Presseerklärung der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Automobilindustrie

15.08.2002 Stoiber und Späths wirtschaftspolitische Vorschläge - veraltetet und nicht zukunftsfähig Stoibers Vorschläge für den Arbeitsmarkt treffen auf harte Ablehnung bei Betriebsräten der Automobilindustrie.

Die Erklärung im Wortlaut:
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Gemeinsame Presseerklärung der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden
der Adam Opel AG, der AUDI AG, der VW AG, der Porsche AG,
der DaimlerChrysler AG, der FORD - Werke AG

Stoiber und Späth´s wirtschaftspolitische Vorschläge - veraltetet und nicht zukunftsfähig
Stoibers Vorschläge für den Arbeitsmarkt treffen auf harte Ablehnung bei Betriebsräten der Automobilindustrie

Wir Betriebsräte der deutschen Automobilindustrie, die seit vielen Jahren sozial- und wirtschaftspolitische Verantwortung für die Unternehmen und Beschäftigten in einer unter harten internationalem Wettbewerbsdruck stehenden Branche übernehmen, wenden uns entschieden gegen die von Feindbildern geprägten Forderungen des Unionskanzlerkandidaten Stoiber und seines "Wirtschaftsexperten" Späth, die Mitbestimmung und den Kündigungsschutz zu beschneiden. Stoiber und Späth haben in ihren arbeitsmarktpolitischen Stellungnahmen deutlich gemacht, wie sehr ihr Weltbild und ihr veraltetes wirtschaftspolitisches Denken ihrer Regierungsfähigkeit im Wege steht.

Wer den Kündigungsschutz, insbesondere für ältere Arbeitnehmer, als Ursache der Arbeitslosigkeit in Deutschland begreift und betriebsratsfreie Unternehmen in den neuen Ländern fordert, beweist, dass er wirtschafts- und sozialpolitisch vieles noch zu lernen hat.

Der Unionskanzlerkandidat und sein "Wirtschaftsmann" Späth lehnen jenseits der realen Erfahrungen mit dem international erfolgreichen und konkurrenzfähigen Erfolgsmodell der Mitbestimmung in Deutschland eine Kooperation von Management und Beschäftigten ab. Nur so ist ihre Forderung zu erklären, das Betriebsverfassungsgesetz wieder zu Lasten der Beschäftigten zu ändern und bei Existenzgründungen in den neuen Bundesländern den Beschäftigten die Wahl von Betriebsräten für vier Jahre zu verbieten.

Eine zukunftsweisende Zusammenarbeit der Sozialpartner zeigt auf internationaler Ebene deutlich in die entgegengesetzte Richtung. So verabschiedete beispielsweise VW als weltweit tätiger Konzern in diesem Jahr eine Sozialcharta, die für die Standorte, insbesondere in den Ländern außerhalb Europas und Nordamerikas, Mindeststandards an sozialen Rechten garantiert - u.a. das Recht auf gewerkschaftliche und betriebliche Interessenvertretung. Andere global agierende Unternehmen stehen kurz vor dem Abschluss ähnlicher Vereinbarungen.
Wer wie Stoiber und Späth seine hinter diese Entwicklung zurückfallenden Maßnahmen als "Entbürokratisierungskonzept Ost" den Wählerinnen und Wählern verkaufen will, während sie doch in Wirklichkeit auf die Schaffung von recht- und schutzlosen Verhältnissen in Unternehmen in den neuen Bundesländern zielen, fördert keinen wirtschaftlichen Aufschwung Ost, sondern pflegt sein eigenes Feindbild gegenüber den Gewerkschaften.

Stoiber und Späth wollen vor den Wählerinnen und Wählern ihre wirklichen Absichten verbergen, wenn sie einerseits angeblich betriebliche Bündnisse für Arbeit zu Lasten des Erhalts der Flächentarifverträge fordern, andererseits aber der betrieblichen Mitbestimmung die Handlungsgrundlagen entziehen wollen.
Hinter diesen Vorschlägen stecken autoritäre wirtschaftspolitische Vorstellungen der Konfrontation und des Konflikts in denen kein Platz ist für moderne Kooperationsbeziehungen zum Wohle der Beschäftigten und der Unternehmen. Die wirtschaftspolitisch einfache aber umso wichtigere Erkenntnis, dass in der "Wissensgesellschaft" kein lernendes Unternehmen ohne die Kooperation seiner Beschäftigten wirtschaftlich erfolgreich sein kann, hat die beiden Unions-Vertreter noch nicht erreicht. Diese Erkenntnis passt offensichtlich nicht in ihr konservativ geprägtes Weltbild.

Hätten wir im Rahmen der Mitbestimmung in unseren Unternehmen so gehandelt oder würden zukünftig so handeln, gäbe es weder in Zwickau, Eisenach, Dresden oder Leipzig moderne, hochproduktive Automobilstandorte.

Klaus Franz
Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Adam Opel AG, Rüsselsheim
Klaus Volkert
Gesamtbetriebsratsvorsitzender der VW AG, Wolfsburg
Xaver Meier
Gesamtbetriebsratsvorsitzender der AUDI AG, Ingolstadt
Uwe Hück
Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Porsche AG, Stuttgart
Erich Klemm
Gesamtbetriebsratsvorsitzender der DaimlerChrysler AG, Stuttgart
Dieter Hinkelmann
Gesamtbetriebsratsvorsitzender der FORD-Werke AG, Köln

Letzte Änderung: 31.10.2007