Sie nannten ihn nur Willi

Willi Bleicher

27.10.2007 Gedenken an Willi Bleicher - Gewerkschaftschef wäre 100

Südkurier vom 27. Oktober 2007

Als Willi Bleicher, einer der legendären Gewerkschaftsführer der Metaller im Südwesten, am 29. Juni 1981 in Stuttgart beerdigt wurde, ruhte in den meisten Metallbetrieben im Land für eine Minute die Arbeit. Am 23. Juni 1981 war Bleicher, von den Metallern nur "Willi" gerufen, im Alter von 73 Jahren gestorben.

Am 27. Oktober 2007 wäre er 100 Jahre alt geworden. Wie kein anderer hat Bleicher im Südwesten als Bezirksleiter der IG Metall das Tarifgeschehen bestimmt. Die Stuttgarter Abschlüsse, erstreikt mit den straff organisierten Metallern etwa bei Daimler, Porsche, Bosch, Mahle und mehreren großen Autozulieferern, hatten Pilotfunktion für das ganze Bundesgebiet. Von 1959 bis 1972 war Bleicher Chef der baden-württembergischen Metaller, bevor er seine Nachfolge an Franz Steinkühler, seinen Ziehsohn, übergab.

Die Metaller im Südwesten liebten den "Willi", wie sie ihn bei Kundgebungen lauthals anfeuerten. Für die Metaller, die Bleicher persönlich kannten, war er eine Legende. In vielen Betriebsratsbüros hängt heute immer noch sein Foto. Selbst sein schärfster Tarifkontrahent von damals, Hanns Martin Schleyer, schätzte ihn wegen seiner Geradlinigkeit und Integrität.

Bleicher führte die großen Streiks im Südwesten, 1963 und 1971, bei denen die Arbeitgeber auch aussperrten. Als Sohn eines Schlossermeisters in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren, absolvierte Bleicher eine Lehre bei Daimler in Stuttgart-Untertürkheim. 1928 trat er in die Gewerkschaft ein, musste jedoch 1933 wegen seiner Gewerkschaftsarbeit in die Schweiz und nach Frankreich emigrieren.

Ein Jahr später wurde Bleicher bei einem Besuch in Stuttgart verhaftet und später ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Über zehn Jahre saß Bleicher in unmenschlicher KZ-Haft, die seine Gesundheit schwer beeinträchtigte. Erst später wurde bekannt, dass er sein Leben aufs Spiel setzte, als er im Konzentrationslager Buchenwald ein jüdisches Kind über ein Jahr verbarg und ihm somit das Leben rettete. Heute erinnert in Stuttgart die Willi-Bleicher-Straße direkt am Gewerkschaftshaus in der Stadtmitte an den großen Gewerkschaftsführer.

Letzte Änderung: 15.08.2008