IG Metall Pressedienst 39/06

12.04.2006 "Der Countdown läuft" - Große Tarifkommission Baden-Württemberg

"Mehr als verfahren" sieht die IG Metall den aktuellen Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie. "Fünf Runden gedreht und die Ziellinie ist immer noch nicht in Sicht", sagte dazu Bezirksleiter Jörg Hofmann heute Nachmittag in Leinfelden-Echterdingen vor etwa 180 Mitgliedern der großen Tarifkommission. Die Gewerkschaft fordert 5 Prozent mehr Entgelt für die 800 000 Beschäftigten der Branche im Südwesten.

Hofmann warf dem Arbeitgeberverband Südwestmetall vor, offensichtlich kein Interesse an Lösungen am Verhandlungstisch zu haben. "Wer sich so stur und unbeweglich präsentiert, wie es die Arbeitgeber derzeit tun, der provoziert geradezu einen Arbeitskampf", sagte Hofmann. "Der Countdown läuft und die Arbeitgeber haben es in der Hand einen Arbeitskampf zu vermeiden".
Den zeitlichen Korridor für eine Lösung im Tarifstreit bezeichnete Hofmann als "inzwischen sehr, sehr eng". Die Mitglieder hätten genug von den Worthülsen der Arbeitgeber. "Wir wollen endlich Ergebnisse sehen", so der Verhandlungsführer der Gewerkschaft. Über 270 000 Warnstreikende im Land seien schließlich ein deutliches Signal dafür, "was die Beschäftigten vom Angebot der Arbeitgeber halten".

Sollte bei der nächsten Verhandlungsrunde am 19. April in Böblingen wieder nichts sichtbares herauskommen, so werde die Tarifkommission am 20. April über das weitere Vorgehen beraten und womöglich das Scheitern der Verhandlungen und die Urabstimmung beantragen, skizzierte Hofmann das Szenario der kommenden Tage. "Es macht dann keinen Sinn mehr weitere ergebnislose Runden zu drehen und sich von arroganten Arbeitgebern weitere Zumutungen anzuhören".

Die Vorwürfe aus dem Arbeitgeberlager, wonach die Forderung der IG Metall nach Entgeltsteigerungen in Höhe von fünf Prozent die Leistungsfähigkeit der Unternehmen übersteige, nannte er "an den Haaren herbeigezogen". Die Unternehmen der Branche stünden großartig da im internationalen Vergleich und wenn ein Betrieb ins Ausland wandere, dann nicht wegen zu hoher Löhne, sondern um neue Märkte zu erschließen.
Hofmann selbst nannte das am vergangenen Donnerstag (6. April) in Mannheim vorgelegte Angebot der Arbeitgeber eine "Mogelpackung" und an die Medien ge-spielte Rechenbeispiele als "komplett unseriös". Südwestmetall spiele an dieser Stelle mit gezinkten Karten und wolle "durch den schönen Schein von großen Zahlen die Reallohnverluste der Beschäftigten verschleiern", so Hofmann. Die Arbeitgeber suggerieren in den eigenen Berechnungen, dass ein Beschäftigter mit einem Jahresgehalt von 41.004.-- Euro in zwei Jahren ein Plus von 1.800.-- Euro verbu-chen könnte.

Die Gewerkschaft legte eigene Berechnungen vor, wonach der Vorschlag von Südwestmetall einem Durchschnittbeschäftigten der Metall- und Elektroindustrie im Land im ersten Jahr lediglich 25 Euro und im zweiten Jahr gerade mal noch 15 Euro mehr Nettoentgelt im Monat bringt. Dem stehen zusätzlich deutliche Inflationsverluste entgegen, die den Beschäftigten im Endeffekt sogar ein sattes Minus bescheren.

"Es scheint, als könnten die Arbeitgeber den Hals nicht voll genug bekommen. Die Vorstandsbezüge werden kräftig nach oben geschraubt, die Dividenden der Aktionäre überspringen immer neue Rekordhöhen und die Renditen jagen von einem Höchststand zum nächsten. Die wissen ja bald nicht mehr wohin mit dem ganzen Zaster. Doch statt es in neue Jobs, Innovationen oder die Qualifizierung der Be-schäftigten zu investieren, setzt man lieber ganze Belegschaften auf die Straße, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Das ist eine verkehrte Welt. So kann das nicht weiter gehen", kritisierte Hofmann die Mentalität in den Chefetagen.

Warnstreiks gehen weiter

Unterdessen haben auch heute wieder Metaller aus mehreren Betrieben in Baden-Württemberg die Arbeit für einige Zeit niedergelegt. An den verschiedenen Aktionen beteiligten sich in den letzten 24 Stunden 1075 Beschäftigte. Schwerpunkte waren in Offenburg, Mannheim, Konstanz und Stuttgart.

Nachmeldungen gab es noch von verschiedenen Betrieben aus dem Raum Albstadt mit insgesamt 800 Beschäftigten und einer gemeinsamen Kundgebung von WMF, Heidelberger Druck und ULO in Geislingen, an der sich 1450 Beschäftigte beteiligten.
Über 195 100 Metaller haben somit in den vergangenen zwei Wochen an Warnstreiks der IG Metall teilgenommen.

Letzte Änderung: 22.04.2008