IG Metall Pressedienst 29/09

IG Metall Pressedienst

27.07.2009 Gemeinsam für Beschäftigung - Beschäftigungspolitische Konferenz der IG Metall am 27. Juli 2009

Die IG Metall sieht keinen Grund von ihrer Forderung, 2009 nicht zum Jahr der Entlassungen werden zu lassen, abzurücken. Das machte der baden-württembergische Bezirksleiter Jörg Hofmann heute auf einer Beschäftigungspolitischen Konferenz der Gewerkschaft in Böblingen deutlich. "Kurzarbeit bietet weiter eine Alternative für die Arbeitgeber und vor allem eine Perspektive für die Beschäftigten."

Gesetzgeber und Tarifparteien hätten das Instrument der Kurzarbeit sogar erst kürzlich noch attraktiver gemacht. Es seien also Wege vorhanden um die Unternehmen ohne Entlassungen durch die Krise zu steuern, so Hofmann weiter. "Jetzt gilt es die Werkzeuge und Möglichkeiten auch effektiv zu nutzen", Hofmann widersprach damit der um sich greifenden Diagnose, viele Betriebe hätten nicht mehr ausreichend Kraft um ihre Beschäftigten zu halten. "Kurzarbeit und andere Instrumente sind noch längst nicht ausgereizt."

Den Arbeitgeberverbänden warf Hofmann vor, sie würden sich schrittweise von dem Ziel verabschieden, mit den Stammbelegschaften durch die Krise zu kommen. Er sagte: "Es gibt keinen Grund, die Beschäftigten zu Krisenopfern zu machen und mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes für etwas zu bestrafen, das sie nicht zu verantworten haben."

Der Gewerkschafter forderte die Arbeitgeber auf, die Möglichkeit von Qualifikation während der Kurzarbeit mehr zu nutzen als dies bisher der Fall ist. "Darin liegt die Chance auf zielgerichtete Qualifikation um die Betriebe auf die Herausforderungen von morgen einzustellen. Am Ende profitieren Unternehmen und Beschäftigte im nächsten Aufschwung gleichermaßen." Außerdem werde so der Strukturwandel gefördert und die dafür notwendige Qualifikation bei den Beschäftigten erhalten und aufgebaut.

Von der Politik erwartet Hofmann zusätzliche Signale um Beschäftigung sichern und die Krisenfolgen abfedern zu können. "Der Gesetzgeber ist weiter gefordert. Wir brauchen einen besseren Schutzschirm für Beschäftigte. Dazu gehört die Verlängerung der Bezugsdauer von Transfer-Kurzarbeitergeld auf 24 Monate, aber auch eine zumindest befristete Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I."
In diesem Zusammenhang unterstrich er die Kritik an der Rente mit 67. "Ich bleibe dabei, sie passt nicht in die Arbeitswelt und den Arbeitsmarkt von heute", so Hofmann. Er machte sich zudem stark für Modelle, die auch in Zukunft ein früheres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erlauben und drängte auf eine Fortführung der Förderung von Altersteilzeit. "Wir brauchen diese Form der Beschäftigungsbrücke, damit wir jungen Menschen eine Perspektive bieten können."

Hofmann bezeichnete die Sicherung von Beschäftigung als das herausragende Ziel in diesem Jahr. "Daran werden wir auch die Parteien vor der Bundestagswahl messen. Wer macht Politik für die Beschäftigten und wer fällt ihnen in den Rücken. Das wird auch die Frage sein, die am 5. September in Frankfurt gestellt werden wird." Dann wollen sich in Frankfurt tausende Metaller versammeln um ihre Forderungen an die Politik und an eine neue Bundesregierung zu formulieren.

Überwiegend positiv bewertete Hofmann die bisher von Arbeitsministerium, Landesregierung und Regionalagentur für Arbeit eingeleiteten Maßnahmen, mit denen bislang versucht wurde die Folgen der Krise abzufedern. "Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate, das Maßnahmenpaket der Landesregierung und die unbürokratische Unterstützung der Regionalagentur sind für alle Beteiligten ein wichtiges Signal. Wenn wir dort, wo dies möglich ist, an einem Strang ziehen, profitieren die Beschäftigten meist mit einem sichererem Arbeitsplatz davon."

Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und im Staatsministerium, Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, betonte auf der Konferenz die gemeinsame Verantwortung von Politik, Gewerkschaften und Arbeitgebern für die Bewältigung der Krise. "Wir haben hier im Land gute Erfahrungen mit einer an Kompromissfähigkeit orientierten Sozialpartner­schaft gemacht, die es verstärkt fortzusetzen gilt", sagte der Minister.

Minister Prof. Dr. Reinhart verwies ausdrücklich auf das Maßnahmenpaket, das die Landesregierung zur Bewältigung der Wirtschaftskrise geschnürt habe. "Mit einem Kraftakt hat das Land Investitionsmittel bereitgestellt, um Arbeitsplätze zu erhalten und Unternehmen zu sichern." Mit Mitteln von Bund, Land und Kommunen stünden Baden-Württemberg rund 2,1 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen zur Verfügung. Besonders die neuen Regelungen zum Kurzarbeitergeld seien ein wichtiges Instrument für die Unternehmen. Kurzarbeit für Weiterbildung zu nutzen, gebe Firmen die einmalige Gelegenheit, ihre Beschäftigten zu halten. "Wer jetzt entlässt, leidet später doppelt unter dem Fachkräftemangel, denn die Krise vergeht, die demographische Herausforderung aber bleibt. Daher liegt es im Interesse der Betriebe, die Fachkräfte jetzt zu halten, weiterzubilden und so gestärkt aus der Krise zu kommen", betonte der Minister.

Der weltweite Konjunkturabschwung hat Baden-Württemberg früher und härter getroffen als andere Regionen in Deutschland. Deshalb ist gerade im Südwesten die Kurzarbeit das Mittel der Wahl: Im März arbeiteten landesweit 218.000 Menschen in 6.800 Betrieben aus konjunkturellen Gründen kurz. Das ist der höchste Wert seit 16 Jahren. "Die Kurzarbeit stabilisiert den Arbeitsmarkt und die Kaufkraft, sie entlastet die Sozialsysteme und spart Steuer- sowie Beitragsgelder", sagte Eva Strobel, Leiterin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, am Montag in Böblingen. Sie betonte, dass bislang über 70.000 Arbeitsplätze im Land durch den massiven Einsatz von Kurzarbeit gesichert worden seien.

Gerade Baden-Württemberg ist als Hochtechnologiestandort auf gut qualifizierte Fachkräfte angewiesen: Sobald die Konjunktur sich wieder aufhellt und die Auftragslage sich bessert, wird es für Unternehmen im Südwesten zunehmend schwierig, geeignete Fachkräfte zu finden. "Das Land wird aber sein Gütemerkmal als innovative Tüftlerregion und Heimat vieler Hidden Champion nur behalten, wenn auch in Zukunft genügend qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft anbieten", sagte Strobel. Daher sei es im ureigenen Interesse der Unternehmen, Beschäftigung in Baden-Württemberg zu sichern und die Mitarbeiter vor, während oder nach der Kurzarbeit weiter zu qualifizieren.

Letzte Änderung: 28.07.2009