Zukunftschancen für die junge Generation

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09.06.2010 Interview mit IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann - Jugendaktionstag "Show Balls!" am 10.06.2010 an fünf Standorten

Die Jugend von heute hat den Ruf unpolitisch zu sein und sich nur um sich selbst im Kreis zu drehen. Gleichzeitig gibt es Bildungsstreiks und einen Aktionstag der IG Metall. Wie passt das zusammen?

Jörg Hofmann:
Ich glaube die Jugend wird allgemein ziemlich unterschätzt. Das fängt an mit der Behauptung, viele seien gar nicht ausbildungsfähig, geht weiter über den Vorwurf, unpolitisch zu sein und gipfelt in der Annahme, die Jugend würde sich nur für sich interessieren. Das ist doch alles quatsch. Die jungen Menschen wissen sehr wohl was sie wollen und sie haben ganz genau erkannt, dass sie einzeln wenig erreichen können. Deshalb wird das Land mit Bildungsstreiks überzogen und deshalb geht die Jugend der IG Metall morgen zusammen mit vielen anderen Metallerinnen und Metallern auf die Straße.

Und warum?

Jörg Hofmann:
Weil die junge Generation ganz genau erkannt hat, dass es um ihre Perspektiven geht. Und an den Zukunftschancen und Aussichten der heutigen Jugend hängt nicht zuletzt auch die Frage, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Eines ist sicher: So kann es nicht weitergehen. Wir lesen überall davon, dass wir in der Vergangenheit über unsere Verhältnisse gelebt haben. Ich sage: Wir leben deutlich unter unseren Verhältnissen. Wenn man sieht, welche Verschwendung von Ressourcen gerade bei Jugendlichen stattfindet und wie ihre Chancen immer weiter schwinden, nach der Ausbildung auch als Fachkräfte eingesetzt zu werden, treibt einem das die Tränen in die Augen.

Was meinst Du damit?

Jörg Hofmann:
Früher war es selbstverständlich, dass die jungen Leute nach ihrer Ausbildung auch übernommen worden. Heute ist das in vielen Betrieben die Ausnahme. Wenn überhaupt, bekommen sie bestenfalls einen befristeten Vertrag. Immer häufiger hören wir auch, dass sie zu Leiharbeitsfirmen geschickt werden, die sie dann wieder an den Betrieb ausleihen, in dem sie ursprünglich ausgebildet wurden. Mit sozialer Verantwortung hat solches Unternehmertum nichts zu tun.

Das ist jetzt recht allgemein gesprochen. Geht es auch eine Spur konkreter?

Jörg Hofmann:
Sicher. Wir mussten 2009 ein Minus von sechs Prozent bei der Zahl der Ausbildungsplätze verkraften. In diesem Jahr droht das Minus mit vermutlich 10 Prozent noch viel dicker auszufallen. Und das ganze vor dem Hintergrund steigender Schulabgängerzahlen. Es gibt also definitiv nicht genügend Ausbildungsplätze um alle Bewerber zu versorgen.

Die Statistik ist da aber unscharf...

Jörg Hofmann:
Weil dort die Jugendlichen rausfallen, die in irgendwelchen Warteschleifen geparkt werden, weil sie ohne Ausbildungsplatz dastehen. So kann man sich die Welt natürlich schöner malen als sie in Wirklichkeit ist. Vor der Entwicklung haben wir schon häufig gewarnt. Politik und Arbeitgeber ignorieren sie aber offensichtlich.

Die Wirtschaft und die Arbeitgeberverbände zeichnen aber ein anderes Bild. Ist das also nur Panikmache?

Jörg Hofmann:
Nein, auf keinen Fall. Das sind die realen Zahlen und die Prognosen, die wir aus den Betrieben gemeldet bekommen. Es wäre doch töricht ein Problem aufzubauschen, wenn es keines gibt. Aber steigende Bewerber- und Schulabgängerzahlen lassen sich ebenso wenig wegdiskutieren, wie ein seit Jahren sinkendes Lehrstellenangebot. Ich wundere mich seit langem über die Entwicklung und frage mich, wann die Unternehmen endlich begreifen, dass sie selbst den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Jeder fehlende Ausbildungsplatz von heute ist die fehlende Fachkraft von Morgen. Ich kann das Gejammer und Wehklagen schon hören, das dann in ein paar Jahren angestimmt wird.

Welche Themen sollen durch den Aktionstag noch ins Bewusstsein rücken?

Jörg Hofmann:
Wir stemmen uns gegen den immer weiter um sich greifenden Wildwuchs prekärer Jobs. Das treibt vor allem junge Menschen ins Abseits und raubt ihnen die Zukunft. Außerdem fordern wir, dass Jugendliche auch von dem Betrieb übernommen werden, der sie ausgebildet hat - und zwar nicht nur befristet, sondern auf Dauer. Die aktuelle Krise hat außerdem die Qualität der Ausbildung unter Druck gebracht. Dabei ist doch klar, wenn heute die Qualität der Ausbildung leidet, leidet darunter morgen der Ruf der Facharbeiter. Dabei ist es doch genau die hervorragende Qualität der Produkte, die von hochqualifizierten Fachkräften hergestellt werden, die den Standort so stark machen. Wer das vergisst, gräbt sich selbst das Wasser ab.

Und was wollt ihr erreichen?

Jörg Hofmann:
Wir wollen die Sorgen, Ängste und Probleme der jungen Generation in die Öffentlichkeit tragen. Wir wollen deutlich machen, dass die Zukunftsängste und zunehmende Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation nicht nur deren Problem ist. Es geht uns alle an. Das wollen wir mit dem Aktionstag "Show Balls!" erreichen.

Was ist geplant?

Jörg Hofmann:
Fünf Städte, fünf Aktionen, alle zur gleichen Zeit. Ich würde mit mindestens 5.000 Jugendlichen rechnen, die für ihre Forderungen und Interessen morgen auf die Straße gehen und die Aktionsorte in ein Meer aus gelben Bällen tauchen. Auf die Bälle haben sie in den vergangenen Tagen in den Betrieben ihre Forderungen geschrieben. Wir stellen uns auf gegen Leiharbeit und prekäre Beschäftigung. Und wir treten ein für bessere Ausbildungsqualität, faires Einkommen und eine unbefristete Übernahme nach der Ausbildung.

Letzte Änderung: 10.06.2010