"Textil - ein starkes Stück Metall"

IG Metall - Textil und Bekleidung

13.10.2016 125 Jahre - Jubiläum der Textilgewerkschaft - "Metall und Textil, das passt zusammen wie Nadel und Faden", sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall

anlässlich der Branchentagung Textil in Göttingen. Dort trafen sich am 28. September rund 200 ehemalige und aktive Metallerinnen und Metaller aus den Textilen Branchen. Sie würdigten die Gründung des Deutschen Textilarbeiterverbandes vor 125 Jahren.

Ausbeutung, Arbeitstage mit teils mehr als 12 Stunden, Heimarbeiterelend, Lohndruck und brutale Behandlung - die 78 Textilarbeiter, die sich am 29. bis 31. März 1891 zu ihrem ersten Kongress in Pößneck trafen, berichteten von massiven Repressionen. Wie die Metallarbeiter auch, hatten die Textilarbeiterinnen und -arbeiter ein Ziel: "Den Kampf für eine bessere Arbeits- und Lebenswelt, den Kampf gegen die unzumutbaren Arbeitsbedingungen und den Kampf gegen die skandalös niedrigen Löhne in unserem Land aufzunehmen", erinnert Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, anlässlich der Jubiläumsveranstaltung in Göttingen an die Gründung der Textilgewerkschaft vor 125 Jahren.

Der Deutsche Textilarbeiterverband bekam nach seiner Gründung 1891 rasch Zulauf. Schon 1928 waren fast 311 000 Textilarbeiter eingetreten, darunter fast 58 Prozent Frauen. 1933 ereilte die GTB das gleiche Schicksal wie den anderen freien Gewerkschaften: Sie wurden von den Nazis zerschlagen. 1949 entstand dann im Westen die Gewerkschaft Textil-Bekleidungen. Sie schloss sich 1998, inzwischen wieder gesamtdeutsch, der IG Metall an.

Vielfältige Schikanen

Nach der Gründung der Gewerkschaft schikanierten die Arbeitgeber deren Mitglieder aufs Schlimmste. Es gab sogenannte "Schwarzen Listen" und wer einmal dort auftauchte, war gebrandmarkt als Gewerkschafter und fand im Ort keinen Arbeitsplatz mehr. Neben den geringen Löhnen bei oft elf bis 13 Arbeitsstunden forderten die Unternehmen hohe Strafgelder, wenn sie Fehler entdeckten. Oder sie bezahlten den Lohn nicht mit Geld, sondern in Form von Waren. Begleitet wurden diese Schikanen mit Lohnsenkungen und Arbeitsplatzabbau. Zudem wurden die Arbeiter häufig nur zeitweise beschäftigt, einen Lohnausfall oder andere finanzielle Absicherungen gab es nicht.

Oft unter Einsatz ihres Lebens, mit Verfolgung und Gefängnis konfrontiert, haben die Gewerkschafter sich dennoch nicht entmutigen lassen und sich unermüdlich für ihre Rechte engagiert. Eine ihrer Forderungen war der Zehn-Stunden-Tag. Dafür streikten 1903/04 die Arbeiterinnen und Arbeiter 22 Wochen lang. Obwohl das Ziel nicht erreicht wurde und der Streik letztendlich erfolglos blieb, gilt er als einer der spektakulärsten Arbeitskämpfe in der Gewerkschaftsgeschichte. Erstmals stand damals die gesamte deutsche Arbeiterbewegung solidarisch an der Seite der streikenden Textiler.

Globalisierung gab es in der Textil- und Bekleidungsindustrie lange bevor andere Branchen davon betroffen. Schon vor Jahrzehnten sind im Textil- und Bekleidungsbereich ganze Produktionsbereiche in andere Länder abgewandert. In der Folge sind hierzulande zwischen 1970 und 1995 in der Textilbranche viele Jobs gestrichen worden. Die Zahl der Beschäftigten sank von 1,3 Mio. auf 130 000. Das Welttextilabkommen, für das zehntausende Kolleginnen und Kollegen der GTB auf die Straße gingen, war ein großartiger Erfolg. Das Abkommen regelte seit 1974 den internationalen Handel mit Textilien zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. Es schränkte die Importe ein, um die Industrieländer vor der Flut von Billigtextilien zu schützen. Seit 2005 fällt die Textil- und Bekleidungsindustrie unter die normalen Regeln der Welthandelsorganisation.

1998 dann entschied sich die GTB der IG Metall beizutreten. Damit ist die IG Metall nicht nur größer geworden, sondern hat auch an Durchsetzungskraft zugelegt. Doch: "In den Schoß gelegt worden ist uns dabei nichts, wir mussten um jedes Prozent, jeden Tag Urlaub, jede Stunde Arbeitszeitverkürzung ringen. Ob der Gegner Gesamtmetall oder Gesamttextil heißt", sagt Jörg Hofmann.

Heute liegen die Zukunftsperspektiven der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie vor allem bei der Herstellung und Verarbeitung technischer Textilien. Autositze, Bodenbeläge, Dämmmaterialien - das sind die neuen Produkte der Textilindustrie. Oder der neue Airbus A 380, der bereits zu einem Viertel aus faserverstärktem Kunststoff besteht.

Seit 1891 hat sich vieles verändert und auch einiges verbessert. "Der Beitritt der Mitglieder der GTB zum 1. April 1998 in die IG Metall war für die gewerkschaftliche Weiterentwicklung ein wichtiger Schritt, auch mit Blick auf unsere gemeinsamen Zukunftsaufgaben", erklärt Hofmann. Gute Arbeit ist und bleibt die Voraussetzung für ein gutes Leben. "Das war vor 125 Jahren nicht anders als heute", betont der Gewerkschaftsvorsitzende.

Letzte Änderung: 13.10.2016