"Basis des Landes ist bedroht"

IG Metall Interview

24.09.2009 Interview: Baden-Württembergs Metaller-Chef Jörg Hofmann fordert einen Beteiligungsfonds für Not leidende Firmen - Das Gespräch führte Peter Reinhardt - Mannheimer Morgen - 24. September 2009

Um angeschlagene Firmen vor der Pleite zu retten, schlägt der baden-württembergische IG Metall-Chef Jörg Hofmann einen Beteiligungsfonds vor. Der Landesregierung wirft er Untätigkeit vor, obwohl "die Basisstrukturen bedroht sind".

MaMo: Die Krise in der Metall- und Elektroindustrie hält an. Droht nach der Abwrackprämie bei den Autozulieferern eine Pleitewelle?

Jörg Hofmann: Wir haben im Pkw-Bereich eine harte, aber bewältigbare Situation. Echt weh tut der Nutzfahrzeugbereich. Eine ganze Reihe von Unternehmen in Baden-Württemberg müssen da Rückgänge der Aufträge um 60 bis 70 Prozent verkraften. Auch unser Maschinenbau hängt stark von der Automobilindustrie ab. Dort sieht es mit Einbrüchen bis 80 Prozent schlichtweg dramatisch aus.

MaMo: Wie lange können solche Unternehmen mit Kurzarbeit die Rückgänge ausgleichen?

Hofmann: Kurzarbeit kann sehr lange laufen. Aber es bleibt die Frage, mit welcher Eigenkapitalausstattung sind die Unternehmen in die Krise gestartet. Denn das wird trotz Kurzarbeit allmählich aufgezehrt, da man die Kosten nie solchen Umsatzeinbrüchen anpassen kann. Es geht da nicht nur um Löhne, sondern auch um strukturelle Kosten wie Abschreibungen.

MaMo: Wie lässt sich die Auszehrung der Firmen verhindern?

Hofmann: Neben der Kreditversorgung ist eine Verbesserung der Eigenkapitalbasis der Unternehmen mit wertvollem Know-how notwendig. Es besteht die Gefahr, dass selbst Weltmarktführer nach einer Insolvenz von Investoren aus China oder Indien gekauft werden. Die Folgen kann man beispielhaft am Niedergang des US-amerikanischen Maschinenbaus sehen. Da haben Firmenkäufer das Know-how rausgezogen und die Branche in kurzer Zeit platt gemacht. Um das zu verhindern, müssen wir die Überlebensfähigkeit von zukunftsfähigen Unternehmen stärken.

MaMo: Und wie?

Hofmann: Mir schwebt eine staatlich verbürgte Anleihe vor, die in einen Beteiligungsfonds fließt. Der könnte sich zeitlich befristet bei solchen bedrohten Unternehmen engagieren. Damit wäre das Eigenkapital so weit stärken, dass die Insolvenzgefahr gebannt und die Kreditlinien abgesichert sind. Mit staatlicher Rückendeckung sollte ein Volumen von einer Milliarde nicht die Grenze sein.

MaMo: Müsste da Baden-Württemberg als besonders von der Krise betroffenes Land vorangehen?

Hofmann: Das fordere ich von der Landesregierung dringend. Es ist schon bemerkenswert, dass in einem Land, das so im Fokus der Krise steht, über Presseerklärungen und Nebenthemen hinaus keine aktive Industriepolitik sichtbar ist. Da findet schlicht und einfach nichts statt, obwohl die Basisstrukturen Baden-Württembergs bedroht sind. Die Landesregierung hüllt sich in Schweigen, wie in vielen Fragen zur Zukunft der Industrie. Da passiert entschieden zu wenig.

MaMo: Müssen die staatlichen Hilfen angepasst werden?

Hofmann: Ich befürchte, dass angesichts ihrer finanziellen Probleme die Gemeinden im nächsten Jahr die Gelder des Konjunkturprogramms II gar nicht mehr abrufen können. Der Eigenanteil der Kommunen muss gesenkt werden. Sonst kommen die beschlossenen Milliarden gar nicht an. Auch für den Investitionsgüterbereich braucht es Hilfen. Den Herstellern von Nutzfahrzeugen würde ein Förderprogramm zur Anschaffung von Hybridbussen im öffentlichen Nahverkehr helfen oder eine Umweltprämie. Das würde dem Klima helfen und Stellen sichern.

Letzte Änderung: 23.11.2009