IG Metall Pressedienst 39/2010

IG Metall Pressedienst

22.10.2010 Leistungsdruck in den Betrieben steigt weiter - Arbeitsschutzkonferenz der IG Metall Baden-Württemberg

Steigender Leistungsdruck in den Betrieben ist seit vielen Jahren ein Thema für die Arbeits- und Gesundheitsschützer. Mit wachsender Tendenz.

Durch die Wirtschaftskrise und in Folge des bereits stattfindenden Strukturwandels habe die Leistungsverdichtung in den Betrieben deutlich zugenommen, so IG Metall Bezirksleiter Jörg Hofmann vor über 200 Teilnehmern einer Arbeitsschutzkonferenz der IG Metall Baden-Württemberg in der Filharmonie in Filderstadt. Daneben übe der technologische Wandel enormen Anpassungsdruck auf die Beschäftigten aus. "Neue Technologien erfordern neue Qualifikationen. Mit diesen Herausforderungen werden die Beschäftigten konfrontiert. Und wir als IG Metall müssen einen Rahmen schaffen, der es möglich macht, Fortschritt nicht nur als Belastung, sondern als positive Weiterentwicklung zu erfahren", so Hofmann. Es gelte, "die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen."
Bisher habe das hohe Qualifikationsniveau der Beschäftigten Baden-Württemberg zum "Filetstück der deutschen Industrie" gemacht. "Und die Frage der Qualifikation wird auch darüber entscheiden, welche Rolle wir bei der Entwicklung und Produktion neuer Technologien spielen", sagte Hofmann.

Die Befürchtungen Hofmanns bestätigte auch der Diplom-Soziologe Michael Ertel von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA). Demnach hat in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise in 41 Prozent der Betriebe der Metall- und Elektroindustrie die Arbeitsintensität zugenommen. Ertel unterstrich außerdem die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Gesundheit der Beschäftigten. Aktuelle Studien hätten gezeigt, dass bei regelmäßigen Überstunden und einer Arbeitszeit von zehn bis elf Stunden täglich das Risiko für einen Herzinfarkt um 60 Prozent nach oben schnelle. Ertel erklärte, der zunehmenden Arbeitsverdichtung könne mit Ruhepausen, Ruhezeiten und kürzeren Arbeitszeiten begegnet werden. Die Handlungsfelder sieht er deshalb vor allem bei der Personalbemessung und Ressourcenplanung in den Unternehmen.

Auch Prof. Dr. Thomas Kieselbach vom Institut für Psychologie der Arbeit, Arbeitslosigkeit und Gesundheit (IPG) der Universität Bremen sieht Handlungsbedarf. Nicht nur die Sorge vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes könne krank machen, sagt er. Auch wer sichere Arbeit habe, werde häufig von den Leistungs- und Arbeitsbedingungen erdrückt. Die Folgen seien häufig: psychischer Stress, Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, eine Zunahme von Arbeitsunfällen. Verstärkt falle dies in Betrieben auf, die umstrukturiert werden. Ohne Visionen würden die Beschäftigten diese Wege vielfach nicht mitgehen. Dies führe häufig zu erhöhtem Krankenstand und schlechterem Arbeitsklima, in dessen Folge auch die Produktivität des Unternehmens sinke. Kieselbach empfiehlt deshalb im Rahmen solcher Prozesse immer Perspektiven aufzuzeigen.

Vor allem sei aber eine proaktive Gesundheitspolitik in betroffenen Unternehmen unerlässlich. Denn immerhin sehen sich etwa 55 Prozent der Beschäftigten durch Umstrukturierungs- und Neuorganisationsmaßnahmen belastet, fast 10 Prozent sehen sich sogar stark belastet.

Letzte Änderung: 27.10.2010