Forschende Medienarbeit mit Jugendlichen Ansätze für einen subjektwissenschaftlichen Umgang mit Medien in der Jugendarbeit
Martin Allespach & Josef Held

Jugendforschung und praktische Medienarbeit mit Jugendlichen haben bisher wenig miteinander zu tun. Die institutionelle Trennung von Forschung und Praxis ist auch hier weitgehend durchgesetzt. Unsere These ist, dass die Verbindung von qualitativer Jugendforschung und praktischer Medienarbeit für beide Teile Vorteile bietet und neue Möglichkeiten eröffnet. Wie lassen sich aber Jugcndforschung und Medienarbeit miteinander verbinden'?


Eine indirekte Verbindung besteht darin, dass Jugendmedienforscher die Eigenproduktionen von Kindern und Jugendlichen analysieren und über die Medienprodukte Erkenntnisse über Jugendliche gewinnen. Es ist sicher nötig, dass die Forschung die vielen Eigenproduktionen, die z.B. auf Wettbewerben und Medien-Festivals repräsentativ zu besichtigen sind, zur Kenntnis nimmt. Eine Analyse von solchen Medienprodukten Jugendlicher kann medienkulturelle Trends ermitteln, sie kann aber nur bedingt Aussagen über die ProduzentenInnen machen, wenn deren lebensweltliche Hintergründe und Problemlagen, ihre Absichten und Perspektiven nur aus ihrem Medienprodukt erschlossen werden können. Die mittelbare Beziehung zwischen Jugendforschung und praktischer Medienarbeit muss deshalb durch eine unmittelbare Beziehung ergänzt werden, wenn man zur Kindheits- und Jugendforschung tragfähige Ergebnisse beisteuern will.

Eine unmittelbare Beziehung ist dann hergestellt, wenn die Jugcndforscherlnnen selbst zusammen mit Jugendlichen Medienprojekte durchführen und diese wissenschaftlich begleiten. Wesentlich scheint hierfür dass sich die ForscherInnen zwar am Prozess beteiligen, jedoch inhaltlich weitgehend zurückhalten. Die Jugendlichen erstellen ein Medienprodukt, die ForscherInnen unterstützen sie in der Rolle der MedienpädagogInnen Qualitative teilnehmende Beobachtung stellt dabei die angemessene Forschungsmethode dar. Dieses Verfahren wurde von Helga Theunert und Bernd Schorb - an Hand eines Projekts zum Thema Selbstbilder Jugendlicher - schon 1989 vorgestellt und ausführlich wissenschaftlich begründet ((Theunert/ Schorb 1989). Inzwischen gibt es eine Reihe erfolgreicher Beispiele hierzu.' Dabei wurde dieser Ansatz »forschender Medienarbeit« theoretisch und methodisch differenziert.


Die Ludwigsburger Forschungsgruppe hat diesen Weg erfolgreich eingeschlagen (vgl. Niesyto 1991). Auch wir haben ein entsprechendes Projekt durchgeführt Held 1994, 261-311).

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Wenn man in der Medienarbeit Forschung betreiben will, kommt es darauf an, dass die jungen Medienproduzenten, mit denen man forscht, sich authentisch als Subjekte einbringen können. Von erfolgreicher Medienpädagogik kann man man nur dann sprechen, wenn sich die Beteiligten im Prozess verändern oder zumindest neue Einsichten gewinnen. Lernprozesse gehören also zur medienpädagogischen Arbeit dazu. Gut erforschbar ist in Medienprojekten, wie Jugendliche sich die Welt aneignen.

Wir griffen für das Konzept der >>forschenden Medienarbeit« auf subjektwissenschaftliche Grundlagen zurück, die der Berliner Psychologe Klaus Holzkamp in Auseinandersetzung mit dem Lernbegriff entwickelt hat (vgl. Holzkamp 1993).) Die subjektive Notwendigkeit des Lernens entsteht danach _in Problemsituationen, in denen das Subjekt einerseits »gute Gründe« hat, auf eine bestimmte Weise zu handeln, andererseits aber die Problemsituation so nicht zu bewältigen vermag." Ders. S. l 82). Wenn Schwierigkeiten im primären Handlungsablauf nicht durch Ausführungshandeln überwunden werden können, hat das Subjekt einen Grund eine "Lernschleife" einzufügen, d.h. durch eine vorgeschaltete Lernhandlung die Bezugshandlung zu ermöglichen. Auf diese Weise erweitert es seinen Weltbezug.

In subjektwissenschaftlicher Perspektive geht es beim Lernen allgemein - also auch beim Lernen mit Medien - darum, die Voraussetzungen für die Ausgliederung einer gemeinsamen Lernproblematik zu schaffen, so dass die Lernenden im eigenen Interesse selbstbestimmt lernen, ihre Handlungsmöglichkeiten erweitern und damit ihre Lebensqualität erhöhen können. Lernen richtet sich demnach an den inhaltlichen Bedeutungsstrukturen aus, die in übergeordneten Bezugshandlungen umgesetzt werden und eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten implizieren (expansives Lernen). Die Schwierigkeiten und Anstrengungen des Lernens werden übernommen, wenn man im Fortgang (les Lernprozesses Aufschluss über reale Bedeutungszusammenhänge gewinnen und damit IIandlungsmöglichkeiten erreichen kann, durch welche gleichzeitig eine Entfaltung der eigenen Lebensqualität zu erwarten ist.

