IG Metall Pressedienst 27/09

IG Metall Pressedienst

02.07.2009 IG Metall will neue Arbeitszeitdebatte - Der Kampf um die 35-Stunden-Woche wird 25 Jahre

IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann fordert eine neue Debatte über Arbeitszeitverkürzung.
"Wir brauchen diese Diskussion, die alle Facetten der Verkürzung während der Arbeitszeit, der zeitnahen Verkürzung, bis zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit aufnehmen muss", sagte er dazu heute vor gut 200 Gewerkschaftern in Leinfelden-Echterdingen bei einem Festakt der IG Metall Baden-Württemberg zu "25 Jahre 35-Stunden-Woche".

Es gelte jetzt Formen und Forderungen von Arbeitszeitverkürzung zu finden, die auch die Differenziertheit der Ansprüche aufnehme, so Hofmann weiter. Als Begründung für die Forderung führte er an, dass in der Metall- und Elektroindustrie der Erhalt der Beschäftigung auf lange Sicht weitere Arbeitszeitverkürzungen verlange. Hier stünden die Arbeitgeber mit in der Verantwortung.

Bei der Debatte müsse sorgsam darauf geachtet werden, wie Forderungen und differenzierte Arbeitszeitrealitäten und die veränderten Zeitpräferenzen der Beschäftigten aufeinander wirkten.
"Hier steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich an erster Stelle, deutlich vor dem Mehr an Freizeit", so Hofmann. "Aber auch das Interesse an zusätzlichen Freiräumen für Qualifizierung und berufliche Neuorientierung nimmt zu." Dies erfordere neue Übereinkünfte zwischen den Flexibilitätsinteressen der Arbeitgeber und der Selbstbestimmung der Beschäftigten über ihre Arbeitszeit.

Die IG Metall hat heute an den fast siebenwöchigen Arbeitskampf zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche erinnert. Am 2. Juli 1984 war der Streik nach dem Schlichterspruch von Georg Leber, dem so genannten Leber-Kompromiss, durch eine zweite Urabstimmung mit 54,52 Prozent beendet worden. Begonnen hatte der Arbeitskampf am 14. Mai 1984 im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden. In einer ersten Urabstimmung hatten zuvor 80,5 Prozent für einen Streik gestimmt, der dann den Weg zum Einstieg in die schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche ebnete. Es dauerte allerdings bis 1995, bis die 35-Stunden-Woche endgültig eingeführt war.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Daimler AG, Erich Klemm, wertet den Kampf um die Arbeitszeitverkürzung hin zur 35-Stunden-Woche als Erfolg und zog eine insgesamt positive Bilanz. "Die Frage, hat sich das alles wirklich gelohnt, ist schnell beantwortet: Ja, es hat sich gelohnt." Die Arbeitszeitverkürzung sei das richtige Konzept in dieser Zeit gewesen, so Klemm weiter. "Sie hat die Arbeitsplätze der Beschäftigten in unserer Branche gesichert, in der eine Rationalisierungswelle nach der anderen rollte. Trotz der Krisen, die wir in den folgenden Jahren hatten, wurde bei den großen Unternehmen nicht entlassen." So seien in den Jahren der schrittweisen Arbeitszeitverkürzung alleine im Daimler-Werk in Sindelfingen bis zu 4.000 Menschen neu eingestellt worden. Klemm: "Das war eine unmittelbare Folge der Arbeitszeitverkürzung."

Gleichzeitig sei der so genannte Leber-Kompromiss, auch der Startschuss für die Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit gewesen. Klemm: "Dieser Weg war damals sehr umstritten. Aus heutiger Sicht wissen wir jedoch wie richtig er war: Mit der Differenzierung konnte den Unterschiedlichen Interessen der Beschäftigten Rechnung getragen werden und die Flexibilisierung sichert bis heute Arbeitsplätze. Vor allem die Arbeitszeitkonten haben das System wahrlich revolutioniert. Davon haben nicht zuletzt die Angestellten profitiert." Auch in diesen Bereichen sei es in den folgenden Jahren nach 1984 zu einem deutlichen Aufbau von Beschäftigung gekommen.

Eine Entwicklung, die laut Klemm gerade unter dem Eindruck der aktuellen Wirtschaftskrise nicht hoch genug eingestuft werden könne. "Ohne Freischicht- oder Gleitzeitkonten hätten wir den massiven Einbruch im letzten Jahr nicht abfangen können und hätten schon Monate vorher in Kurzarbeit gehen müssen." Klemm sagte: "Die Welt hat sich seit 1984 weiter gedreht. Wir sollten uns heute auf das Thema Lebensarbeitszeit konzentrieren."

Letzte Änderung: 03.07.2009