Deutscher Betriebsrätepreis 2021

Deutscher Betriebsrätepreis 2021

22.06.2021 Zwei Betriebsratsgremien aus dem Bereich der IG Metall Baden-Württemberg sind nominiert - Audi Neckarsulm und WMF Group Göppingen - Herzlichen Glückwunsch!

Die für den Deutschen Betriebsräte-Preis 2021 nominierten Projekte aus dem Bereich der IG Metall weisen eine breite Spannweite auf. Gemeinsam ist ihnen solidarisches Agieren, innovatives Handeln, ein genauer Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Beschäftigten - und die Kraft, gemeinsam gute Regelungen durchzusetzen, zusammen im Betrieb etwas zu bewegen. Zwei Projekte kommen von Betriebsratsgremien aus Baden-Württemberg.

Audi, Neckarsulm

Die Frage, die sich der Audi-Betriebsrat am Standort Neckarsulm stellte, war sehr einfach. Und sehr wichtig: Wie gelingt es uns in Zeiten der Pandemie, in denen Betriebsversammlungen als Präsenzveranstaltungen nicht möglich sind, die Kolleginnen und Kollegen dennoch zu erreichen und über aktuelle Entwicklungen im Unternehmen zu informieren? Wie schaffen wir es, weiterhin guten Kontakt zur Belegschaft zu halten - und zwar auch und gerade mit den Beschäftigten in der Produktion, die Printprodukte und Videos nur in ihrer Freizeit rezipieren können?
Ziel des Betriebsrats war also ein Corona-sicheres Format zu finden, das während der Arbeitszeit stattfindet und die wesentlichen Attribute einer Betriebsversammlung abbildet: Aktuelle Informationen, Gemeinschaft, Beteiligung, WIR-Gefühl, Austausch.

Erreicht wurde das Ziel mit der Entwicklung eines Betriebsrats-Funk, einem detailliert ausgearbeiteten Beschallungskonzept, über das im gesamten Werk letztlich mehr als 6000 Kolleginnen und Kollegen in taktgebundenen und produktionsnahen Bereichen über Lautsprecher informiert werden können. In einem Live-Talk richten sich dazu der Betriebsrat und das Unternehmen mit aktuellen Themen an die Belegschaft. Die Aufzeichnung der Veranstaltung wird dann auch Beschäftigten außerhalb der Produktion als Mittschnitt zur Verfügung gestellt. Der Vorteil des Konzepts: Die Beschäftigten verbleiben an ihren Arbeitsplätzen in der Produktion, die bereits Corona-gerecht gestaltet sind. Für weitläufigere Bereiche, wie Karosseriebau oder Lackiererei, können mit relativ wenig Aufwand Corona-gerechte Beschallungsinseln eingerichtet werden. Sie bieten Platz für maximal 50 Personen, geregelten Zutritt und ausreichend Abstand. Für gehörlose Beschäftigte werden Sitzmöglichkeiten am Austragungsort bereitgestellt, wo eine Gebärdendolmetscherin live übersetzt.

"Wir haben unser Konzept lange mit Gesundheitsschutz, Werksicherheit, Arbeitssicherheit, Schwerbehindertenvertretung und im Betriebsrat diskutiert", sagt der Betriebsratsvorsitzende Rolf Klotz. "Da gab es einiges zu klären."

Neben technisch-organisatorischen Fragen mussten eine Menge inhaltliche Fragen besprochen werden. Der Betriebsrat verständigte sich auf ein Talk-Format der Betriebsratsvorsitzenden mit Moderation. Im Vorfeld wurden Fragen der Beschäftigten gesammelt. Sie wurden geclustert, priorisiert und im finalen Talk thematisiert. "Schließlich haben wir unser Format mittels Unterstützung eines externen Dienstleisters und der Fachbereichsverantwortlichen vor Ort in einem repräsentativen Piloten getestet."

Die Rückmeldung war durchweg positiv - und so wurde das Projekt "BR_Funk" im nächsten Schritt auf alle 15 Produktionshallen im Hauptwerk ausgedehnt. Schließlich erreichte der Betriebsrat am Standort Neckarsulm über 6000 Kolleginnen und Kollegen in produzierenden Bereichen des Werkes. Gesendet wurde aus einem dafür geräumten Hallenbereich. "Der BR_Funk wurde aufgezeichnet und einen Tag nach der Veranstaltung als Mitschnitt im Intranet und Extranet für alle Beschäftigten zur Verfügung gestellt", sagt Klotz. "Wir würden uns freuen, wenn unser Konzept anderen Betrieben als Beispiel dienen könnte und zu einer verbesserten Belegschaftsinformation während der Corona-Pandemie führt."

WMF Group, Geislingen

"Mondays for Jobs", ein griffiger Slogan, der das ganze Programm des Betriebsrates des Kochgeschirr- und Gastro-Kaffeemaschinenbauers WMF in Geislingen bereits umreißt: Von Juli 2019 an für einen Zeitraum von acht Monaten, immer um Punkt fünf vor zwölf, trafen sich Betriebsrat und Beschäftigte zu einem Protestmarsch um das gesamte Werksgelände, bei jeder Witterung, ganz egal, ob es stürmte, regnete oder die Sonne vom Himmel brannte. Mit ihren montäglichen Märschen protestierten Betriebsrat und Beschäftigte gegen die Abbaupläne des Managements - und waren am Ende erfolgreich. Bis dahin allerdings war es ein langer, oft auch steiniger Weg.

Er begann im Juli 2019. Da wurde der Betriebsrat von der Geschäftsleitung unterrichtet, dass unter der Bezeichnung "Agenda 21" in der WMF Group bis Ende 2021 rund 400 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, auch bei Tochterunternehmen, hauptsächlich aber am Stammsitz in Geislingen. Beschlossen war auch die Schließung der Kochgeschirrproduktion in Geislingen und Verlagerung der Fertigung nach Italien und Frankreich. All das wollte der Betriebsrat nicht stillschweigend hinnehmen.

"Wir haben verschiedenen Vorschläge diskutiert, die Idee eines montäglichen Protestmarsches fanden alle gut", sagt Betriebsratsvorsitzender Frank Schnötzinger. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Aktionen federführend in die Hand nahm, es wurde Werbung gemacht. Woche für Woche schlossen sich mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen, Geislinger Bürger und sogar Politiker an.

"Das war toll zu sehen." Während der montäglichen Märsche führt der Betriebsrat viele Gespräche - unter anderem mit dem Oberbürgermeister und mit Gemeinderäten. Daraus folgte eine Resolution der Stadt an die Eigentümerin der WMF, Group SEB in Frankreich.

Am Ende hat der große, solidarische Einsatz sich gelohnt. Rund 400 Beschäftigte konnten aufgrund sehr attraktiver Freiwilligenprogramme und dem Wechsel in eine Transfergesellschaft mit Abfindungen das Unternehmen verlassen. Betriebsbedingte Kündigungen konnten komplett verhindert werden. "Die Kochgeschirrfertigung aber wurde trotz all unserer Bemühungen Ende 2020 geschlossen und verlagert", sagt Frank Schnötzinger. "Wir haben allerdings eine Beschäftigungssicherung bis 2026 ausgehandelt und eine unbegrenzte Standortgarantie für das Kaffeekompetenzzentrum in Geislingen erhalten."

Die Preisverleihung findet am 11. November statt.

Infos zu den insgesamt vier Nominierten aus dem Bereich der IG Metall: Link
Infos zu allen Nominierten: Link 2

Letzte Änderung: 22.06.2021