• Roman Zitzelsberger: "An vielen Stellen läuft es noch gut, aber das Ende dieser Situation ist mit dem Verbrenner-Aus absehbar. Wir müssen jetzt die Trendwende schaffen, die Chancen sind da."
• 115 Betriebsratsvorsitzende beteiligen sich an Befragung
• Jeder zweite Zulieferer-Betrieb plant Verlagerung ins Ausland

Esslingen. Unter dem Titel "Go East?" veranstaltet die IG Metall Baden-Württemberg am heutigen Montag mit 250 Betriebsräten und Gästen eine Automobilzulieferer-Konferenz, um die für Baden-Württemberg so bedeutende Industrie gut für die Zukunft aufzustellen und deren Transformation erfolgreich zu bewältigen. IG Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger: "Wir sehen vielfach die Entwicklung, dass die Transformation entweder gar nicht oder im Ausland passiert und neue Produkte sowie ganze Entwicklungsbereiche dort angesiedelt werden und die deutschen Standorte auszulaufen drohen. Diese Signale aus den Betrieben geben uns Anlass zur Sorge, deswegen müssen wir jetzt aktiv werden."

Um dieser Entwicklung Konzepte entgegenzustellen, Handlungsempfehlungen und Lösungen zu eruieren und so den Industriestandort Baden-Württemberg und den damit verbundenen Wohlstand zu erhalten, diskutieren heute Betriebsräte mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Politik darüber, wie eine gute Zukunft der Automobilzulieferer aussehen kann.

Eine Befragung unter 115 Betriebsratsvorsitzenden liefert einen fundierten Einblick in die aktuelle Lage der Zuliefererindustrie im Südwesten. Laut dieser Umfrage schätzen drei Viertel der Befragten die aktuelle wirtschaftliche Situation für 2023 als stabil ein. Etwa 50 Prozent geben allerdings an, dass Investitionen und Gewinne deutlich zurückgehen. Die Abhängigkeit vom Verbrenner ist nach wie vor groß. Bei rund zwei Drittel der befragten Zulieferer ist der Umsatz vom Verbrenner abhängig, lediglich 31 Prozent sind Verbrenner-unabhängige Betriebe. Die Mehrzahl der Betriebe hat die Lage jedoch erkannt und befindet sich in einem Transformationsprozess. So geben 61 Prozent an, dass die Transformation des eigenen Betriebes vom Arbeitgeber aktiv vorangetrieben wird.
Die Frage nach der Beschäftigungsentwicklung beantworten viele Betriebsräte als rückläufig. So wird bis Ende des Jahrzehnts ein erheblicher Rückgang der Beschäftigung erwartet, da die Bestandsprodukte nicht ausreichen, um das Beschäftigungsvolumen zu sichern. Auch meldet die Mehrheit der Befragten zurück, dass es konkrete Absichten gibt, die Produktion ins Ausland zu verlagern, bei der Forschung und Entwicklung sind es sogar 75 Prozent.

Der Politik wird von den Betriebsräten ein eher schlechtes Zeugnis ausgestellt. So schätzen nur 13 Prozent die gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung der Automobilzulieferer in Baden-Württemberg als förderlich ein, 60 Prozent als nicht förderlich. Um die Transformation erfolgreich gestalten zu können, ist die Mitbestimmung im Betrieb von großer Bedeutung. 93 Prozent der Befragten sehen die IG Metall als wichtige Akteurin im Transformationsprozess und 91 Prozent finden, dass für einen gelungenen Wandel der Druck von Betriebsrat und IG Metall nötig sind. Die Realität sieht allerdings häufig anders aus. Und zwar geben fast 50 Prozent an, dass der Betriebsrat bei strategischen Entscheidungen nicht frühzeitig eingebunden ist.

Roman Zitzelsberger zeigt sich dennoch optimistisch: "Wir stellen fest, dass es an vielen Stellen noch gut läuft, aber das Ende dieser Situation ist mit dem Verbrenner-Aus absehbar. Wir müssen jetzt die Trendwende schaffen, die Chancen sind da." In der Vergangenheit sei Transformation in anderen Branchen schon mehr als einmal nicht gelungen. Deswegen wolle die Gewerkschaft den Wandel aktiv mitgestalten. Von den Unternehmen fordert Zitzelsberger ein klares Bekenntnis zum Standort Baden-Württemberg und ein aktives Gestalten der Transformation vor Ort auf Augenhöhe mit den Beschäftigten und Betriebsräten.

Die Politik nimmt der Gewerkschafter ebenso in die Pflicht. "Wenn wir ein starkes Industrieland bleiben wollen, muss Industriepolitik den Rahmen schaffen. Dazu muss in die Zukunft, auch die der Beschäftigten, investiert werden. Deswegen fordern wir starke Förder- sowie Investitionsprogramme vor Ort. Die Politik muss stärker als bisher dem Fachkräftemangel entgegenwirken, denn nur mit den besten Köpfen, können wir auch die besten Ideen und Produkte entwickeln!"

Am Nachmittag wurde die ESSLINGER ERKLÄRUNG (im Anhang) verabschiedet:
Für eine Zukunftsperspektive der Automobilzulieferer in Baden-Württemberg

Bilder: Fotograf Frank Rumpenhorst