IG Metall Pressedienst 37/2010

IG Metall Pressedienst

20.10.2010 Hofmann: "Wir brauchen einen Kurswechsel" - IG Metall startet Aktionstage gegen unsoziale Politik der Regierung

Die Bundesregierung muss beidrehen und einen politischen Kurswechsel vornehmen. Das fordert die IG Metall Baden-Württemberg zum Auftakt ihrer Protestaktionen gegen die Politik der Bundesregierung. Es könne nicht sein, dass die Verursacher der tiefsten Wirtschaftskrise der letzten 80 Jahre ungeschoren davon kommen, so Bezirksleiter Jörg Hofmann heute vor über 1.500 Gewerkschaftern aus mehreren Betrieben auf der zentralen Auftaktkundgebung in Ulm.

Außerdem kamen vor dem Bosch-Werk in Reutlingen 1.800 Beschäftigte verschiedener Betriebe zu einer weiteren Protestkundgebung zusammen. Um 14:00 Uhr findet in Esslingen, Hafenmarkt, eine Kundgebung mit dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer statt.

"Wir sollten endlich die zur Kasse bitten, die uns den ganzen Schlamassel eingebrockt haben," so Hofmann in Ulm. Dafür sei eine höhere Besteuerung großer Vermögen und Einkommen notwendig. "Wir brauchen das Geld, um die Lasten der Krise abzutragen und Zukunftsaufgaben wie Bildung und Innovation zu finanzieren."
Außerdem sei eine Finanztransaktionssteuer unerlässlich, damit die Verursacher der Krise in Haftung genommen und Spekulationen künftig erschwert würden.

Ohne die hemmungslose Zockerei der letzten Jahre und die Gier nach immer mehr Profit wäre die Wirtschaft allerdings gar nicht erst so dramatisch in den Abgrund gestürzt, ist sich Hofmann sicher. Es seien dann vor allem die abhängig Beschäftigten gewesen, die mit enormer Flexibilität und schmerzhaften finanziellen Einbußen geholfen hätten das Land nahezu unbeschadet durch die Monate der Krise zu steuern. Hofmann: "Als Dank dürfen sie jetzt nicht nur die Löcher stopfen, die die Krise in ihre Geldbeutel gerissen hat. Nein, sie sollen jetzt für die Folgen einer Krise zahlen, die sie nicht verursacht, unter deren Folgen und Auswirkungen sie aber genug leiden mussten. Das ist nicht nur ungerecht und unsozial, es ist unakzeptabel!"

Hofmann warf der Bundesregierung vor, den Menschen nicht nur "zur Krönung ein fettes Sparpaket" aufladen zu wollen, sondern ihnen mit der Kopfpauschale von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. "Diese Reform ist nicht nur ungerecht, sie zertrümmert die paritätische Finanzierung der Krankenkassen endgültig." Das Konzept einer solidarischen Bürgerversicherung sei deutlich gerechter.

Als "unanständig" bezeichnete er zudem die Tatsache, dass den Be-schäftigten immer mehr finanzielle Belastungen aufgebürdet werden, während man gleichzeitig durch die Rente mit 67 ein würdiges Leben im Ruhestand nahezu unmöglich mache. "Mit diesem gewaltigen Rentenkürzungsprogramm steht uns eine Welle von Altersarmut ins Haus, die einem Angst macht", so der Gewerkschafter. Er forderte deshalb: "Dieser Blödsinn muss beerdigt werden."

Auch mit Blick auf die Jugend sieht Hofmann die Weichen falsch gestellt. "Es wird immer schwieriger für junge Menschen einen Ausbildungsplatz zu finden. Das ist ein Trauerspiel angesichts der Jammerei über einen Fachkräftemangel", sagte Hofmann. Statt genügend Ausbildungsplätze bereitzustellen, flüchteten die Arbeitgeber vor ihrer Verantwortung. Der Metaller fordert: "Jeder Jugendliche muss Anspruch auf eine qualifizierte Ausbildung haben und die Übernahme nach der Ausbildung ist Pflicht. Das ist die Verantwortung, der sich die Arbeitgeber stellen müssen."

Hofmann warnte außerdem davor, tatenlos zuzuschauen wie die junge Generation unter die Räder komme. "Immer mehr junge Menschen rutschen ab in prekäre Beschäftigung." Vor allem Leiharbeit sei wieder ungehemmt auf dem Vormarsch. "Wir brauchen an dieser Stelle kein Feigenblatt wie der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin von der Leyen, der dem weiteren Missbrauch von Leiharbeit nur Tür und Tor öffnet, sondern eine echte Regulierung, um Leiharbeit und andere prekäre Beschäftigung zu verhindern." Zudem sei der Grundsatz "Gleiche Arbeit - Gleiches Entgelt" zwingend zu regeln.

Zunächst bis zum 13. November 2010 will die IG Metall massiv für einen Kurswechsel mobilisieren. Mit Kundgebungen, Veranstaltungen und Infoständen informiert die Gewerkschaft über die Mehrbelastungen für die Menschen durch das Sparpaket der Bundesregierung, die Kopfpauschale oder die Rente mit 67.
Unter dem Motto "Annahme verweigert - zurück an den Absender" werden Abstimmungskarten über das Sparpaket an die Beschäftigten ausgegeben und anschließend in Sparpaketen wieder eingesammelt. Am 13. November 2010 werden alle Pakete im Rahmen einer Großkundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart eingesammelt, auf einen Lkw verladen und starten in Richtung Berlin. Dort sollen sie an die Bundesregierung übergeben werden.

Abstimmen über die Politik der Bundesregierung können auch alle im Internet über den "Tort-oh-mat" auf der Homepage der IG Metall:
http:www.bw.igm.de/static/extra/tort-oh-mat

In vielen Betrieben finden in den kommenden Tagen auch gemeinsame Infovesper statt. Hierfür verteilt die IG Metall Vespertüten und schenkt Kaffee aus. Das Motto der Aktionen: "Damit Berlin es gebacken kriegt."
Ergänzt wird die Kampagne durch eine Plakatserie, die in Betrieben und Städten zum Einsatz kommt.

Alle Materialien auch unter: http:www.bw.igm.de/news/meldung.html?id=40752

Nachtrag: Zu weiteren Kundgebungen sind am Nachmittag in Esslingen 1.500 Gewerkschafter auf dem Hafenmarkt zusammen gekommen, in Nürtingen versammelten sich 1.000 Metaller auf dem Schillerplatz.

Weitere Aktionen am:
21. Oktober 2010:
13:00 Uhr: Offenburg, Hotel Mercure, Veranstaltung "Der Arbeitsmarkt in der Krise: Welche Beiträge muss die Arbeitmarktpolitik leisten?" mit Ministerin Dr. Monika Stolz, Peter Weiß, MdB, Christian Bäumler, CDA, Jörg Hofmann, Ahmet Karademir, IG Metall
11:00 bis 17:00 Uhr: Mannheim, Kapuzinerplanken, Leiharbeitstour

Letzte Änderung: 20.10.2010