Ja zu Tarifeinheitsgesetz, aber ...

IG Metall - Detlef Wetzel

14.11.2014 Korrekturen - Gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit - Die IG Metall begrüßt grundsätzlich den Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Tarifeinheit

Bei einigen Passagen seien allerdings deutliche Korrekturen notwendig.IG Metall-Vorsitzender Detlef Wetzel warnt in diesem Zusammenhang jedoch vor einer grundlegenden Kritik an dem Gesetzentwurf, wie sie derzeit in Form von Unterschriftenaktionen geschieht.

"Akteure einzelner DGB-Gewerkschaften, die sich gegen den Gesetzesentwurf zur Regelung der Tarifeinheit stellen, müssen sich über eines klar sein: Mit der Ablehnung des Mehrheitsprinzips unterstützen sie - gewollt oder ungewollt -neoliberale Wunschträume über eine Spaltung der Arbeitnehmerseite", erklärte Detlef Wetzel.

Konkurrierende Gewerkschaften, die im Betrieb einen gegenseitigen Unterbietungswettbewerb abhalten, seien schon immer die neoliberale Wunschvorstellung schlechthin gewesen. "Damit wird ein alter Traum der Markradikalen wahr. Herr Westerwelle, Herr Henkel, Herr Rogowski und wie sie alle heißen können sich gemeinsam darüber freuen", so Wetzel weiter. Es ist auch kein Zufall, dass der Sachverständigenrat zur gesamtwirtschaftlichen Lage mit Ausnahme von Peter Bofinger in seinem gestern veröffentlichten Herbstgutachten die vorgesehene Regelung zur Tarifeinheit ebenfalls ablehnt.

Detlef Wetzel: "Das passt hervorragend zu den anderen gewerkschaftsfeindlichen Vorschlägen, die das Gremium bei völliger Ignorierung seines eigentlichen Auftrags gestern vorgelegt hat." Wer starke Arbeitnehmervertretungen wolle, müsse sich unbedingt hinter das Mehrheitsprinzip im Gesetzentwurf zur Tarifeinheit stellen.

Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit gilt: ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag. Dieser Grundsatz war in Deutschland bis Anfang 2010 durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) geltendes Recht. 2010 gab das BAG diesen Grundsatz auf, weil es ihn als unvereinbar mit dem Grundgesetz befand. Seitdem können in Unternehmen Tarifverträge mehr als einer Gewerkschaft nebeneinander gelten.

In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD deshalb die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit vereinbart. Grundlage sollte ein gemeinsamer Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) von 2011 sein. Von diesem Vorschlag ist die IG Metall bereits im Frühjahr 2014 abgerückt und hat ihre Bedenken gegen einen gesetzlichen Eingriff ins Streikrecht deutlich gemacht.

Die Einwände der IG Metall sind in den vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingegangen. Die Eckpunkte des Entwurfs bewertet die IG Metall folgendermaßen:

Mehrheitsprinzip

Mit der Regelung sollen "Tarifkollisionen" vermieden werden. Eine Tarifkollision besteht, wenn Arbeitgeber mit konkurrierenden Gewerkschaften unterschiedliche Tarifverträge für dieselbe Beschäftigtengruppe abschließen. Um das künftig zu verhindern, soll wie - von der IG Metall gefordert - nur der Tarifvertrag mit der Gewerkschaft, die die meisten Mitglieder im Betrieb hat, gelten ("Betriebsbezogenes Mehrheitsprinzip"). Entscheidend ist also die Mitgliedschaft im Betrieb. Die Beschäftigten selbst können durch ihre Entscheidung zur Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft bestimmen, welcher Tarifvertrag Anwendung findet.

Streikrecht

Ein gesetzlicher Eingriff ins Streikrecht erfolgt damit nicht. Jede Gewerkschaft kann auch im Zuge einer Tarifkampagne um Mitglieder werben. Das stellt den Grundsatz "ein Betrieb - eine Gewerkschaft - ein Tarifvertrag" wieder her. Wetzel: "Die IG Metall begreift Tarifautonomie als das solidarische Eintreten aller Beschäftigtengruppen füreinander. Klientelismus lehnen wir ab." Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen zum Arbeitskampf. Insbesondere ist keine Erstreckung der Friedenspflicht aus einem anderen Tarifvertrag auf Andersorganisierte vorgesehen, wie dies noch im BDA/DGB-Entwurf von 2010 vorgesehen war. Dies ist uneingeschränkt positiv zu bewerten.

Gleichwohl besteht deutlicher Nachbesserungsbedarf. Für die IG Metall sind insbesondere zwei Punkte entscheidend dafür, ob sie dem Gesetz letztlich zustimmen kann:

1. Paragraf 3 BetrVG
Vorgesehen ist, über einen Tarifvertrag nach Paragraf 3 BetrVG die Ebene zur Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse von einem Betrieb auf mehrere Betriebe zu erweitern und das auch nachträglich. Dies ermöglicht Manipulationen zulasten einer Gewerkschaft. Es muss verhindert werden, dass sich Arbeitgeber, ggf. im Konsens mit einer Gewerkschaft, die für sie günstigen Mehrheitsverhältnisse zurechtschneiden. Ein Missbrauch des Instruments der Paragraf 3 BetrVG-Tarifverträge muss ausgeschlossen sein.

2. Das vorgesehene Nachzeichnungsrecht einer Minderheitsgewerkschaft darf nicht dazu führen, dass deren Mitglieder auf diesem Wege uneingeschränkt von den möglicherweise viel umfangreicheren Leistungen des Mehrheitstarifvertrages profitieren, obwohl ihre Gewerkschaft nicht in der Lage gewesen wäre, diese Ansprüche durchzusetzen. Das Nachzeichnungsrecht muss so gestaltet werden, dass Möglichkeiten zur tariflichen Differenzierung und Besserstellung der Mitglieder der Mehrheitsgewerkschaft erhalten bleiben.

Dazu sagt der IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel: "Es wäre fatal, wenn das grundsätzlich richtige und notwendige Gesetz zur Tarifeinheit an zwei Details noch scheitert. Die Große Koalition ist deshalb gut daran beraten, die Vorschläge der IG Metall bei dem abschließenden Entwurf zu berücksichtigen."

Letzte Änderung: 13.11.2014