In einem so verstandenen subjektiven / iintersubjektiven Lernprozess steht nicht mehr die vermittelnde, interpretierende, bewertende besserwissende und -könnende Person zwischen dem Lernsubjekt und dem Lerngegenstand, sondern das Lernsubjekt sieht sich quasi in einem offenen Feld Handlungs- und Lernmöglichkeiten gegenüber, wobei zur Überwindung von gemeinsamen (als gemeinsam definierten) Lernproblematiken die Anstrengungen gebündelt und damit potenziert werden können.

Der I-landlungsprozess wird in diesem Ansatz primär gesetzt und der/die Handelnde entscheidet jeweils selbst, ob und was es für ihn/sie zu lernen gibt. Nach diesem Ansatz kann der Forscher/Medienpädagoge keine Handlungs- und Lernziclc setzen bzw. den Jugendlichen vorsetzen, allerdings sollte er sich an dein Handlungs- und Lernprozess der Jugendlichen unterstützend beteiligen. Auch Forscher/Medienpädagogen sind Subjekte und keine passiven Erfüllungsgehilfen; deshalb ist für diese Art von kooperativer Medienarbeit streng genommen eine Intersubjektivitätsbeziehung konstitutiv.

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1.1 Forschende Medienarbeit in subjektwissenschaftlicher Perspektive

Wenn man in der Medienarbeit Forschung betreiben will, kommt es darauf an, dass die jungen Medienproduzenten, mit denen man forscht, sich authentisch als Subjekte einbringen können. Von erfolgreicher Medienpädagogik kann man man nur dann sprechen, wenn sich die Beteiligten im Prozess verändern oder zumindest neue Einsichten gewinnen. Lernprozesse gehören also zur mcdicnpädagogischcii Arbeit dazu. Gut erforschbar ist in Medienprojekten, wie Jugendliche sich die Welt aneignen.

Wir grillen liirdas Konzept der»forscltenden Mcclicnarbcit« aufsubjcktwisscnschaftliche Grundlagen zurück, die der Berliner Psychologe Klaus Holzkamp in Auscinandcrsctzung mit dem Lernbcgriff entwickelt hat (vgl. Holzkamp 1993).Die subjektive Notwendigkeit des Lernens entsteht danach _in Problemsituationcn, in denen das Subjekt einerseits »gute Gründe« hat, auf eine bestimmte Weise zu handeln, andererseits aber die Problemsituation so nicht zu bewältigen vermag." Ders. S.182). Wenn Schwierigkeiten im primären Handlungsablauf nicht durch Ausführungshandeln überwunden werden können, hat das Subjekt einen Grund, eine "Lernschleife" einzufügen, d.h. durch eine vorgeschaltete Lcrnhandlung die Bezugshandlung zu ermöglichen. Auf diese Weise erweitert es seinen Weltbezug.

In subjektwissenschaftlicher Perspektive geht es beim Lernen allgemein - also auch beim Lernen mit Medien - darum, die Voraussetzungen für die Ausglicdcrung einer gemeinsamen Lernproblematik zu schaffen, so dass die Lernenden im eigenen Interesse selbstbestimmt lernen, ihre Handlungsmöglichkeiten erweitern und damit ihre Lebensqualität erhöhen können. Lernen richtet sich demnach an den inhaltlichen Bedeutungsstrukturen aus, die in übergeordneten Bezugshandlungen umgesetzt werden und eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten implizieren (expansives Lernen). Die Schwierigkeiten und Anstrengungen des Lernens werden übernommen, wenn man im Fortgang des Lernprozesses Aulschluss über reale Bedeutungszusammenhänge gewinnen und damit Ifandlungsmöglichkeitcn erreichen kann, durch welche gleichzeitig eine Entfaltung der eigenen Lebensqualität zu erwarten ist.

In einem so verstandenen subjektiven / intersubjektiven Lernprozess steht nicht mehr die vermittelnde, interpretierende, bewertende besserwissende und -könncndc Person zwischen dem Lernsubjekt und dein Lerngegenstand, sondern das Lernsubjekt sieht sich quasi in einem offenen Feld Handlungs- und Lernmöglichkeiten gegenüber, wobei zur Überwindung von gemeinsamen (als gemeinsam definierten) Lernproblematiken die Anstrengungen gebündelt und damit potenziert werden können.

Der Handlungsprozess wird in diesem Ansatz primär gesetzt und der/die Handelnde entscheidet jeweils selbst, ob und was es für ihn/sie zu lernen gibt. Nach diesem Ansatz kann der Forscher/Medienpädagoge keine Handlungs- und Lernziele setzen bzw. den Jugendlichen vorsetzen, allerdings sollte er sich an dein Handlungs- und Lernprozess der Jugendlichen unterstützend beteiligen. Auch Forscher/Medienpädagogen sind Subjekte und keine passiven ErfUllungsgehilfen; deshalb ist für diese Art von kooperativer Medienarbeit streng genommen eine Intersubjektivitätsbeziehung konstitutiv.

