IG Metall Pressemitteilung 44/2015

IG Metall - Pressemitteilung

17.08.2015 IG Metall Baden-Württemberg zieht positive Zwischenbilanz zur Rente ab 63 - Zitzelsberger: "Kritik der Arbeitgeber lenkt von eigenen Versäumnissen ab"

Stuttgart. Bereits im ersten Jahr nach Einführung der Rente ab 63 nach 45 Versichertenjahren hat sich das Instrument nach Einschätzung der IG Metall Baden-Württemberg gelohnt.
Bis Ende Mai 2015 gingen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund rund 320.000 Anträge auf die frühzeitige, abschlagsfreie Rente ein. Die Rentenversicherung in Baden-Württemberg zählte bis Ende Juli knapp 20 200 Gesuche von Beschäftigten aus dem Südwesten, schätzungsweise noch mal so viele Anträge aus dem Land wurden über Bundes-Versicherungsträger gestellt. Die Rente 63/45 war zum 1. Juli 2014 als ein Teil des Rentenpakets von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles eingeführt worden.

Roman Zitzelsberger

"Die Menschen, die jetzt abschlagsfrei mit 63 in Rente gehen, haben 45 Jahre und länger durch ihre Arbeitskraft zum Wohlstand unseres Landes beigetragen. Die Chance auf mehr Lebenszeit und -qualität haben sie sich redlich verdient", sagte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg.

Auf die anhaltende Kritik aus dem Arbeitgeberlager, die ein Jahr nach Inkrafttreten der Regelung einen neuen Höhepunkt erfährt, reagiert der IG Metall-Landeschef mit wachsendem Unmut: "Erst wird den Leuten der vorzeitige Ausstieg nicht gegönnt und ihre Lebensleistung verhöhnt. Jetzt ist das Geschrei groß, weil die Beschäftigten von dem Gesetz und ihrem guten Recht Gebrauch machen. Teile der Arbeitgeberseite und der Politik verkennen nach wie vor, dass die Bevölkerung hinter der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren steht."

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall berichtete zuletzt von zahlreichen Klagen aus den Betrieben, wonach der frühzeitige Abgang von Fachkräften Know-how-Verluste befürchten lasse. Zitzelsberger hält das Argument für "vorgeschoben, damit lenken die Arbeitgeber von eigenen Versäumnissen ab". Kein Fachkräfte-System breche zusammen, weil ein paar Zehntausend Menschen ein bis zwei Jahre früher in Rente gehen - zumal es sich dabei um ein Übergangsmodell handelt, das schrittweise wieder einen späteren Renteneintritt vorsieht.

Vielmehr komme es darauf an, dass die Unternehmen frühzeitig den Generationenwechsel vorbereiten und gemeinsam mit Betriebsräten und Gewerkschaften Lösungen erarbeiten, wie Wissen im Betrieb gehalten werden kann. Zitzelsberger: "Das erfordert massive Anstrengungen in der Fort- und Weiterbildung. Offenbar haben viele Unternehmer das immer noch nicht verstanden." Die Voraussetzungen, um beispielsweise aus An- und Ungelernten Fachkräfte zu machen, seien mit dem 2015 neu abgeschlossenen Tarifvertrag zur Qualifizierung gegeben, "jetzt müssen die Betriebe nur noch daran arbeiten, dass der Tarifvertrag gelebt wird."

Den Gewerkschafter ärgert die Kritik auch deswegen, weil niemand die Unternehmen daran hindere, Beschäftigte mit attraktiven Konditionen zum Bleiben zu bewegen. Ältere Langzeitarbeitslose können darüber hinaus mit Zuschüssen vom Staat zusätzlich eingestellt werden. Tatsächlich sehe die Realität aber so aus, dass es in vielen Betrieben kaum noch Beschäftigte mit 60 Jahren aufwärts gäbe. In Zeiten, als Fachkräftemangel noch nicht als akute Bedrohung wahrgenommen wurde, haben viele Unternehmen über 57-Jährigen lukrative Aufhebungsverträge geboten, weil sie entweder als zu teuer oder zu wenig leistungsfähig galten. Dies räche sich nun.

IG Metall - Rente 67

Der IG Metall geht die aktuelle Rentenpolitik nicht weit genug, sie tritt für die Rücknahme des gesetzlichen Rentenalters mit 67 ein. In der Rente ab 63/45 sieht sie einen richtigen Ansatz, um bei einem sinkenden Rentenniveau Altersarmut vorzubeugen, allerdings dürfe diese kein Übergangsmodell bleiben, so der IG Metall-Landeschef. Er verweist auf die Dax-30-Betriebe: Immerhin 18 von 30 sehen für ihre Vorstände Regelungen zur Altersrente oder Altersleistung zwischen dem 60. und dem 63. Lebensjahr vor. "Es ist schon paradox, wenn ausgerechnet diejenigen, die eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit fordern, früher aussteigen."

Letzte Änderung: 17.08.2015