IG Metall Pressemitteilung 43/2015

IG Metall - Pressemitteilung

15.07.2015 Wandel der Industrie für Verbesserung der Arbeitsbedingungen nutzen - IG Metall Baden-Württemberg plädiert für mehr Anstrengungen im Gesundheitsschutz - BILDER

Reutlingen. Die IG Metall Baden-Württemberg spricht sich für größere Anstrengungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz aus. Steigender Leistungsdruck, Entgrenzung von Arbeitszeiten und eine zunehmende Automatisierung stellen die Beschäftigten und die Gewerkschaft in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen, erklärte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter im Südwesten, auf einer Konferenz vor 350 Teilnehmern in Reutlingen.

"Dem gewerkschaftlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz fällt dabei keine geringere Aufgabe zu, als die Welt im Sinne einer Humanisierung der Arbeit ständig ein bisschen besser zu machen."

Auch wenn sich die Vorzeichen industrieller Arbeit wandeln - zum Beispiel durch neue Technologien wie der Echtzeit-Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkten (Industrie 4.0) oder neuen Arbeitsformen wie mobilem Arbeiten und sogenanntem Crowdsourcing, bleibt es auch künftig Aufgabe des Gesundheitsschutzes, Gefährdungen und Belastungen für die Beschäftigten zu vermeiden, beziehungsweise Risiken auf ein Minimum einzugrenzen.

Roman Zitzelsberger

Deshalb werde die präventive Gefährdungsbeurteilung immer wichtiger, betonte Zitzelsberger. "Dabei sind auch die Arbeitgeber gefordert, belastende körperliche Tätigkeiten durch entsprechende Hilfsmittel zu erleichtern und ein Klima zu schaffen, das psychisch krankmachende Arbeitsbedingungen wie ständigen Termin- und Zeitdruck, ein Zuviel an zeitgleich zu betreuenden Aufgaben oder häufige Unterbrechungen erst gar nicht zulässt."

Mit neuen, flexiblen Produktionstrends und Arbeitsformen nimmt die Gefahr solcher Belastungen eher noch zu, im Zuge von Industrie 4.0 erwartet die IG Metall Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Logistik. Zitzelsberger: "Davon werden Arbeitsinhalte und -zeit ebenso tangiert wie Organisation, Qualifikation und Datenschutz. Die vernetzten Systeme dürfen niemals die Menschen steuern, sondern die Menschen müssen die Systeme zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen nutzen können."

Monika Lersmacher, für Arbeitsschutz zuständige Sekretärin in Baden-Württemberg, ergänzte: "An der IG Metall hängt es, die mitbestimmungs- und beschäftigungsrelevanten Themen in die Debatte um die künftige Arbeitswelt einzubringen und dort im Sinne eines guten Gesundheitsschutzes fest zu verankern."

Das gilt auch für den Trend zur Standardisierung von Arbeitsabläufen im Büro, dem sogenannten Lean Office. Damit soll nach der Produktions- auch die Kopfarbeit im Büro effizienter und günstiger werden, was nicht zuletzt Arbeitsplätze gefährdet. Die IG Metall Baden-Württemberg hat deshalb Ende 2013 ein Betriebsrätenetzwerk ins Leben gerufen, dessen Mitglieder sich regelmäßig austauschen. Lersmacher: "Der Trend zu Lean Office erfordert in jedem Fall definierte Mindeststandards der Arbeitsgestaltung und eine kontinuierliche Ermittlung von Belastungen und Gefährdungen."

Auch klassische physische Belastungen gibt es nach wie vor: Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind mit knapp 23 Prozent für den größten Anteil an krankheitsbedingten Ausfalltagen verantwortlich, 125 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage waren allein 2014 auf das Heben schwerer Lasten, ungünstige Körperhaltungen oder sich wiederholende Kleinmontagetätigkeiten zurückzuführen. Besonders oft leiden darunter An- und Ungelernte. Neben einer schonenderen Arbeitsorganisation fordert die IG Metall für sie spezielle Weiterbildungen - die Grundlage dafür liefert der jüngste Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie.

Seit nunmehr 26 Jahren treibt die IG Metall Baden-Württemberg das Thema Arbeitsschutz voran. Damals litten viele Beschäftigte an einer Flut gefährlicher Arbeitsstoffe, darunter die Flüssigkeiten Perchlorethylen und Trichlorethylen. Die IG Metall im Land griff das Problem auf und rief die erste "Tatort Betrieb"-Kampagne namens "Per und Tri - raus aus den Betrieben" ins Leben. Aktuell läuft der 10. "Tatort Betrieb" mit dem Titel "Höchste Zeit für Gesundheit", der sich mit Belastungen durch Arbeitszeiten auseinandersetzt.

Welche Anforderungen sich aus Schichtmodellen, dem Trend zu Lean Office oder psychischen Belastungen allgemein an Arbeitgeber, Gewerkschaften und Staat ergeben, haben Gesundheitsexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft am Mittwoch mit Betriebsräten, Vertrauensleuten und Schwerbehindertenvertretern der IG Metall in Reutlingen diskutiert.

Weitere Informationen: www.tatort-betrieb.de

Letzte Änderung: 10.03.2019