IG Metall Pressedienst 40/2010

IG Metall Pressedienst

25.10.2010 Hofmann: "Die Metall- und Elektroindustrie verspielt Zukunftschancen" - IG Metall kritisiert sinkende Ausbildungsplatzzahlen in der Industrie

Kritik an sinkenden Ausbildungszahlen in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie übt IG Metall Bezirksleiter Jörg Hofmann. Er wirft den Arbeitgebern vor, angesichts eines drohenden Fachkräftemangels Zukunftschancen nicht zu nutzen.

Hofmann kritisierte in diesem Zusammenhang auch den Vorschlag von DIW-Präsident Klaus Zimmermann scharf. Dieser hatte vorgeschlagen Arbeitszeitverlängerungen als probates Mittel gegen den Fachkräftemangel zu nutzen. "Es ist Unsinn über Arbeitszeitverlängerungen zu fabulieren, wenn tausende von Jugendlichen keine zukunftsfähige Ausbildung erhalten", so Hofmann.
Er verwies darauf, dass Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern in den nächsten Jahren noch steigende Schulabgängerzahlen habe. "Wer diesen Vorteil des Landes verspielt, braucht sich nicht zu wundern, wenn Baden-Württemberg hinter seiner Leistungsfä-higkeit zurückbleibt."

Die Metall- und Elektroindustrie biete durchaus zukunftsfähige Perspek-tiven für Fachkräfte. Hofmann sieht deshalb die Arbeitgeber in der Pflicht und fordert sie auf, die deutlich verbesserte wirtschaftliche Lage zu nutzen, um zusätzliche Ausbildungsplätze auch für die Nachversorgung anzubieten. "Wir brauchen einen Kurswechsel bei Ausbildungszahlen und Übernahme."

Eine Umfrage in den Betrieben der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie hatte vor kurzem ein dramatisches Bild über den Ausbildungsabbau in der Industrie gezeichnet. Vor allem die technischen Berufe sind von dem Rückgang betroffen. Laut Umfrage sinkt die Zahl der Ausbildungsplätze der Branche in diesem Jahr um insgesamt 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und 2008 war der Ausbildungsmarkt in den Metallbetrieben bereits um fast sieben Prozent eingebrochen.
Am tiefsten geht der Schnitt im Maschinenbau, wo fast 16 Prozent der Ausbildungsplätze in diesem Jahr wegfallen. Ähnlich schmerzhaft ist es auch im Bereich der Herstellung von Datenverarbeitungs- und elektronischen Geräten, wo 14,5 Prozent der Ausbildungsplätze gestrichen wurden. Bei den Automobilherstellern und den Zulieferbetrieben sinkt die Zahl der Ausbildungsplätze um 10,5 Prozent. Mit Minus 6,9 Prozent fällt im Bereich der Herstellung von elektrischen Ausrüstungen der Abbau am geringsten aus - und liegt dennoch oberhalb des durchschnittlichen Gesamtrückgangs aller Branchen im vergangenen Jahr.

Sorgen macht dem Gewerkschafter zudem die Übernahmesituation. Nur ein gutes Viertel aller Auszubildenden wird in diesem Jahr nach der Ausbildung in ein festes und dauerhaftes Arbeitsverhältnis übernommen. Auf fast zwei Drittel wartet lediglich eine befristete Übernahme. 8 Prozent der Azubis landen nach der Ausbildung auf der Straße und werden nicht von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen.
Hofmann kritisierte zudem, dass ein Viertel aller ausbildungsfähigen Betriebe überhaupt nicht ausbilde.

Prof. Dr. Gerhard Zimmer von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg plädierte auf einer Ausbilderkonferenz der IG Metall Baden-Württemberg dafür, "mehr berufliche Allgemeinbildung in die Ausbildung zu integrieren".
Dieser Schritt sei durch die technologischen und ökonomischen
Veränderungen in der Arbeitswelt dringend notwendig, sagte er vor gut 100 Teilnehmern in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen. "So kommen die Ausgebildeten auch in die Lage, den Gesamtzusammenhang ihrer Arbeit zu überblicken und die eigenen Aufgaben in die Produktions- und Geschäftsprozesse einzuordnen."
Der Forderung nach einer zweijährigen Ausbildung erteilte er eine Absage. "Mit einer Schmalspurausbildung kommen wir nicht weiter. Die Ausbildung der heute erforderlichen ganzheitlichen Handlungskompetenzen braucht mehr Zeit."

Gravierende Mängel sieht Zimmer im Übergang zwischen Schule und Ausbildung. "In diesem System gibt es derzeit keine gute Vorbereitung auf das Arbeitsleben", bemängelt er und fordert stattdessen einen "Übergang mit System". Dabei sei es notwendig, dass Jugendliche schon in der Phase der beruflichen Orientierung mit dem betrieblichen Alltag in Berührung kommen und ein Übergang mit System in eine qualifizierte Berufsausbildung gesichert werde.

Letzte Änderung: 25.10.2010