IGM strebt schnellen Tarif-Kompromiss an

30.04.2007 Interview mit dem IG Metall Bezirksleiter Jörg Hofmann in der Welt am 29. April 2007 - Das Gespräch führte Philipp Neumann

In der in der Metall- und Elektroindustrie gibt es erste Warnstreiks. Dennoch zeichnet sich im Tarifkonflikt eine schnelle Lösung ab.
IG-Metall-Bezirkschef Jörg Hofmann zeigt sich im Gespräch mit WELT ONLINE zuversichtlich.

WELT ONLINE: Herr Hofmann, Sie haben für die kommende Woche Warnstreiks angekündigt. Ist diese Kraftmeierei notwendig?
Jörg Hofmann: Ohne Warnstreiks passiert ja nichts am Verhandlungstisch. Die Arbeitgeber sind mit ihrem ersten Angebot zügig gestartet. Dann haben sie sich aber nur noch freundlich zurückgelehnt. Wir vermissen deutliche Signale, dass sich die Arbeitgeber auf einen akzeptablen Lösungskorridor zubewegen. Deshalb machen wir jetzt Druck in den Betrieben.

WELT ONLINE: Wie groß wird der Druck ?
Hofmann: Am 2. und 3. Mai wird es Warnstreiks in hoher Intensität geben. Wir planen Aktionen in mehr als 400 Betrieben. Da wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Das ist die intensivste Warnstreikphase, die wir bisher in so kurzer Zeit hatten.

WELT ONLINE: Wie viel Zeit bleibt noch für die Verhandlungen?
Hofmann: Wir wollen den Tarifabschluss in freien Verhandlungen erreichen. Für den 3. Mai haben wir in Baden-Württemberg noch einen Verhandlungstermin eingeplant. Das ist die letzte Chance. Wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir nach dem Beginn von Warnstreiks keine großen Pirouetten drehen. Alles andere würden unsere Mitglieder nicht verstehen.

WELT ONLINE: Und dann gibt es die Urabstimmung und Streik?
Hofmann: Das wäre die Konsequenz. Wir sind auf einen Streik vorbereitet, aber er ist und bleibt die Ultima Ratio.

WELT ONLINE: Was für Signale hätten die Arbeitgeber senden müssen, um Warnstreiks abzuwenden?
Hofmann: Die Arbeitgeber hätten wahrnehmen müssen, was um sie herum passiert: Die abflauende Konjunktur, von der sie die ganze Zeit geredet haben, ist längst ein steiler Aufschwung. Die Aufträge fliegen nur so in die Betriebe, die Produktion ist zum Großteil voll ausgelastet. Viele Betriebe arbeiten rund um die Uhr und die Kollegen machen massenhaft Überstunden. Das kann man nicht ignorieren! Wir sind deshalb von unserer Forderung nach 6,5 Prozent mehr Geld nicht abgerückt. Außerdem hat es in der Zwischenzeit andere Tarifabschlüsse gegeben.

WELT ONLINE: Sie meinen die 4,3 Prozent in der Chemieindustrie und die 3,5 Prozent in der Baubranche. Kann man die mit der Metall- und Elektrobranche vergleichen?
Hofmann: Man kann nicht so tun, als ob es sie nicht gäbe. Wer die Konjunktur in der Chemie- und der Baubranche mit unserer Branche vergleicht, stellt fest dass es uns besser geht. Die 2,5 Prozent, die die Metallarbeitgeber bieten, reichen bei weitem nicht aus.

WELT ONLINE: Die Arbeitgeber bieten doch drei Prozent!
Hofmann: Diese 0,5 Prozent Konjunkturbonus sind für einen Durchschnittsverdiener umgerechnet 200 Euro, die er nur einmal bekommt.

WELT ONLINE: Sind 200 Euro kein Geld?
Hofmann: Natürlich ist das Geld. Aber das ist nicht die Substanz eines Angebotes.

WELT ONLINE: Die Chemieindustrie hat als Substanz eine dauerhafte Lohnerhöhung von 3,6 Prozent vereinbart - plus 0,7 Prozent Konjunkturbonus. Sie wollen vier Prozent, oder?
Hofmann: Wir wollen ein Ergebnis, das unserer Forderung möglichste nahe kommt. Ich nenne aber jetzt keine Zahl.