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Der/die Forscher/in drängt den Jugendlichen nichts auf und spielt sich nicht in den Vordergrund, aber er/sie bringt sich auch als Person mit ein. Die Jugendlichen nehmen in dieser Konzeption die Rolle von Mitforschern ein.

Für Albert Schert- besteht die zentrale Aufgabe einer subjektorientierten Jugendarbeit darin, Heranwachsende im Prozess ihrer Subjektwerdung zu unterstützen, d.h. Jugendlichen dabei zu helfen, ein selbstbewussteres und selbstbestimmteres Leben zu führen, als es ohne die Teilhabe an der Praxis der Jugendarbeit möglich wäre. _Jeder Einzelne ist demnach dazu berechtigt und soll dazu befähigt werden, ihr/sein Leben auf der Grundlage einer bewussten Auseinandersetzung mit den vorgegebenen gesell- schaftlichen Lebensbedingungen selbst bewusst zu gestalten." (Scherr, 1997, 46)

Damit ist ein Subjektbegriff begründet, der einerseits auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse explizit Bezug nimmt, andererseits aber die Subjekte nicht als das Produkt ihrer äußeren Bedingungen ansieht. "Subjektwerdung meint deshalb nicht die Ersetzung vollständiger Abhängigkeit durch vollständige Autonomie, sondern die lebensgeschichtliche Erweiterung der Spielräume selbstbewussten und selbstbestimmten Handelns in sozialen Beziehungen. Von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmungsfähigkeit ist als Kompetenzen zu reden, die von in gesellschaftlichen Zusammenhängen lebenden und auf diese angewiesenen Individuen realisiert werden. Subjektivität ist so betrachtet konstitutiv soziale Subjektivität." (Ebenda, S. 49)

Selbstbestimmung verweist auf die Möglichkeit der aktiven gesellschaftlichen Mitgestaltung. Bezogen auf Jugendliche kommt es darauf an, welche politischen Lernprozesse und Partizipationschancen den Jugendlichen, insbesondere in den alltäglichen Lebenszusammenhängen von Schule, Jugendarbeit und Berufsausbildung zur Verfügung sichert. Bezogen auf den Umgang mit Mcdicn heißt dies in der Lage zu sein. _über Sprachen und Medien verfügen zu können, in denen Erlebnisse, Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen artikuliert werden können, nicht nur Konsument der Angebote der Kulturindustrie zu sein, sondern Kultur aktiv mitzugestalten" (Ebenda, S. 58).


1.2. Prinzipien für eine methodische Differenzierung

Für den subjektorientierten Umgang mit Medien in der Jugendarbeit und für eine forschende Medienarbeit entwickelten wir fünf Prinzipien, die die konkrete Arbeit anleiten sollen.

I. Prinzip der Interessenorientierung (Interessenklärung als vordringliche Aufgabe) z. Inhaltsorientierung statt Technikorientierung (Zweck-Mittel-Orientierung) 3. Erweiterung des Weltbezugs (Erweiterung innerer und äußerer Erfahrung) 4. Handlungs- und Interaktionsorientierung

5. Entwicklungsorientierung

1. Prinzip der Interessenorientierung

Voraussetzung einer Interessenorientierung ist in einem Medienprojekt ein längerer Prozess der Interessenklärung, bei dem Jugendliche erfahren, dass und wie sie Medi

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en für ihre Interessen und im Sinne der Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten/ Lebensverfügung nutzen können. Dieser Prozess darf aber nicht als ein individualistischer fehlinterpretiert werden. Das Abklären der jeweiligen Interessen und das Verständigen auf gemeinsame Ziele, Themen und eine gemeinsame Vorgehensweise setzt intersubjektive Kooperation voraus. Die Erweiterung der Handlungsfähigkeit ist in arbeitsteiligen Gesellschaften nur kooperativ zu erreichen. .

Beim Prozess der Interessenklärung ist zu berücksichtigen, dass es beim Umgang mit Aktivmedien wesentliche Unterschiede bezogen auf Alter, Geschlecht und Bildungsstand gibt (vgl. Theunert, 1991). Die möglicherweise unterschiedlichen Voraussetzungen und Erfahrungsebenen - im Sinnc personaler Situiertheit - fließen als Ausgangslage in den Prozess der Interessenklärung ein. Die Herstellung eigener Medienprodukte dient somit auch der Artikulation eigener Bedürfnisse und Interessen.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die jugendlichen Medienproduzenten, sondern auch die Forscher/Medienpädagogen ihre eigenen Interessen und Ziele haben, und dass diese transparent gemacht und verhandelt werden müssen.

z. Primat der Inhalte vor der Technik

Aus der Interessenorientierung ergibt sich, dass das gemeinsam bestimmte inhaltliche Problem / Thema im Vordergrund steht. Medien sollen bei der Bearbeitung der Thematik untcrstützen. Medien und Technik haben Werkzeugcharakter.

