Unruhe im Kfz-Handwerk

IG Metall Aus den Medien

30.01.2008 Stuttgarter Nachrichten - 30. Januar 2008 - von Petra Otte

Im Südwesten bahnt sich Konflikt um Arbeitszeit an - Tarifflucht in der Branche

Kurz vor Beginn der Tarifrunde bahnt sich im Kfz-Handwerk im Land Ärger an. Schon vor Monaten hat der Arbeitgeberverband die Tarifverträge gekündigt, nun fürchtet die IG Metall massive Eingriffe in die Arbeitsbedingungen. Knackpunkt der Gespräche wird wohl die Arbeitszeit werden.

Die Lage in Baden-Württemberg entspricht bundesweitem Trend: Mehr als die Hälfte der Kfz-Landesinnungsverbände in der Republik haben die Tarifverantwortung aufgegeben, künftig wählen die Mitglieder zwischen einer Mitgliedschaft ohne und einer mit Tarifbindung. Die Verhandlungen um mehr Lohn für die 54 000 Beschäftigten im Südwesten soll eine neu gegründete Tarifgemeinschaft führen.

Noch vor Beginn der Gespräche macht sich unter den Beschäftigten Unruhe breit. Nach Kündigung der Verträge fürchtet die IG Metall einen Angriff der Arbeitgeber auf geltende Regelungen zu Arbeitszeit und Sonderzahlungen der Mitarbeiter, IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann warnt bereits vor einer "zugespitzten" Tarifrunde: Für Forderungen nach einer Verlängerung der Arbeitszeit habe er "gar kein Verständnis", stellten die Arbeitgeber dies in den Mittelpunkt, "wird es eine harte Tarifrunde werden", sagte Hofmann. Vorrangiges Ziel der IG Metall hingegen ist, die gekündigten Vereinbarungen wieder in Kraft zu setzen sowie eine Gehaltserhöhung für die Beschäftigten zu erreichen. Ihre Forderung gibt die IG Metall heute bekannt, mit fünf bis 5,5 Prozent hat die Gewerkschaft in Nordrhein-Westfalen bereits die Richtung vorgegeben.

Im Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg sieht man die Auswirkungen der Tarifkündigung gelassener. Zwar seien nach dem neuen System mehr als die Hälfte der 4500 Mitgliedsbetriebe im Südwesten nicht mehr tarifgebunden. Größere Unternehmen, die auch die Mehrzahl der Beschäftigten auf sich vereinen, seien jedoch künftig Mitglieder der neuen Tarifgemeinschaft, erklärte Vize-Hauptgeschäftsführer Carsten Beuß. Er zeigt sich überzeugt: "Auf Basis der alten Tarifverträge können wir zu Ergebnissen kommen, ans Weihnachts- und Urlaubsgeld will keiner ran." Aber an die Arbeitszeit: Um länger öffnen und mehr Service bieten zu können, benötige die Branche eine Ausweitung der bisherigen 36-Stunden-Woche, so Beuß. Darüber werde man in der anstehenden Runde reden müssen.

Ein erstes Treffen soll es im Februar geben, ab März können die Gewerkschaften ihre Forderungen theoretisch mit Arbeitsniederlegungen unterstreichen. Vor allem in den Kfz-Werkstätten sieht sich Hofmann bei einem Organisationsgrad von "70 bis 80 Prozent" gut aufgestellt. Für Zündstoff dürfte in den nächsten Wochen nicht nur die Arbeitszeit sorgen: 2007 war für die baden-württembergischen Autohäuser das schlechteste Jahr seit 1994. Der Handel mit Neuwagen ging gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent oder 41 226 Fahrzeuge zurück, der Verkauf von Gebrauchten um acht Prozent. "Dieses Ergebnis ist existenzbedrohend für viele Autohäuser", sagte Harry Brambach, Vizepräsident des baden-württembergischen Kraftfahrzeuggewerbes. Und wie passt in diese Situation die Forderung nach einer mehrprozentigen Gehaltserhöhung? Beuß: "Für die Branche ist das im Prinzip derzeit nicht darstellbar."

Letzte Änderung: 16.04.2008