Es gibt Druck für eine hohe Forderung

09.11.2006 Mannheimer Morgen, 04.11.2006 - IG Metall-Bezirkschef Jörg Hofmann über die bevorstehende Lohnrunde im Südwesten

Stuttgart. Im März nächsten Jahres läuft der Tarifvertrag in der
Metallindustrie aus. Bereits jetzt beginnen aber bei der IG Metall die
internen Diskussionen über die Lohnforderung, die im Februar
beschlossen werden soll. Einen Grund zur Zurückhaltung kann Jörg
Hofmann, der baden-württembergische Bezirksleiter, nicht erkennen.
"Der Metall- und Elektroindustrie geht es in großem Umfang gut", sagt
er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die konjunkturellen Rahmendaten hat Hofmann bereits im Kopf. Deutlich
zweistellig sei das Umsatzplus in der Branche, nahezu zweistellig
wachse auch die Produktion. Trotzdem hätten die Unternehmen keine
neuen Stellen geschaffen. Hofmann: "Der Profit der Mehrproduktion
fließt in die Gewinne." Einen spürbaren Einbruch erwartet er für das
nächste Jahr nicht. Entsprechend hoch dürften die Erwartungen der
Mitglieder sein. Durch die Mehrwertsteuererhöhung ab Januar wird nach
Hofmanns Einschätzung der "Druck für eine hohe Zahl relativ stark
wachsen".

Noch will Hofmann aber keine konkrete Ziffer für die nächste Lohnrunde
nennen. Dabei ist ihm klar, dass diese "desto einfacher den
Mitgliedern zu erklären ist, je höher sie ist". In den nächsten Wochen
gehe es darum, die richtige Zahl zu finden, betont der vorsichtige
Gewerkschafter. Denn er kennt auch die "Sorgenkinder" der
Metallindustrie im Südwesten. Vor allem die Maschinenbauer, die
Ausrüstungen für die Automobilzulieferer produzieren, tun sich derzeit
schwer. Um die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen ist
es Hofmann auch bei steigenden Personalkosten nicht bang.

"Die Außenhandelsbilanz ist glänzend positiv", kontert er. Zwar kämen
mehr Vorleistungen aus dem Ausland, aber gleichzeitig hätten die
Unternehmen die Exporte deutlich gesteigert. Nur gegenüber wenigen
osteuropäischen Ländern, etwa der Slowakei, sei die Bilanz negativ.
Und die Musik für die Metall- und Elektroindustrie spiele bekanntlich
in Westeuropa, den USA und Japan.

Bei der Verlagerung von Produktion ins billigere Ausland sieht der
Gewerkschafter "deutliche Bremsspuren". Zwei Ausnahmen gesteht er zu:
Neue Fabriken zur Belieferung von Kunden vor Ort würden noch gebaut
und ganz einfache Tätigkeiten, die überall machbar sind, weiter
verlagert. Genüsslich verweist er aber auf den Verband der Deutschen
Maschinen- und Anlagenbauer, der seine Mitglieder häufiger vor den
Risiken von Investitionen im Ausland warne.

Mehr Sorgen als die Tarifpolitik bereiten dem Stuttgarter
Bezirksleiter die aktuellen politischen Diskussionen. Die Rente mit 67
nennt er "einen Blödsinn". Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit
führe zu Abschlägen bei der Altersversorgung, die langfristig auf 50
Prozent des letzten Nettolohns sinke. Denn in der Metallindustrie
könnten die Beschäftigten am Fließband nicht einmal bis 62 Jahre
durchhalten. Bei einer Durchschnittsrente für die Männer in
Baden-Württemberg von 960 Euro liege das Niveau dann nur noch knapp
über den Leistungen nach Hartz IV. Er plädiert deshalb dafür,
Beschäftigten mit besonderen Belastungen den Ausstieg früher zu
ermöglichen. Gestern stellte er zudem gemeinsam mit dem
Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall, Ulrich Brocker, einen neuen
Tarifvertrag zu altersvermögenswirksamen Leistungen vor. Arbeitnehmer
können nun für ihre Altersvorsorge den bisherigen Arbeitgeberbetrag
von 319 Euro jährlich für vermögenswirksame Leistungen nutzen.

Von unserem Korrespondenten Peter Reinhardt
Adresse des Artikels:
http://www.morgenweb.de/service/archiv/artikel/610115899.html

Letzte Änderung: 20.11.2007