Gleichwohl hat die Arbeit mit Medien einen dreifachen Inhaltsbezug: (1) das gewählte Thema, (2) die Beherrschung der technischen Geräte und (3) die Thematisierung von persönlichen und gesellschaftlichen Chancen und Risiken dieser Medien. Die notwendige Medienkompetenz geht demnach nicht allein in der "Beherrschung" der Technik auf (vgl. Schell u.a.. 1999).


3. Erweiterung des Weltbezugs

Medienarbeit soll nicht eine isolierte Fähigkeit (z.B. die kognitivc) fördern, sondern die ganze Person mit ihren vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten und Aneignungsmodalität ten (kognitive, emotionale, soziale und ästhetische) und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung des Weltbezugs leisten. Im Einzelnen heißt das:


· Das Verstehen der jeweiligen Mediensprache im Sinne von literacy und visual litcracy. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Symbolsysteme zu entschlüsseln und zu deuten.

Möglichkeiten zur Kooperation und Kommunikation. Allerdings setzt das Herstellen einer kommunikativen Atmosphäre, in der Jugendliche sich kennen lernen, sich und ihren Alltag einbringen können, pädagogisches Zutun voraus.

O Ein situiertes Arrangement setzt an dem emotionalen Involviertsein in ein Geschehen an. Mit der Kontextualisierung der Inhalte, d.h. ihre Umsetzung in realistische, komplexe Situationen, erschließt sich für die Subjekte der Bezug zu ihrer Alltagserfahrung.

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Ein kreativer Umgang mit Medien. Durch visuelle Medien eröffnen sich neue Ausdrucksmöglichkeiten jenseits der diskursiven Sprache. Nach unserer Beobachtung suchen Jugendliche primär nach stimmigen Bildern und nicht nach Worten. In vielen Eigenproduktionen fehlen sprachliche Äusserungen fast vollständig. Interessant ist, dass trotzdem ein Diskussionsprozess über die Gestaltung abläuft, der sich aber auf die Bildauswahl und Bildgestaltung beschränkt. Die Kommunikation erfolgt sozusagen über eine Bildersprache. Das lässt sich vor allem bei verbal nicht elaborierten Jugendlichen beobachten. Neue Einsichten werden oft nicht nur in der diskursiven Auseinandersetzung gewonnen, sondern auch in der Auseinandersetzung mit den Bildideen selbst. Jugendliche zeigen oft auch eine ausgeprägte Abneigung gegen argumentativ geprägte Lernformen.

J Kritische Medienanalyse als Bestandteil aktiver Medienarbeit. Forschende Medienarbeit erschöpft sich nicht in teilnehmender Beobachtung beim kreativen Herstellen von Medienprodukten. Vielmehr verweist das Bedürfnis nach eigenen Medien teilweise auf die Unzufriedenheit mit den üblichen Medienangeboten. Analyse und Kritik von Medienprodukten, Medieninstitutionen und der eigenen Rezeptionssituation im gegebenen gesellschaftlichen Rahmen liegt deshalb nahe und auch das erweitert den Weltbezug. Mediale Eigenproduktionen können in diesem Zusammenhang auch für eine emanzipatorische Öffentlichkeitsarbeit und zur öffentlichen Artikulation eigener Bedürfnisse und Interessen, gegen zunehmende Fremdbestimmung des Alltags genutzt werden.


4. Handlungs- und Interaktionsorientierung

Der Mensch ist nicht - wie in behavioristischen Modellen angenommen - von der Umwelt kontrolliert und gesteuert, sondern ist von sich aus aktiv. Es geht also in der Medienarbeit nicht nur darum, Reize oder Konsequenzen von außen zu managen und zu arrangieren, sondern vorausschauend eigenständige, innengesteuerte Handlungskonzepte oder -plänc zu ermöglichen. Die Arbeit mit Medien soll eine selbstbestimmte, aktiv handelnde Auseinandersetzung der Subjekte mit den jeweiligen Inhalten ermöglichen. Kinder und Jugendliche beteiligen sich im Allgemeinen an Medienprojekten, weil sie etwas machen wollen und nicht, weil sie etwas lernen wollen. Das Prinzip Handlungsorientierung impliziert, dass die Arbeit mit Medien für gegenwärtiges und zukünftiges Handeln bedeutsam sein soll, d.h. zu aktiven Problemlöse-, Entscheidungs-, Beurteilungs- und Gestaltungsprozessen führt. Erst in der Verfolgung des Handlungsziels kann ein Lernziel hinzutreten. _Aktive Medienverwendung unterstützt alle Arten selbständiger Lernarbeit. Ihre erfolgreichste Form ist die der Projektarbeit." (Fischer 1996, S.21).

