IG Metall Pressedienst 43/2010

IG Metall Pressedienst

27.10.2010 Gegen ungerechte Regierungspolitik - Aktionstag bei Bosch: Viele Standorte beteiligen sich an Herbstaktionen

Die Beschäftigten zahlreicher Standorte des Bosch-Konzerns haben sich heute an den Aktionen der IG Metall beteiligt und gegen die Sparpolitik der Bundesregierung protestiert. Es gab an zahlreichen Standorten Kundgebungen und Informationsveranstaltungen, außerdem wurden Flugblätter an die Belegschaften verteilt.

Proteste der Gewerkschaft gegen das Sparpaket der Bundesregierung, die Rente mit 67 und die Gesundheitsreform laufen im Rahmen der IG Metall Herbstaktivitäten. In mehreren hundert Betrieben im Bezirk wurden mit Abstimmungskarten Unterschriften gegen die Sparpolitik der Bundesregierung gesammelt. Die Karten werden in Sparpaketen wieder eingesammelt und im Anschluss an die Großkundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart am 13. November 2010 mit einem Lkw nach Berlin transportiert. Dort sollen sie der Bundesregierung übergeben werden.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Robert Bosch GmbH,
Alfred Löckle
, kritisierte das Sparpaket der Bundesregierung. "Die Beschäftigten hatten während der Wirtschaftskrise eine wichtige Rolle. Im Rahmen von Kurzarbeit und Arbeitszeitverkürzung haben sie massive Einbußen verkraftet und so geholfen das Land durch die Krise zu steuern. Und jetzt sollen sie auch noch die Zeche für eine Krise zahlen, deren Verursacher bisher ungeschoren davonkommen. Die Belegschaft von Bosch lehnt diesen Kurs ab. Wir wollen mehr Gerechtigkeit und fordern deshalb einen Kurswechsel", sagte er dazu heute in Stuttgart.

Bei Bosch in Bühl (Ortenaukreis) kamen mehrere hundert Beschäftigte zu einer Kundgebung vor das Werktor. Dort warf Baden-Württembergs IG Metall-Pressesprecher Kai Bliesener der Regierung vor, die Beschäftigten zu den wahren Opfern der Krise zu machen. "Während es für die einen wieder satte Profite regnet, gibt es für die Beschäftigten, Arbeitslosen und Rentner immer nur neue Mehrbelastungen soweit das Auge reicht." Auch er forderte deshalb die Regierung auf, den eingeschlagenen Kurs zu korrigieren und endlich diejenigen zur Kasse zu bitten, die Verursacher der tiefsten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte waren.

Betriebsrat kritisiert Leistungsverdichtung
Für den Betriebsratsvorsitzenden von Bosch Bühl, Klaus Lorenz, ist inzwischen ein neuer Trend erkennbar, der die Arbeitsbedingungen bedroht. "In der globalisierten Ökonomie bestehen für die abhängig Beschäftigten enorme Risiken. Und jetzt drohen die Arbeitsbedingungen auch noch unter die Räder zu kommen. Alles wird nur noch blind dem Ziel untergeordnet, die Wettbewerbs und Innovationsfähigkeiten der Unternehmen und der nationalen Wirtschaft zu stärken." Sorge macht ihm dabei vor allem die steigende Belastung am Arbeitsplatz. "Die menschliche Arbeitskraft wird nur noch unter dem Gesichtspunkt der Rendite gesehen - und zwar quer durch alle Ebenen", kritisiert Lorenz. Überhöhte Anforderungen, ein genereller Leistungsdruck, Terminstress, lange Arbeitszeiten und ein ständiger Wechsel von Bedingungen z.B. Wohnungswechsel, seien längst Alltag vieler Beschäftigter. Und trotzdem will das Unternehmen in den indirekten Abteilungen am Standort Bühl weitere 10 Prozent der Beschäftigten abbauen, obwohl das Werk erstmalig seit Jahren wieder schwarze Zahlen schreibt. "Das kann es doch nicht sein", so Lorenz.
Daher sei auch in den Unternehmenszentralen ein Kurswechsel notwendig. Lorenz: "Wir werden aber nur erfolgreich sein, wenn wir alle diesen Kurswechsel auch wollen und Ihn auch einfordern. Darum begleitet unsere Aktionen und lasst uns gemeinsam den Kurswechsel einläuten."

Kritik an der Übernahmepraxis übte der Betriebsratsvorsitzende von Bosch Feuerbach, Hartwig Geisel. Die sei zwar auch am Standort Feuerbach vorbei. Doch obwohl sich ein Bedarf an qualifizierten Fachkräften abzeichne, rücke das Unternehmen nicht von der lediglich befristeten Übernahme ehemaliger Auszubildender ab. Geisel: "Alle reden über den schon bestehenden Facharbeitermangel. In Feuerbach werden Auszubildende trotz genügend Arbeit nur befristet übernommen. Dagegen protestieren wir gemeinsam mit der IG Metall, heute vor Tor 1 und am 13. November 2010 auf dem Schlossplatz in Stuttgart."

