Renten-Proteste zeigen Wirkung

31.01.2007 Interview mit Jörg Hofmann in der Frankfurter Rundschau am 29. Januar 2007

Frankfurter Rundschau: Herr Hofmann, die Arbeitgeber halten Ihre Aktionen gegen die Rente mit 67 für rechtswidrige, politische Streiks. Die Teilnahme könne arbeitsrechtliche Folgen haben. Riskieren die Leute eine Abmahnung oder Schlimmeres, wenn sie protestieren?

Jörg Hofmann: Die Beschäftigen nehmen ihr demokratisches Recht wahr, sich an der gesellschaftlichen Debatte zu beteiligen - nicht mehr und nicht weniger.

FR: Die Leute demonstrieren aber während der Arbeitszeit. Ist das in Ordnung?

Hofmann: Demokratie fängt doch nicht erst am Schichtende an. Wir setzen keine Regeln außer Kraft. Im Übrigen rate ich den Arbeitgeberverbänden, kein Öl ins Feuer zu gießen. Die Stimmung in vielen Betrieben ist sowieso schon aufgeheizt.

FR: Wagen Sie doch mal einen Blick in die Zukunft: Was wird die IG Metall mit den Aktionen gegen die Rentenpolitik erreichen?

Hofmann: Konkrete Veränderungen. Ich hoffe, dass endlich diejenigen Arbeitgeber aus der Deckung kommen, die ebenso wie wir überzeugt sind, dass auch künftig ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Berufsleben möglich sein muss. Und was die Politik betrifft: Ich denke, dass immer noch die Chance besteht, die Regierungspläne zu ändern - insbesondere was die Ausstiegsmodelle angeht.

FR: Gibt es Signale, dass die Koalition an der geförderten Altersteilzeit festhält?

Hofmann: Einige Koalitionspolitiker haben inzwischen eingesehen, dass wir auch in Zukunft Ausstiegsmodelle brauchen. Unsere Rentenproteste zeigen also bereits erste Wirkung. Konkrete Vorschläge der Fraktionen oder der Koalition gibt es aber noch nicht. Deshalb müssen wir mit unseren Aktionen deutlich machen, dass die Rentenpläne für Beschäftigte unerträglich sind.

FR:Warum lehnen Sie ein höheres Rentenalter so kategorisch ab?

Hofmann: In der Metall- und Elektroindustrie arbeiten viele Menschen in der Montage, sie stehen am Fließband, haben scharfe Leistungsvorgaben und sind im Schichtdienst. Es ist undenkbar, dass jemand diese Arbeit bis 67 durchhält. Das derzeitige durchschnittliche Rentenzugangsalter der Branche liegt übrigens bei unter 60 Jahren.

FR: Wieso kämpft die IG Metall nicht für bessere Arbeitsbedingungen?

Hofmann: Das tun wir doch. In der Tarifrunde 2001 haben wir das Thema mit den Arbeitgebern rauf und runter diskutiert. Wir wollten, dass jeder Fließbandarbeiter nach ein paar Jahren Anspruch auf einen höherwertigen Arbeitsplatz und entsprechende Qualifizierung erhält. Wir sind dabei auf erbitterten Widerstand der Arbeitgeber gestoßen. Deswegen konnten wir nur eine weiche Formulierung durchsetzen: Fließbandarbeiter sind bei gleicher Eignung vorrangig zu berücksichtigen, wenn ein höherwertiger Job zu besetzen ist. Letztes Jahr haben wir für den Erhalt von Erholzeiten und Mindesttaktzeiten gekämpft. "Gute Arbeit" ist längst Markenzeichen der Tarifpolitik im Südwesten. Doch vom altersgerechten Arbeiten sind wir noch weit entfernt. Dagegen steht bis heute der Widerstand der Arbeitgeber.

FR: Sie planen auch in dieser Woche Proteste gegen die Rente mit 67. Stimmt es, dass Sie allein in Baden-Württemberg mit mehreren zehntausend Teilnehmern rechnen?

Hofmann: Ja, auf jeden Fall. Wir haben über 20 Kundgebungen außerhalb der Betriebe und weitere Aktionen in über 100 Firmen.

FR: Die SPD wirft Ihnen vor, einer ernsthaften Debatte aus dem Weg zu gehen...

Hofmann:Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben Abgeordnete aller Parteien zu Diskussionen eingeladen, manche sind gekommen, andere haben leider abgesagt.

FR: Zur Tarifrunde: Am 6. Februar verkündet der IG-Metall-Vorstand seine Forderungsempfehlung. Geht es nur noch darum, ob er 6,5 oder sieben Prozent mehr verlangt?

Hofmann: Zunächst einmal scheint es mir sinnvoll, eine konkrete Zahl zu nennen. Und wenn ich mir die Debatten in den Tarifkommissionen in Baden-Württemberg und anderen Bezirken anschaue, dann liegen alle um 6,5 Prozent. Aber diese Frage ist keine Zahlenarithmetik, sondern eine politische Entscheidung. Und diese liegt nun beim Vorstand.

FR: Die Arbeitgeber im Südwesten schlagen einen zweigeteilten Tarifabschluss vor: Eine moderate, dauerhafte Lohnerhöhung und einen Konjunkturbonus nur für die Laufzeit des Vertrags ...

Hofmann: Da werden doch die Leute verschaukelt. Die deutsche Wirtschaft wächst nominal jedes Jahr, mal mehr, mal weniger. Und deswegen müssen auch die Löhne jedes Jahr steigen. Ein Konjunkturbonus bedeutet: Die Leute kriegen das Geld für eine bestimmte Zeit, und dann wird es ihnen wieder weggenommen. Angenommen, wir hätten das Arbeitgebermodell in den letzten 15 Jahren umgesetzt: In guten Jahren wird die Hälfte der Lohnerhöhung dauerhaft gezahlt, die andere Hälfte nur während der Laufzeit des jeweiligen Tarifvertrags. Dann würden die Leute heute real weniger verdienen als vor 15 Jahren. Auf dieses Spiel werden wir uns nicht einlassen.

Interview: Eva Roth

Letzte Änderung: 20.11.2007