Für die Projektarbeit sind soziale Interaktion und Kooperation konstitutiv. Die Auseinandersetzung der Beteiligten miteinander stellt eine _soziale Entwicklungssituation" dar, die das Lernen wesentlich fördert. _Erst unter dem Druck von Diskussionen, von Einwänden beginnt das Kind (und auch der Jugendliche J.H.) seinen Gedanken anderen gegenüber zu rechtfertigen und damit das eigene Denken zu beobachten, das heißt

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mit Hilfe der Introspektion nach den Motiven zu suchen, von denen es sich leiten lässt, nach der Richtung, die es verfolgt. Wenn das Kind anfängt, den eigenen Gedanken gegenüber anderen zu bekräftigen, beginnt es, ihn auch sich selbst gegenüber zu bekräftigen. Im Prozess der Anpassung an andere erkennt es sich selbst:' (Wygotski 1987, S.43 1).

5. Prinzip der Entwicklungsorientierung

Tulodziecki (1997) bezeichnet Entwicklungsorientierung als übergeordnete Aufgabe der Medienpädagogik. Ein solcher Anspruch muss auch für ein Konzept subjektorientierter Medienpädagogik konstitutiv sein. Das setzt die Förderung der intellektuellen und sozialmoralischen Entwicklung im Rahmen medienrelevanter Erfahrungen voraus. Unserer Ansicht nach könnte in diesem Zusammenhang auch das entwicklungspsychologische Konzept der .,Zone der nächsten Entwicklung von Lew Wygotski (vgl. 1987, S.801) einen interessanten Ansatz darstellen. Verbunden mit dem Anspruch, Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten bei der Arbeit mit Medien explizit zu berücksichtigen (siehe oben), eröffnen sich aus der Wygotski-Perspektive Chancen für die Initiierung sozialer Entwicklungsprozesse. Kooperation in Medienprojekten stellt einen sozialen Lernzusammenhang dar, der eine eigene Qualität hat. Die Gruppe schafft etwas, wozu der Einzelne alleine (noch) nicht in der Lage wäre. Erst durch Interiorisierung eignet sich der Einzelne das für ihn Passende an. Gerade die Unterschiedlichkeit der Kompetenzen in der Gruppe fördert das Lernen. Jede(r) lernt dabei jeweils etwas anderes und auf andere Art. Lernen ist hier die Voraussetzung für die personale Entwicklung (vgl. Held 1997).


2, Professionalität als Problem

Wenn man in der beschriebenen Weise die forschende Medienarbeit subjektwissenschaftlich und methodisch zu qualifizieren versucht, stößt man in der Praxis schnell an Grenzen. In unserer Projektarbeit zeigten sich schnell die Grenzen einer Medienarheil, die sich auf die Beziehung Jugendlihe/medienpädagogisch Forscher beschränkt. Die aktive Arbeit mit den Medien und ihren vielfachen multimedialen Verknüpfungsmöglichkeiten stellen heute eine sehr komplexe Aufgabe dar und auch die Ansprüche an die Medienprodukte sind gestiegen. Diesen Anforderungen kann man mit dem beschriebenen medienpädagogischen Setting kaum mehr gerecht werden. Schon die gleichzeitige Konzentration auf die inhaltlich-konzeptionelle Arbeit und die technische Realisierung kann eine Überforderung darstellen. Hinzu kommen bei der »forschenden Medienarbeit« noch die Forschungsansprüche.


2.1 Professionalisierung der praktischen Medienarbeit

Da die Forscher nun einmal primär Forscher sind und keine Medienexperten, sind sie der Aufgabe heutiger Medienproduktion kaum gewachsen. Wenn die Jugendlichen

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sich auf Inhalte konzentrieren, können auch sie sich den technischen Herausforderungen nicht in dem erforderlichen Ausmaß stellen.-Die Folge sind oft Produkte, die kaue' den heutigen Standarts entsprechen. Einer weiteren Öffentlichkeit sind sie meist kaum zuzumuten. Wir haben oft erlebt, dass an den Produkten nur Jugendarbeiterlnnen und ForscherInnen ein besonderes Interesse bekundet haben. Zur weiteren Verwendung z.B.. um Betroffenheit und Diskussionen bei Jugendlichen anzuregen, sind sie oft wenig geeignet.

Wie lässt sich eine höhere Professionalität erreichen, ohne den subjektwissenschaftlichen Ansatz aufzugeben? Wir sind dazu übergegangen, Medienexperten, also z.B.. professionelle Filmemacher, als dritte Gruppe mit einzubeziehen. Die inhaltlichen Fragen werden dabei weiterhin zwischen Jugendlichen und Medienpädagogen geklärt. Die Medien-Profis müssen nicht immer anwesend sein; wichtige Szenen werden -zwar von ihnen selbst gedreht, wichtige Teile von ihnen geschnitten, sie setzen aber nur das technisch um, was von den Jugendlichen intendiert ist. Das setzt einer komplizierten Koordinierungsprozess voraus und viel Wissen und Sensibilität in Be zug auf die Jugendlichen. Es bleibt das vorrangige Ziel, dass sich die Jugendlichen in dem Produkt wiederfinden, sich damit identifizieren, dass sie es als ihr Produkt be trachten. Erst wenn das Produkt fertig ist, lässt sich feststellen, ob die Jugendlicher sich und ihre Welt darin wiedererkennen. Eventuell muss nachgebessert werden. Ir der qualitativen Forschung wird das als die Phase der _kommunikativen Validierung' beschrieben (Flick 1995, S.245). Gelingt die Validierung nicht, kann das Medienprodukt auch nicht für eine weitere Inhaltsanalyse genutzt werden.