Bereits am vergangen Mittwoch, dem 20.10.2010 hat sich die Beleg-schaft von Bosch in Reutlingen gegen die Rente ab 67, das Sparpaket und den Stellenabbau auf einer Protestkundgebung mit 2000 Teilnehmern positioniert. Auszubildende sollen nur noch befristet übernommen werden, bezahlte Erholpausen gestrichen und der Einkauf zentralisiert werden. "Das tragen wir so nicht mit", sagte der Betriebsratsvorsitzende Daniel Müller. "Bezahlte Erholpausen müssen erhalten bleiben, die Auszubildenden brauchen Perspektiven und unbefristete Übernahmen. Wir wehren uns gegen den Stellenabbau und werden die soziale Kälte in einem heißen Herbst vertreiben", so der Leiter des Vertrauensleutekörpers bei Bosch Reutlingen Thorsten Dietter.
Heute haben die Vertrauensleute die Diskussion mit der Belegschaft im Rahmen der Herbstaktivitäten der IG Metall mit Infoständen vor der Kantine fortgesetzt.

Heftige Kritik auch von der Jugendvertretung
Auch der Vorsitzende der Gesamt Jugend- und Auszubildendenvertretung (GJAV) bei Bosch, Armin Kaltenbach, prangerte die Situation der Auszubildenden an. "Gerade für Jugendliche im Unternehmen ist die Situation nicht zufriedenstellend. Dabei stehen sie für die Zukunft des Unternehmens. Gemeinsam haben wir die Krise überwunden - und das oft auf dem Rücken der Jugendlichen, denn auch bei Bosch hat sich die Übernahme verschlechtert und der Kampf um die Einstellzahlen hat sich verschärft. Hier hat sich gezeigt wie wichtig und notwendig tarifvertragliche Regelungen wie die 12monatige Übernahme sind. Doch die Krise ist vorbei und gerade die Zukunft des Unternehmens erwartet jetzt ein deutliches Zeichen", sagte er anlässlich des heutigen Bosch-Aktionstages. Kaltenbach: "Jetzt geht es drum wieder in den Normalzustand zurückzukommen und der ist nach wie vor 100 Prozent unbefristete Übernahme für alle Auszubildenden. Hierfür werden wir einstehen und weiter kämpfen bis uns dies erfolgreich gelungen ist."

Der Protest eint die Beschäftigten an den unterschiedlichen Standorten
Auch bei Bosch in Abstatt hält man das Sparpaket für sozial unausgewogen. "Es trägt nicht zur Zukunftssicherung der Gesellschaft bei und ist insgesamt schlicht ungerecht. Besonders im Bereich der Bildung wird eine total ungeeignete und selektive Politik fortgeschrieben, statt endlich auf die Zukunftssicherung zu setzen und nicht nur davon zu reden", heißt es aus dem Betriebsrat am Standort Abstatt.

"Rente mit 67 - NEIN DANKE!", sagte Dieter Lochbihler, Betriebs-ratsvorsitzender bei Bosch in Blaichach im Allgäu. "Das dicke Ende der staatlichen Rentenpolitik kommt sonst in Form von Altersarmut auf uns zu. Die so genannten Reformen bedeuten nämlich nichts anderes als: Arbeite länger, habe weniger, spare mehr! Da machen wir nicht mit." Deshalb sei auch im Allgäu ein heißer Herbst vorprogrammiert.

Dieser Sicht schließen sich auch die Beschäftigten bei Bosch in Bad Homburg an. "Die Alten können nicht bis 67 arbeiten und die Jungen brauchen ihre Jobs. Kurzarbeit hat die Jobs gerettet, denn die verschiedenen Formen von Arbeitszeitverkürzungen sichern Beschäftigung", meinte der dortige Betriebsratsvorsitzende Dieter Klein.

Beim Bosch Communication Center in Magdeburg wurden die Beschäftigten mit einem Infostand über die aktuellen Themen informiert. Gleichzeitig wurde für die Kundgebung am 6. November in Hannover geworben. "Themen wie Rente mit 67, gute Arbeit als Voraussetzung für ein gutes Leben, gleiche Bildungschancen für alle und ein solidarisches Gesundheitssystem gehen alle an", sagte die Betriebsratsvorsitzende Hannelore Laudan.

Auch Manuela Rößler, Betriebsratsvorsitzende von Bosch in Crails-heim ist überzeugt, dass sich etwas ändern muss. "Wir sind überzeugt davon, dass es höchste Zeit ist, dass sich etwas bewegt in Deutschland." Ihr Stellvertreter Armin Herbst glaubt an ein neues Demokratiebewusstsein bei den Bürgern. "Die Menschen haben ihre eigene Meinung und wollen die auch ausdrücken. Sie sind sich bewusst, dass sie für ihre Interessen eintreten müssen, damit sie gehört werden. Und das ist wichtig und gut so!"

Letzte Änderung: 27.10.2010