IG Metall Pressedienst 19/2014

Vorschaubild

13.05.2014 Kampf um die 35-Stunden-Woche jährt sich zum 30. Mal - IG Metall fordert neue Debatte zur Arbeitszeit

Stuttgart - Für die IG Metall im Südwesten ist der morgige 14. Mai ein besonderer Tag: Vor 30 Jahren, am 14. Mai 1984, legten im damaligen Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden rund 13 000 Metallerinnen und Metaller die Arbeit nieder. Dies markierte den Beginn eines fast siebenwöchigen Arbeitskampfes, in dessen Verlauf über 100 000 Beschäftigte von Aussperrung betroffen waren und der erst durch einen Schlichterspruch beendet werden konnte.

Ernst Eisenmann

Ernst Eisenmann, der damalige Verhandlungsführer der IG Metall, empfindet die Auseinandersetzung bis heute als "die härteste in der Geschichte der IG Metall". Arbeitgeber sämtlicher Branchen seien der Forderung unnachgiebig gegenübergestanden, seine Verhandlungspartner in der Metallindustrie hätten im Zuge des Streits versucht, "die IG Metall in ihre Schranken zu weisen".

Gelungen ist dies nicht: In einer Urabstimmung Anfang Mai in Nordwürttemberg/Nordbaden und Hessen stimmten mehr als 80 Prozent der Mitglieder für einen Streik, vom Beginn am 14. Mai 1984 wurden die Arbeitgeber Eisenmann zufolge "völlig überrascht. Nach acht Tagen lagen alle Autohersteller auf der Nase." Am 2. Juli war der Streik nach dem Schlichterspruch von Georg Leber, dem sogenannten Leber-Kompromiss, durch eine zweite Urabstimmung mit 54,52 Prozent Zustimmung zu Ende. 1985 wurde die Arbeitszeit zunächst auf 38,5 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich verkürzt, die 35-Stunden-Woche trat endgültig 1995 in Kraft.

Roman Zitzelsberger

"Die 35-Stunden-Woche hat in der Metall- und Elektroindustrie Hunderttausende Arbeitsplätze gesichert und trotz mehrerer Krisen in den 90er-Jahren zu einem Beschäftigungsaufbau beigetragen", sagte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, anlässlich des Jubiläums. Sein Vorgänger Eisenmann sieht in dem Kampf um die Arbeitszeitverkürzung deshalb auch einen Akt der Solidarität: "Diejenigen, die beschäftigt waren, haben Solidarität mit denjenigen geübt, die keine Arbeit hatten."

Aus heutiger Sicht war der Leber-Kompromiss zugleich der Einstieg in die Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit. Im Zuge der Arbeitszeitverkürzung richteten zahlreiche Unternehmen in Absprache mit dem Betriebsrat Freischicht- oder Gleitzeitkonten für ihre Beschäftigten ein. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 bis 2010 haben insbesondere Langzeitarbeitskonten dazu beigetragen, den massiven Auftragseinbruch in der Metall- und Elektroindustrie abzufedern und das Gros der Belegschaften zu halten.

Für die IG Metall bleibt das Thema Arbeitszeit aktuell: In ihrer Beschäftigtenbefragung Anfang 2013 wünschte sich rund die Hälfte der mehr als 500.000 Teilnehmer, vorübergehend die Arbeitszeit absenken zu können, um mehr Zeit für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu haben. 82 Prozent der Beschäftigten würden ihre tägliche Arbeitszeit gern kurzfristig an private Bedürfnisse anpassen können.

"Solche Wünsche nehmen wir sehr ernst und werden gemeinsam mit unseren Betriebsräten nach Möglichkeiten suchen, um noch individueller auf die Bedürfnisse unserer Beschäftigten eingehen zu können", sagte Zitzelsberger. Der Wunsch nach mehr Zeitsouveränität und daraus folgende neue Arbeitszeitmodelle seien eines der großen Themen der nächsten Jahre. Denkbar sind aus Sicht der IG Metall etwa reduzierte Vollzeiten mit 30 Wochenstunden für frischgebackene Eltern; aber auch Freistellungsphasen für Beschäftigte, die im Beruf eine zusätzliche Qualifikation wie zum Beispiel ein Studium oder einen Meisterbrief anstreben. Zitzelsberger: "Wir brauchen eine neue Debatte über Arbeitszeit, die sich vor allem an den Lebenswirklichkeiten der Menschen orientiert."

Letzte Änderung: 13.05.2014