Unser Vorschlag, Medienexperten mit einzubeziehen, sollte nicht als der Königsweg für jegliche Medienarbeit mit Jugendlichen verstanden werden. Er scheint uns jedoch vor allem dann sinnvoll, wenn pädagogisch und technisch anspruchsvolle Medienarbeit mit Forschung verbunden werden soll.


2.2 Professionalisierung der Forschung

Eine problemorientierte Jugendforschung kann sich nicht auf die teilnehmende Beobachtung in einem Medienprojekt reduzieren. Dieses Forschungssetting ist zu eng für größere Projekte und Fragestellungen. Will man z.B.. politische Orientierung= Jugendlicher untersuchen, so kann man sich kaum auf Medienprojekte mit Jugendlichen beschränken. Wir machten jedenfalls die Erfahrung, dass es oft nicht ausreicht, mit Jugendlichen Videos zu machen, dabei teilnehmend zu beobachten, sie zu befragen und ihre Eigenproduktionen zu analysieren. Unsere empirische Forschung beginnt deshalb lange vor der Medienarbeit. Diesen Forschungsprozess haben wir zu einer _Tübinger Forschungskonzeption" ausgearbeitet. Die wesentliche Besonderheit liegt darin, dass eine Reihe von Phasen unterschieden werden, von denen jede neben der Forschung einen praktisch-pädagogischen Aspekt enthält. Es handelt sich - kurz gesagt - um folgende Phasen:

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1. Kontaktaufnahme zu Jugendlichen über eine Fragebogenaktion. Der didaktisch aufgebaute Fragebogen gliedert die Forschungsthematik auf. Nach dem Ausfüllen Diskussion über die Thematik an Hand des Fragebogens. Ankündigung der Rückvennittlung wichtiger Ergebnisse.

z. Rückvermittlung erster Ergebnisse als Stimulierung für Gruppendiskussionen zwischen den Jugendlichen, die meist mit Video aufgezeichnet werden. Bitte an einzelne Protagonisten um ein vertiefendes narratives Einzelinterview.

3. Kontakte und Interviews mit Experten der Jugendarbeit (Sozialarbeiter, Lehrer, andere Mitarbeiter in Jugendeinrichtungen).

4. Angebot an einzelne Jugendliche, mit ihnen einen Film zur Thematik zu drehen, bei dem sie die HauptdarstellerInnen sind und in dem sie sich in ihre sozialen Kontext darstellen. Es schießt sich das Filmprojekt an, das vieles von dem aufnimmt, was in den ersten Forschungsphasen (siehe I .-3.) zur Thematik bisher ermittelt werden konnte und das vielfältige Möglichkeiten zur teilnehmenden Beobachtung bietet. Der von den Jugendlichen mitgestaltete Film stellt auch ein Forschungsprodukt dar und bietet so eine Möglichkeit der Vermittlung von Forschungsergebnissen an Jugendliche.

5. Vorführung im engeren und dann im weiteren Kreis der Jugendlichen, Analyse der Rezeption.

6. Analyse des Medienprojekts und des Produkts als Forschungsmaterial.

Die sechs Phasen sind nicht voneinander unabhängig, sondern werden als sich vertiefender Prozess der Verbindung von Forschung und Praxis, als Kombination aus Jugendbildung und Jugendforschung organisiert.

Das methodische Leitbild stellt hierfür die Ethnographie dar. Charakteristisch ist für sie eine methodische Fremdheitshaltung, die Beobachtung der Totalität sozialer Prozesse bei erhöhter Aufmerksamkeit für das Detail. Auf die Atmosphäre von sozialen Milieus wird dabei besonders geachtet. Ergänzt wird das durch den Ansatz der "dich- Beschreibung " von C. Gecrtz (1999), der die Analyse von Bedeutungsträgern und Symbolen in den Mittelpunkt stellt.

Den allgemeinen wissenschaftlichen Bezugspunkt für unsere Forschungskonzeption stellt aber die Forschungstradition der_ Cultural Studies" " dar. Wir orientieren uns verstärkt an diesem Konzept (vgl. Bromley 1997; Hörning/Winter 1999).

Der Ausgangspunkt der Cultural Studies in Europa war das _Center of Contemporary Cultural Studies" in Birmingham, das in den 60er Jahren die Jugendkultur von Arbeiterjugendlichen erforscht hat (vgl. Willis 1979). Inzwischen gibt es auf allen Kontinenten Cultural Studies und auch die Themen haben sich ausgeweitet. Ein wichtiger Schwerpunkt der Forschung liegt heute auf den Medien als Teil der Kultur. Dabei wird versucht Medienproduktion, -Distribution und -Rezeption im Zusammenhang zu scher (vgl. Hcpp 1999). Bei den meisten Projekten steht der Umgang mit Popularmedien im Mittelpunkt, aber auch aktive Medienarbeit mit Jugendlichen wurde in diesem Kontext als Forschung organisiert (vgl. Cohen 1989).

