Häuserkampf gegen Tarifflucht angedroht

IG Metall Aus den Medien

31.01.2008 Stuttgarter Zeitung - 31. Januar 2008 - von Matthias Schiermeyer

IG Metall setzt sich für den Flächentarif im Kfz-Handwerk ein - Spitzengespräch am 7. Februar

Die IG Metall kämpft im Kfz-Handwerk um den Erhalt des Flächentarifs. Zugleich will sie höhere Einkommen durchsetzen. Noch vor Ostern soll es zu Protesten kommen.

Die IG Metall fordert für die 54 000 Beschäftigten im baden-württembergischen Kfz-Handwerk fünf Prozent höhere Löhne. Das hat die 68-köpfige Tarifkommission gestern einstimmig beschlossen. Die Beschäftigten hätten es verdient, nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt zu werden, sagte der Bezirksleiter Jörg Hofmann. Eine harte Konfrontation ist möglich.

Im Kern geht es aber weniger um das Entgelt, sondern eher um die Frage, was die IG Metall vom bestehenden Tarifsystem erhalten kann. Die Delegiertenversammlung des Kfz-Landesinnungsverbandes hatte im April 2007 beschlossen, eine Verbands- und Innungsmitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT) zu ermöglichen. Damit kam sie der Forderung von Betrieben und Innungen nach, ihnen mehr tariflichen Spielraum zu verschaffen. Im November 2007 wurde eine Tarifgemeinschaft gegründet, die künftig die Entgeltverhandlungen führen soll. Die Betriebe können sich der Gemeinschaft anschließen oder Haustarifverträge abschließen.

Der Verband hat im Südwesten 4500 Mitgliedsbetriebe. Deutlich weniger als die Hälfte der Mitglieder dürften in die Tarifgemeinschaft gehen, sagt Carsten Beuss, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer - allerdings mit weit mehr als der Hälfte der Mitarbeiter. Grund: Großbetriebe wie die Hahn-Gruppe würden überwiegend mitmachen, kleinere Werkstätten eher nicht. Wo die IG Metall stark sei, würden die Arbeitgeber wohl in die Tarifgemeinschaft gedrängt.

Die Arbeitgeber haben zudem den Manteltarifvertrag und das Entgeltabkommen zum Ende Februar gekündigt, sodass sich die Verträge von März an in der Nachwirkung befinden. Dann können neue Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen eingestellt werden.

Die Lage ist undurchsichtig: Die IG Metall gibt an, dass sie bisher weder die Struktur der Tarifgemeinschaft noch eine offizielle Führung kenne. Und sie beklagt, dass sich der Landesverband nicht in der Lage sehe, Mitgliederlisten herauszugeben. Verbindliche Aussagen würden verweigert. Weil die Gewerkschaft somit keinen Gegner erkennt, den sie landesweit bekämpfen kann, will sie sich viele der Betriebe einzeln vornehmen, in denen sie Mitglieder betreut. Diese will sie zu einem Bekenntnis zum Flächentarifvertrag zu zwingen. Die Autohäuser und Werkstätten würden "öffentlich gebrandmarkt". Die Kunden sollten merken, welche Automarke mit dem Konflikt in Verbindung stehe. Ein Streik - auch Häuserkampf genannt - sei nicht auszuschließen. Die Gewerkschaft kann sich dabei auf einen hohen Organisationsgrad stützen. 80 Prozent sind demnach üblich, und immer neue Mitstreiter kommen hinzu: Binnen drei Quartalen hatte die IG Metall 1500 Neuaufnahmen zu verzeichnen.

Der Verband verbreitet derweil Gelassenheit. "Die IG Metall macht viel Wind, um Mitglieder zu gewinnen", sagt Carsten Beuss. "Wir haben eine andere Struktur als früher - in der Sache hat sich aus unserer Sicht nichts geändert." Der Gewerkschaft sei die Tarifgemeinschaft, mit der sie künftig "auf Basis der bisherigen Tarifverträge" verhandeln könne, bereits im Dezember vorgestellt worden. Allerdings müsse man "über den einen oder anderen Punkt sprechen". "Eine Erhöhung des Arbeitszeitvolumens in welcher Form auch immer ist unabdingbar", sagt Beuss.

Die 40-Stunden-Woche wäre zwar schön, nun müsse aber ein Kompromiss gefunden werden. Anlass seien die stärkeren Vorgaben der Automobilhersteller für die Betriebsstandards. Beispielsweise müssten die Öffnungszeiten ausgeweitet werden, zudem sei mehr Bürokratie bei den Garantieabwicklungen notwendig. Dies alles koste Zeit. Bisher gilt im Kfz-Handwerk die 36-Stunden-Woche. In einer Ausweitung der Arbeitszeit sieht die IG Metall aber keinen Sinn. Es würden bisher nicht einmal die Instrumente zur Flexibilisierung genutzt, sagt Hofmann. Der Betriebsratsvorsitzende der Daimler-Niederlassung Stuttgart, Robert Bürger, sieht seine Konzernleitung als Treiber der Entwicklung und befürchtet Personalabbau bei längeren Arbeitszeiten.

Am 7. Februar, so kündigt Beuss an, werde es ein Spitzengespräch des Zentralverbandspräsidenten im KfZ-Gewerbe, Robert Rademacher, mit einer IG-Metall-Delegation unter dem Vorsitzenden Berthold Huber "zwecks Vorbereitung der Tarifrunde" geben. "Unsere Intention ist, dass wir danach im kleineren Kreis auch in Baden-Württemberg beraten, wie wir zu Lösungen kommen."

Letzte Änderung: 16.04.2008