IG Metall Pressedienst 10/2011

IG Metall Pressedienst

08.04.2011 IG Metall setzt auf ökologische und sozial nachhaltige Politik - Hofmann: "Historische Chance für neue Landesregierung" - Beitrag im SWR Fernsehen, Landesschau aktuell am 8.4.2011, 18.00 Uhr

Die IG Metall erhofft sich eine gute Zusammenarbeit mit der künftigen grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg. Das machte IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann heute in Stuttgart vor Journalisten deutlich. "Ich glaube, die neue Regierung hat eine große Chance Jahrzehnte alte Verkrustungen aufzubrechen. Sie kann einiges verändern im Land. Und wenn ich mir die Themen und Positionen anschaue, erkenne ich eine ganze Reihe Gemeinsamkeiten."

Konkret nahm er dabei die Bereiche Bildung und Beschäftigung in den Blick. "Wir brauchen eine entschiedene Schwerpunktsetzung: Bildung, Investitionen in die Infrastruktur und eine Industriepolitik die den ökologischen Umbau aktiv fördert. Das sind Rahmenbedingungen für eine neue nachhaltige Wachstumsdynamik und damit auch ein Mehr an Beschäftigung."

Dabei gehe es vor allem um ökologisches und sozial nachhaltiges Wachstum, so Hofmann. "Die Schlüsselthemen des von der IG Metall forcierten ökologischen Umbaus sind: Neue energieeffiziente und weniger umweltbelastende Mobilitätskonzepte, Ressourceneffizienz bei Material und Energie im privaten Haushalt und der Industrie, sowie der schnelle Umbau der Stromversorgung auf regenerative Energien und die dafür notwendigen Netze und Speichertechniken. Hier treffen die Themen auf die Innovationskraft unserer baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie gerade in den nun geforderten Technologien. Diese einmalige Symbiose kann eine enorme Dynamik entfalten, wenn Politik klare und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen schafft und selbst durch Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Aus- und Weiterbildung begleitet."
In den Schlüsselbranchen der Metall- und Elektroindustrie liegen 40 Prozent der gesamten Wertschöpfung des Landes. Hier arbeiten über eine Million Beschäftigte in Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Service. "Wir brauchen die Qualifikation, die Kreativität und das Engagement der Beschäftigten und ihre Begeisterung für den Umbau unseres Landes, hin zu einem noch lebenswerteren Baden-Württemberg. Erreichen werden wir das aber nur, wenn wir ökologisches Wirtschaften konsequent mit sozialer Nachhaltigkeit verschmelzen."

Hofmann forderte deshalb eine Industriepolitik, die ökologische und soziale Ziele vernünftig aufeinander abstimmt. "Es muss belastbare Perspektiven für die Menschen und die Industrie geben. Nehmen wir die zukünftige Ausrichtung der Energiepolitik. Was bedeutet dies für die energieintensiven Industrien, etwa der Metallerzeugung am Oberrhein und für die dort Beschäftigten?"
Dies gelte auch für das von einigen verschmähte und gescholtene Luxussegment im Automobilbau. Deshalb betonte Hofmann: "Die Investitionen in Innovation in Richtung E-Mobilität, alternativer und emmissionsärmerer Antriebstechniken und Leichtbau werden nun mal unter anderem durch den Verkauf von Luxuskarossen in China verdient. Und wir brauchen diese über hunderttausend Arbeitsplätze in Sindelfingen, Neckarsulm und Zuffenhausen. Da bringt uns populistische Meinungsmache gegen Nobelkarossen nicht weiter, das schafft Unsicherheit, gerade bei den Beschäftigten und gefährdet die notwendige Unterstützung für einen konsequenten Kurs ökologischer Umorientierung."

Soziale Nachhaltigkeit beinhalte aber auch eine unmissverständliche und klare Position der Landesregierung gegen die weitere Ausweitung prekärer Beschäftigung. Dies beginne mit einem Tariftreuegesetz im Land und einem klaren Eintreten für Mindestlöhne. "Die Stimme des Landes Baden-Württemberg muss im Bund in Zukunft deutlich vernehmbar sein, wenn es darum geht Leiharbeit zu regulieren und den staatlich subventionierten Niedriglohnsektor zurückzuführen", so Hofmanns klare Erwartung.

Auch mit Blick auf die Bildungspolitik des Landes hat die IG Metall klare Vorstellungen. "Bildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir wollen gleiche Chancen auf Bildung für alle Menschen in unserem Land, unabhängig von sozialer Herkunft und dem Geldbeutel des Elternhauses", so Hofmann.

In einige konkrete Forderungen gemünzt heißt dies:

  • Klare Priorität auf den Ausbau der Ganztagesbetreuung und der frühkindlichen Erziehung, wenn es um zusätzlich notwendige Mittel geht.
  • Um die strukturellen Defizite an den beruflichen Schulen abzubauen, muss ein deutlicher Aufbau an Lehrkräften erfolgen, um den Unterrichtsausfall wegen Krankheit oder Fortbildung von Lehrkräften einzudämmen.
  • An den Schulen, auch den beruflichen Schulen, muss ausreichend Personal für Schulsozialarbeit zur Verfügung gestellt werden, um durch individuelle Betreuung Defizite ausgleichen zu können.
  • Fortführung der Vereinbarungen des Ausbildungsbündnisses und eine klare Priorität auf die Stärkung der betrieblichen dualen Ausbildung.
  • Konsequente Umsetzung der einvernehmlichen Ergebnisse der Enquete-Kommission Aus- und Weiterbildung.

Hofmann: "Neue Technologien, neue Prozesse und neue Werkstoffe erfordern neue Qualifikationen und erzeugen einen gewaltigen Hunger an entsprechend qualifizierten Fachkräften. Prognosen gehen bis 2020 allein für Baden-Württemberg von 250.000 fehlenden Fachkräften aus. Wir müssen deshalb die Anstrengungen konzentrieren, um jetzt die Fachkräfte auszubilden, die wir morgen brauchen. Nur so werden wir Spitzenreiter bei den Zukunftstechnologien."

Hofmann machte deutlich, dass die Bewältigung dieser Zukunftsaufgaben notwendige gesellschaftliche Aufgaben sind, die eine Stärkung der staatlichen Handlungsfähigkeit auf der Einnahmeseite verlangt. "Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, handlungsfähige Gemeinden. Daher ist es mehr als gerecht, dass insbesondere die starken Schultern stärker zur Finanzierung herangezogen werden. Wir brauchen keine Steuersenkungen, sondern eine gerechtere Verteilung der Steuerlast, indem große Einkommen und hohe Vermögen stärker zur Finanzierung dieser Zukunftsaufgaben herangezogen werden. Hier erwarte ich von der neuen Landesregierung eine klare Position in der Bundespolitik."

Letzte Änderung: 11.04.2011