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Viele Aspekte, die oben zum subjektwissenschaftlichen Konzept der forschenden Medienarbeit dargestellt wurden, finden sich bei den Cultural Studies wieder. Diese Forschung wird in offenen Projekten mit der Absicht zur Intervention durchgeführt. _Folglich sind ihre Projekte immer politisch, immer parteiisch, aber ihre Politik ist immer kontextuell definiert." (Grossberg 1999, S.55). Charakteristisch ist ihr _radikaler Kontextualismus", wobei _der Kontext nicht nur ein bloßer Hintergrund, sondern die Bedingung dafür (ist), dass etwas möglich wird." (ebenda S.59). Weiterhin wird die Notwendigkeit theoretischer Arbeit betont. Die theoretische Reflexion steht im Vordergrund und versucht einen platten Empirismus zu überwinden. Die Verbindung von Theorie und Praxis wird in der Form der _diskursiven Praxis" hergestellt. Konstitutiv ist auch die ausgeprägte Interdisziplinarität, durch die der Gegenstand aus sich ergänzenden Perspektiven erfasst wird. Kultur wird sehr weit definiert und umfasst die gesamte Lebensweise im gesellschaftlichen Kontext.

Die große methodische Offenheit und der radikale Kontextualismus, der Medien als Teil der Kultur kritisch analysiert, faszinieren dabei besonders. Damit kann die Trennung zwischen Medienforschung und Jugendforschung aufgehoben werden. Die Beziehung zwischen Jugend und Medien ist heute konstitutiv für die Jugendsituation, gleichwohl wird sie in der Jugendforschung kaum thematisiert. Im Handbuch der Jugendforschung (vgl. Krüger 1998) gibt es z.B. dazu kein einziges Kapitel.

Radikaler Kontextualismus beschränkt sich nicht auf den unmittelbaren lebensweltlichen Kontext, sondern impliziert den kulturellen und gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang. Im Folgenden wird an Tübinger Jugendforschungsprojekten kurz zu zeigen versucht, wie diese Folgerungen aus den Cultural Studies eingelöst werden können.


3. Tübinger Jugendprojekte als Beispiel

Von 1996 bis 1999 führte die Tübinger Forschungsgruppe ein internationales Projekt durch zum Thema _internationales Lernen - Orientierungen Jugendlicher im Kontext von Ausgrenzung und Integration". Es wurde durch das EU Programm Jugend für Europa gefördert (vgl. Held/Svob 1998; Held/Spona 1999).

Seit 1999 fördert die IG Metall ein methodisch ähnliches Nachfolgeprojekt der Tübinger Forschungsgruppe zum Thema _Neue Orientierungen und Engagementformen bei Jugendlichen und ihre Bedeutung für die Jugendarbeit` (vgl. Allespach/Held 2000).

Da das neue Projekt derzeit noch in der Erhebungsphase ist und die Filmarbeit erst begonnen hat, soll überwiegend auf das internationale Projekt eingegangen werden. An diesem Projekt kann auch gezeigt werden, welche Möglichkeiten die Verbindung von Medienarbeit und Jugendforschung im Rahmen vergleichender Jugendforschung bietet.

An dem internationalen Projekt waren Forschergruppen in Deutschland, Griechenland, Kroatien, Lettland und den Niederlanden beteiligt. Gegenstand war in jedem der Länder ein Stadtteil, in dem sich die länderspezifischen Probleme der sozialen Aus

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grenzung und Integration gut erforschen lassen. Gerade bei einem international vergleichenden Jugendprojekt, das mit qualitativen Methoden in einem konkreten Feld arbeitet, kann der Kontext kaum übersehen werden. Die länderspezifischen Besonderheiten der Lebensführung der Jugendlichen, der kulturellen und strukturellen Situation im Stadtteil und der gesellschaftlichen Entwicklung fallen unmittelbar ins Auge. Ausserdem wird man immer wieder auf internationale Zusammenhänge verwiesen.

Entsprechend der beschriebenen Tübinger Forschungskonzeption wurden zuerst ein .fahr lang die Verhältnisse in den Stadtteilen und die Orientierungen/Handlungsformen der Jugendlichen erforscht und miteinander verglichen. Erst dann begann die Medienarbeit mit den Jugendlichen. Sie verlief folgendermaßen:

Ein professionelles Filmteam aus Tübingen fuhr in jedes der Länder und drehte mit den dortigen Jugendlichen und mit Unterstützung der dortigen JugendforscherInnen innerhalb einer Woche das Filmmaterial nach deren Vorschlägen. Der Stadtteil und die kulturelle Identität der Jugendlichen waren dabei die wesentlichen Bezugspunkte, die Jugendlichen die Hauptpersonen. Das Filmteam hat dann nach der Rückkehr in Tübingen den Film geschnitten. Dabei wurden einerseits die bisherigen Forschungsergebnisse, andererseits die Intentionen der Jugendlichen und ihre Vorschläge berücksichtigt. Wichtig war es, die Atmosphäre ihres Milieus gut zum Ausdruck zu bringen und den Zusammenhang zum Projektthema _Ausgrenzung und Integration". Die Musikvorschläge der Jugendlichen spielten hier eine sehr wichtige Rolle. Das Filmmaterial, das zur Forschung herangezogen werden konnte, beschränkte sich nicht auf den endgültigen, geschnittenen Film, sondern beinhaltet viele Stunden gedrehtes Material, (las auch Gespräche und Interviews mit Jugendlichen enthält.

