das Essen. Und was kann es bei dieser Hitze Besseres geben als eine kalte Gazpacho, eine eiskalte spanische "Gemüsesuppe".

Der großartige Koch Juan Amador hat diese in zig Varianten interpretiert. Mein Favorit ist die mit Sauerkirschen. Und weil ich mir gerade eine neue Küchenmaschine gekauft habe (natürlich eine von Bosch), geht das ganz besonders fix.

Falls Du auch Lust auf eine besonders feine Gazpacho hast, das Rezept findest Du unten.

Heute wurde es etwas länger. Ich bin gerade im Zug unterwegs und hatte etwas Zeit und Muße diesen Sommerbrief zu schreiben.

Im nächsten geht es dann nur um Frauen, um großartige Kolleginnen. Mehr verrate ich heute nicht.

Und vielleicht erzähle ich Euch von meinem absoluten Lieblingsrezept des fantastischen Yotam Ottolenghi.

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

GAZPACHO MIT KIRSCHEN UND IBERISCHEM SPECK

ZUBEREITUNG

Paprika waschen, halbieren und entkernen. Salatgurke ebenfalls waschen,schälen, halbieren und die Kerne mit einem Löffel entfernen. Den Knoblauch ebenfalls schälen. Kirschen waschen und entkernen.

Alle Zutaten für die Gazpacho klein schneiden und im Mixer zusammen mit Essig und Öl fein pürieren. Etwa 2 bis 3 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen, durch ein feines Sieb passieren und eventuell mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Anschließend die Süßkirschen waschen, entkernen und halbieren.

Gazpacho in tiefe Teller füllen, die halbierten Kirschen und die Speckscheiben dazugeben. Mit Ysop garnieren und servieren.

Guten Appetit!

ZUTATEN

Gazpacho

1 rote Paprika
1/2 grüne Paprika
1 Salatgurke
1 kleine Knoblauchzehe
250 g Süßkirschen
250 g Sauerkirschen
100 g Weißbrot
50 ml Rotweinessig
100 ml mildes Olivenöl
Meersalz, frisch gemahlen
weißer Pfeffer, frisch gemahlen

Anrichten

100 g Süßkirschen
12 dünne Scheiben iberischer Speck, 1mm (Feinkosthandel)
20 kleine Blättchen Ysop (Asia-Markt)

06. August 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit diesem Sommerbrief starte ich eine kleine Serie mit sommerlichen Gedanken, die ich gerne mit Euch teilen möchte.

Bei dem Thema meines ersten Sommerbriefs, habe ich lange überlegt, ob ich mich überhaupt dazu äußern soll. Es gab viel Empörung über das uneinsichtige Verhalten vieler Menschen auf der Anti-Corona-Demo in Berlin.

Gibt es dazu noch etwas zu sagen? Ich meine ja!

Sicher passen nicht alle Teilnehmer dieser Demo in die Schublade Nazi, Reichsbürger oder sonstiger Faschisten. Manche gehören sicher zu den "Normalos".

Vielleicht waren sogar Mitglieder der IG Metall dabei.

Genau deshalb beziehe ich Stellung zu dieser Demo.

Denn: Wer gemeinsam mit Nazis auf einer Demo läuft, liegt aus meiner Sicht voll daneben. Auch wenn er oder sie glauben, dass es ja gar nicht um Nazithemen geht, sondern um die Bevormundung durch die Politik. Oder Bill Gates Geheimplan zur Massenimpfung der Menschheit. Oder sonst irgendeine der zahlreichen Corona-Verschwörungstheorien.

Noch vor ein paar Wochen hätte ich sachliche Kritik in manchen Punkten sogar geteilt. Aus meiner Sicht waren das rigorose wochenlange Absperren der Senioren- und Pflegeheime, die komplette Schließung von Schulen und Kindergärten, die Einschränkung des Versammlungsrechts mindestens grenzwertig.

Beispiel gefällig? Eine betagte Frau darf wochenlang ihren dementen Ehemann nicht sehen. Statt mit ausgewogenen Konzepten zu überlegen wie Besuche mit allen Sicherheitsvorkehrungen möglich sein können, wurde einfach das Pflegeheim komplett abgeriegelt.

Diesen Ansatz halte ich für falsch. Ja, fast für unmenschlich. Und für einen Gewerkschafter ist das Verbot von Versammlungen ohnehin ein maximal kritisches Thema.

Nach anfänglicher Rigorosität haben die Behörden nun an vielen Stellen gelernt wie es bessergeht.

Was vor Wochen noch durchaus berechtigte Kritik war, ist nun in Summe kleinster Einschränkungen vollkommen in Ordnung.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wird kein Hobby von mir, aber Maske, Abstand und Händewaschen sind angesichts hunderttausender Toter ein mehr als akzeptables Maßnahmenpaket.

Genau deshalb habe ich kein Verständnis für diese Demo. Sie ist inhaltlich falsch.

Denn: Es geht beim Thema Corona nicht um die eigene, persönliche Meinung. Es geht um Fakten. Es geht um Erkenntnisse, die Wissenschaft, Berater der Regierung und Mediziner aufgrund der wachsenden medizinischen Erkenntnis liefern.

Wer sagt, "Ich glaube nicht an Corona!" lebt in Absurdistan. Das Abstreiten dieser Pandemie, die Millionen Menschleben fordert, viele schwerst Erkrankte hinterlässt und die Wirtschaft in eine historische Schieflage befördert, ist Tatsache und wird nicht durch persönliche Fehleinschätzungen von Demonstranten relativiert.

Was sind denn das für Irre, die dann auch noch mit den Nazis auf die Straße gehen und unter dem Nazilabel von Leni Riefenstahl "Tag der Freiheit" aufmarschieren? Leute, das geht nicht!

Deshalb halte ich es für meine Pflicht klare Stellung zu beziehen: Wer eine kritische Meinung hat und diese äußern will, muss einen anderen Weg finden, diese zu äußern.

Für mich steht fest: Verschwörer, Volksaufhetzer und Nazis liegen immer falsch.

Falls sich aufgrund der Demo in Berlin und der Missachtung der Sicherheitsregeln das Virus wieder stärker verbreitet, müssen die Verantwortlichen aus meiner Sicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Ich habe keine Lust darauf, dass sich die Einschränkungen wieder verstärken, weil ein paar Durchgeknallte glauben, dass ihre Freiheit über derer Aller steht.

Eure Freiheit endet dort wo meine beginnt. Und diese Grenze habt Ihr mit dieser Demo überschritten.

In meinem nächsten Sommerbrief werde ich mich mit ein paar sehr wichtigen Vereinbarungen zur Sicherung von Betrieben und Beschäftigten befassen.

Außerdem mit Griechenland. Und, dann ist da noch die Sache mit dem Gazpacho.

Passt auf Euch auf!

Euer Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg