Es wird massiv werden

27.04.2007 Interview mit dem IG Metall Bezirksleiter Jörg Hofmann im Handelsblatt am 26. April 2007 - Jörg Hofmann über Streiks und tarifpolitische Stellschrauben - Das Gespräch führte Dietrich Creutzburg

Herr Hofmann, freut sich die IG Metall darauf, ab dem Wochenende endlich streiken zu dürfen?

Ich würde mich freuen, wenn wir sehr zügig ein Ergebnis bekommen, das der Erwartungshaltung unserer Mitglieder entspricht. Mein Ehrgeiz als Verhandlungsführer ist es nicht, primär Warnstreiks zu führen, sondern ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Es sieht aber so aus, als sei für die IG Metall eine Tarifpolitik ohne Streiks praktisch undenkbar.

Den Eindruck haben Sie, weil die Arbeitgeber offenbar Warnstreiks brauchen, um sich zu bewegen. Warnstreiks und Streiks eröffnen den Arbeitnehmern oft erst die Chance, mit den Arbeitgebern auf Augenhöhe zu verhandeln.

Heute wird verhandelt. Ist noch eine friedliche Einigung möglich?

Ich sehe das nicht. Zwar lese ich in Ihrer Zeitung, dass Gesamtmetall "auf den Punkt kommen" will. Aber ich sehe immer noch nicht, wann und wie die Arbeitgeberseite ein neues Angebot vorlegt.

Gesamtmetall will über alle wichtigen Stellschrauben reden, wenn sich nur auch die IG Metall einmal etwas bewegt. Ist das nichts?

Unser Arbeitgeberverband Südwestmetall hat angekündigt, dass er uns auch in dieser Verhandlungsrunde keine neuen Zahlen vorlegen will.

Immerhin haben die Arbeitgeber längst einen Lösungsvorschlag vorgelegt. Von der IG Metall hört man nur die Zahl 6,5 Prozent. Ist das Kompromissbereitschaft?

Zunächst einmal bringt diese Forderung die Erwartungshaltung unserer Mitglieder zum Ausdruck. Außerdem haben wir uns in den vergangenen drei Verhandlungsrunden ja nicht untätig mit den Arbeitgebern gegenüber gesessen...

...sondern?

Wir haben etwa über Fragen älter werdender Belegschaften gesprochen, auch über Differenzierungsmodelle für einen möglichen Tarifabschluss und über etliche weitere Punkte. Wir haben vieles vorgeklärt, auf das sich nun aufbauen lässt, wenn es in der entscheidenden Phase der Tarifrunde um die eigentliche Geldfrage geht.

Sie sprechen über Differenzierungen? Welche Möglichkeiten sehen Sie denn da - etwa ein variables Weihnachtsgeld?

Nein. Ich denke, wir haben den Arbeitgebern deutlich gemacht: Der Ansatz wirft viel zu viele Fragen auf, als dass er eine Lösung bietet. Immerhin haben viele Betriebe schon heute ertragsabhängige Vergütungen. Die würden aber nach dem Arbeitgebermodell verrechnet. Faktisch würde damit nur der Mindestanspruch der Beschäftigten auf die Sonderzahlung gesenkt - ohne Gegenleistung. Dass eine neue Schwankungsbreite beim Weihnachtsgeld in der Praxis auch für zusätzliche Abweichungen nach oben genutzt würde, scheint mir unglaubwürdig.

Und was dann?

Die entscheidende Frage bleibt, welche tabellenwirksame Zahl im Ergebnis steht. Dabei ist die Laufzeit des Tarifvertrags sicher eine Stellschraube. Wir müssen zudem klären, welche Rolle eine Einmalzahlung spielen soll. Ich sage: Aus unserer Sicht haben Einmalzahlungen nur ergänzende Funktion, sie sind kein eigenes Strukturelement der Lohnpolitik.

Wollen Sie etwa hinter das im Jahr 2006 vereinbarte Modell der variablen Einmalzahlung zurückfallen?

Gesamtmetall will davon weg und die Einmalzahlung als "Konjunkturbonus" definieren, der maßgebliche Teile der Produktivitäts- und Inflationsentwicklung abdeckt. So einen Paradigmenwechsel können wir nicht akzeptieren.

Letztlich brauchen Sie eine Vier vor dem Komma. Falsch?

Die Chemie-Tarifparteien haben mit 4,3 Prozent auf 14 Monate eine Marke gesetzt, die wir natürlich zur Kenntnis nehmen. Maßstab ist für uns aber das Urteil unserer Tarifkommissionen. Die Erwartungshaltung ist hoch.

Wie viele Metaller werden in den nächsten Tagen streiken?

Ich sage nur: Es wird massiv werden, und nach dem 1. Mai noch massiver.

Und wann gibt es den Abschluss?

Ich glaube aus heutiger Sicht, dass wir nach dieser Woche nicht mehr als eine weitere Verhandlungsrunde brauchen. Steht dann noch immer kein Ergebnis, stehen die Zeichen auf Urabstimmung und Streik.

Letzte Änderung: 20.11.2007