Der Film war nicht Selbstzweck, sondern diente der Vorbereitung einer internationalen Jugendbegegnung im Harz. Dort sollten die Jugendlichen ihre Filme und damit sich und ihre Lebenswelt vorstellen. Es kam also darauf an, dass die Filme für die Jugendliche authentische Zeugnisse ihres Lebens darstellten.

Bei solchen Filmproduktionen darf nicht übersehen werden, dass die Filme einem bestimmten Zweck dienten, nämlich der Präsentation ihrer Verhältnisse und Besonderheiten für Jugendliche aus anderen Ländern. Deshalb bestand z.B. die Tendenz, Aspekte internationaler Jugendkultur zu betonen. Man wollte sich nicht gegenüber den anderen blamieren. Teilweise wurde aber auch- fast trotzig- die Besonderheit der landesspezifischen Kulturformen betont. So z.B. die Kultur des Volkstanzes in Lettland. Da das Projektthema _Integration und Ausgrcnzung" war, standen die Beziehungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen im Mittelpunkt. Auch strukturelle Hintergründe, wie z.B. der Jugoslawienkrieg wurden einbezogen, d.h. es ging nicht nur um Kultur im engeren Sinn.

Auf der Jugendbegegnung wurde dann von einem professionellen Filmteam aus Amsterdam ein Film über die Jugendbegegnung gedreht. Er zeigt die Reaktionen der Jugendlichen auf ihren Film und auf den von den anderen Gruppen.

Aus dem Projekt liegt demnach ein sehr reichhaltiges Forschungsmaterial vor; allein aus der Medienarbeit einschließlich der Jugendbegegnung viele Stunden audiovisuel

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les Material und Protokolle teilnehmender Beobachtung und Nachbefragung. Wollte man erst nach den praktischen Phasen mit der Auswertung beginnen, stünde man vor einem kaum mehr zu bewältigendem Datenberg. Statt dessen hat die Auswertung die Erhebung in der Praxis begleitet und z.T. sogar angeleitet. Die entstandenen Filme sind z.B. nicht nur Material, sondern auch Forschungsprodukte. In ihnen ist also vieles verdichtet, das nachträglich wieder interpretativ nachbearbeitet werden kann.

Am Ende des Projekts - nach drei Jahren Forschung und Praxis - lagen die ersten Ergebnisse vor (vgl. Held/Spona 1999), weitere folgen (Leiprecht/Held 2001).

Ein weiteres Jugendforschungsprojekt, das wir derzeit mit Unterstützung der IG Metall durchführen, setzt sich mit _neuen Orientierungen und Engagementformen junger ArbeitnehmerInnen" auseinander. Auch hier wird mit dem beschriebenen Ansatz forschender Medienarbeit gearbeitet. Die Medienarbeit hat auch hier einen großen Stellenwert; sie erstreckt sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahren. Die beteiligten Jugendlichen stellen nicht nur sich und ihre Lebenswelt vor, sondern auch ihre Aktivitäten in einem längeren Zeitraum. Schon jetzt kann gesagt werden, dass sich diese Art von Forschungsmethode für ein vergleichende und typisierende Jugendforschung sehr gut eignet.

Eine qualitativ vergleichende Jugendforschung, die sich auf Medienarbeit stützt, stellt (noch) Neuland dar. Es handelt sich nach unserer Erfahrung um einen sehr Erfolg versprechenden und interessanten Weg für die Jugendforschung.

Literatur

Allespach, M./ Held, J. 2000. Neue Orientierungs- und Engagementformen bei Jugendlichen und ihre Bedeutung für die Jugendarbeit - Ein Jugendforschungsprojekt zur Mitgliederentwicklung. In: Gewerkschaft Holz und Kunststoff Baden Württemberg (Hg.) Die Kunst: Mitmachen wecken. Marburg: Schüren.

Bromley, R./ Göttlich, U./ Winter, C. (Hg.) 1998. Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüneburg: zu Klampen.

Cohen, Ph. 1998. "Old heads an young shoulders''. In: Held, J. (Hrsg.), Subjektbezogene Jugendforschung. Hamburg: Argument. S. 166-190.

Fischer, H. U. 1996. Film, Video, Bildungsarbeit in der IG Metall. In: GMK Rundbrief Nr. 39,40.

Gecrtz, C. 1999. Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankf./M.: Suhrkamp.