Entschließung der Tarifkommission
Entschließung der Grossen Tarifkommission der Metall- und Elektroindustrie für Baden-Württemberg am 5. März 2001
Die Große Tarifkommission der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg stellt nach intensiver Diskussion in den Betrieben die Forderung nach einem Tarifvertrag "Qualifizierung und Beteiligung". Die Notwendigkeit für eine solche Tarifforderung ergibt sich aus einer Bestandsaufnahme der Entwicklungen in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie. Auch die laufende Kampagne "gute arbeit" zeigt, dass Beteiligung und Qualifizierung von der Mehrzahl der Beschäftigten als unzureichend angesehen wird. Zwischen öffentlichen Äußerungen der Arbeitgeber und ihrer Verbände und der Realität in den Betrieben ist ein großer Unterschied.
Die Arbeitgeber behaupten, sie bräuchten keine Nachhilfe in Sachen betrieblicher Weiterbildung, da sie schon genügend in Weiterbildung investieren würden. Gleichzeitig wehren sie sich gegen einen tariflichen Anspruch. Tatsache ist: In vielen Betrieben drücken sich Arbeitgeber vor ihrer Verantwortung, die Qualifikation ihrer Beschäftigten auf dem Stand von Technik und Organisation zu halten. Und kommt es zu Weiterbildungsmaßnahmen, sind diese im hohen Maße selektiv.
Die Arbeitgeber sprechen viel über Mitarbeiterbeteiligung - doch nur, wenn es um die Interessen der Unternehmen nach noch größeren Rationalisierungseffekten geht. Wir meinen: Wirkliche Beteiligung muss auch die Beteiligung der Beschäftigten und Betriebsräte bei einer humanen Gestaltung ihrer Leistungsbedingungen umfassen.
Deshalb fordern wir für die Tarifgebiete der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg den Abschluss eines Tarifvertrages "Qualifizierung und Beteiligung" mit folgenden Inhalten:
- Durchsetzung eines Reklamationsrechtes bei Leistungsüberlastung für Beschäftigte im Zeitlohn und Angestellte. Dies erfordert tarifliche Kriterien zur Feststellung von Leistungsüberlastung und die Möglichkeit einer Leistungsvereinbarung.
- Besserer Schutz von einsatzeingeschränkten Beschäftigten durch eine weitergehende Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Berücksichtigung vorhandener Einsatzeinschränkungen bei der Neuplanung von Arbeitssystemen.
- Ergänzung des heutigen § 3 LGRTV I um den Anspruch auf eine Qualifizierungsvereinbarung zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfes und der daraus resultierenden Qualifizierungsmaßnahmen.
- Zusätzliche allgemein berufsfachliche Qualifizierungsansprüche bis zu 3 Monaten für Beschäftigte jeweils ab dem 40. und 50. Lebensalter zur Auffrischung ihres beruflichen Grundwissens.
- Einen Anspruch auf die Qualifizierung für einen höherwertigen Arbeitsplatz nach 7 Jahren Tätigkeit in restriktiven Arbeitsbedingungen (Taktzeit unter 5 Minuten / weniger als 20% taktentkoppelte Tätigkeiten im System). Wird dieser Anspruch auf einen höherwertigen Arbeitsplatz nicht erfüllt, entsteht ein Anspruch auf eine 3%-ige Zulage.
- Für Beschäftigte, die an Arbeitsplätzen beschäftigt sind, die keine Berufsausbildung erfordern, sind spezielle Qualifizierungsprogramme zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung zu vereinbaren.
- Anspruch auf Freistellung oder befristete Teilzeit für persönliche Weiterbildungsinteressen unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist.
Die bessere Absicherung von Leistungsentgelten im Zeitlohn erfordert eine Anpassung der tariflichen Vorschriften im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden
Wir fordern deshalb für das Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden im § 10.3.2. LRTV II eine betriebliche Mindestabsicherung. Der Text lautet:
"Die Leistungszulage beträgt im Durchschnitt der Lohngruppen 1 bis 7 und 8 bis 12 bzw. der Arbeitswertgruppen I bis VI und VII bis XII mindestens 16%."
Damit würde auch eine weitere Harmonisierung der Tarifbestimmungen zwischen den
Tarifgebieten Baden-Württembergs erreicht.
Die Große Tarifkommission fordert die Arbeitgeber zu konstruktiven Verhandlungen zu diesen Forderungen auf.
Die Große Tarifkommission fordert die Betriebsräte und Vertrauensleute auf, mit der
Kampagne "gute arbeit" fortzufahren. Die Information und Einbeziehung der Beschäftigten im Rahmen dieser Kampagne ist eine wichtige Voraussetzung, um mit guten Argumenten, aber auch der notwendigen Unterstützung durch die
Belegschaften, unsere Forderungen durchzusetzen.
Letzte Änderung: 25.04.2008