IG Metall Pressedienst 69/2012
Die IG Metall hält weitere Anstrengungen zur Stärkung des Fachkräftepersonals in Baden-Württemberg für notwendig. Das sagte Jörg Hofmann, IG Metall-Bezirksleiter in Baden-Württemberg, heute auf einer Fachkonferenz in Leinfelden-Echterdingen. Rund 130 Beschäftigte aus den Bereichen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung aus Betrieben der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie waren hierzu in die Filderhalle gekommen.

Prof. Dr. Heike Solga vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB) sieht das deutsche Berufsbildungssystem als Erfolg. Dennoch verwies sie auf einen seit zwei Jahrzehnten stabilen Anteil von 15 Prozent an jungen Erwachsenen, die ohne abgeschlossene Berufsausbildung seien. Zudem seien Absolventen von Haupt- bzw. Werkrealschulen benachteiligt, da die Betriebe eindeutig auf Schulabgänger mit mittlerem Bildungsabschluss orientierten. Zwar würden 35 Prozent mit Hauptschulabschluss in eine Ausbildung des Dualen Systems wechseln, dem stünden aber 46 Prozent mit mittlerer Reife und sogar 16 Prozent mit Fachhochschul- oder Hochschulreife gegenüber. Gleichzeitig landen fast 80 Prozent der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss und rund 60 Prozent derer mit Hauptschulabschluss in Übergangsystemen. Solga kritisierte, das "Berufsbildungssystem in Deutschland ist für leistungsschwache Jugendliche nicht mehr integrativ."
Sie fordert deshalb, längerfristig den mittleren Bildungsabschluss als Regelschulabschluss zu etablieren. Aber auch die Betriebe müssten umdenken und "ihre Rekrutierungsverfahren so umstrukturieren, dass sie nicht nur die Schwächen, sondern auch die Stärken dieser Jugendlichen wieder erkennen."

Ein wesentlicher Baustein dieser Entwicklung zu begegnen, sei die im Mai 2012 zwischen IG Metall und Südwestmetall geschlossene Sozialpartnervereinbarung sowie die getroffene Regelung zur Übernahme der Auszubildenden, so Jörg Hofmann. Damit würden die Tarifparteien die Ziele der Fachkräfteallianz und des Ausbildungsbündnisses im Land unterstützen. Im Rahmen der Sozialpartnervereinbarung sollen alle notwendigen Anstrengungen unternommen werden um junge, noch nicht ausbildungsreife Schulabsolventen für den Einstieg in ein reguläres Ausbildungsverhältnis in der Metall- und Elektroindustrie vorzubereiten. "Ein gelungener Start in das Berufsleben ist der beste Schutz vor späterem Jobverlust", so Hofmann.
Befristete Jobs, Leiharbeit, Praktikas und Werkverträge seien dagegen Gift für die berufliche Entwicklung junger Menschen. "Wir haben ein großes Interesse jungen Menschen mit einer guten Ausbildung einen möglichst
glatten Start ohne Hürden und Hindernisse ins Berufsleben zu geben. Aufgrund des beklagten Fachkräftemangels sollte die Industrie daran ebenfalls Interesse haben."
Hofmann verwies darauf, dass auch 2011 über 4000 Schulabgänger ohne Ausbildung auf den Arbeitsmarkt kamen und Baden-Württemberg weiter mit einem Anteil von 19 Prozent der jungen Erwachsenen ohne Berufsausbildung einen
überproportional hohen Wert aufweise.
Zwingend notwendig sei die Beseitigung des strukturellen Defizits in Lehrerversorgung und Sachausstattung der Berufsschulen. "Hier brauchen wir dringend mehr Mittel um das Erfolgsrezept duale Berufsausbildung zukunftssicher zu machen. Berufsschulen sind weiter die Stiefkinder der Schulpolitik. Dies ist nicht akzeptabel." Hofmann forderte zudem, die Schulstrukturen hin zu einer eingliedrigen Schule bis zur Realschule weiterzuentwickeln. "Statt junge Menschen auf ein intransparentes Übergangssystem zu verweisen, ist eine integrative Schule notwendig."
Letzte Änderung: 29.10.2012