WELT ONLINE: Die Arbeitgeber werfen Ihnen vor, sich nicht zu bewegen. Hofmann: Der Vorwurf wäre berechtigt, wenn wir unsere Forderung nach unten korrigieren müssten, weil sich die harten Faken der Ökonomie gegen uns entwickelt hätten. Das Gegenteil ist der Fall.

WELT ONLINE: Aber geht man in Verhandlungen nicht aufeinander zu? Hofmann: Ja, aber der Abstand zwischen 2,5 und 6,5 Prozent war letzten Donnerstag noch zu groß.

WELT ONLINE: Noch einmal: Welches Kompromisssignal senden Sie an die Arbeitgeber?
Hofmann: Jede Verhandlung ist ein Zeichen von Kompromissbereitschaft. Sonst müssten wir uns gar nicht erst an den Tisch setzen.

WELT ONLINE: Das reicht aus?
Hofmann: Nein. Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser muss endlich seine Aussage zurücknehmen, dass der jetzige Tarifabschluss nicht höher sein darf als der von 2006. Die Arbeitgeber müssen die konjunkturelle Realitiät erkennen.

WELT ONLINE: Den Konjunkturbonus von 0,5 Prozent akzeptieren Sie? Hofmann: Nein! Eine Einmalzahlung geht in Ordnung - zum Beispiel zur Überbrückung von Nullmonaten. Aber nur als Sahnehäubchen auf eine anständige Tabellenerhöhungen oben drauf. Aber bevor wir über die Sahne reden, müssen wir uns erst über den Kuchen, also die dauerhafte Lohnerhöhung einig werden.

WELT ONLINE: Was wird aus dem Vorschlag der Arbeitgeber, das Weihnachtsgeld variabel zu gestalten?
Hofmann: Ich habe den Eindruck, die andere Seite will sich da nicht weiter verkämpfen. Wir haben den Vorschlag immer abgelehnt, da er nur zu weiterer Absenkung von tariflichen Mindestansprüchen führt. Das ist kein gangbarer Weg.

WELT ONLINE: Wie lang soll der Tarifvertrag laufen? Zwei Jahre? Hofmann: Über die Laufzeit haben wir in den Verhandlungen schon nachgedacht, vielleicht bringt das ja jetzt die Lösung. Zwei Jahre Laufzeit sind unwahrscheinlich. Dann würde der Vertrag bis ins Jahr 2009 hineinreichen, das ist für beide ein zu hohes Risiko. Wir können uns aber über eine Laufzeit von unter 19 Monaten unterhalten. Dann ergäben sich 2008 noch Korrekturmöglichkeiten. Das Volumen des Abschlusses wird aber umso höher, je länger die Laufzeit wird.

WELT ONLINE: Man könnte den Abschluss in zwei Stufen teilen.
Hofmann: Die Arbeitgeber haben ja schon bei unserer Forderung von 6,5 Prozent für zwölf Monate kalte Füße bekommen. Einen Abschluss von beispielsweise 18 Monaten muss man deshalb - so denke ich - in zwei Zahlen teilen.

WELT ONLINE: Welcher Tarifbezirk wird den Abschluss machen?
Hofmann: Wir in Baden-Württemberg suchen am 3. Mai nach einer letzten Lösung in freien Verhandlungen, und ich glaube, wir können sie finden. Herr Kannegiesser hat ja inzwischen auch aus seiner Sicht begründet, weshalb er den 3. Mai für entscheidend ansieht.

WELT ONLINE: Was bedeutet diese Planung für die Vorstandswahlen der IG Metall im November? Niedersachsens Bezirkschef Hartmut Meine könnte nach einem Abschluss Vizevorsitzender werden wollen. H
Hofmann: Da besteht kein Zusammenhang. Unsere Leute trennen ganz klar zwischen Tarif- und Personalpolitik.

Jörg Hofmann ist IG-Metall-Bezirkschef von Baden-Würtemberg

Letzte Änderung: 20.11.2007