"Das zeugt von null Feingefühl"

IG Metall Interview

24.09.2009 Matthias Schiermeyer, Stuttgarter Zeitung, im Gespräch mit IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann über die Mercedes-Pläne für die C-Klasse - 24. September 2009

STZ: Was wäre es für ein Signal, wenn Mercedes die C-Klasse aus Sindelfingen verlagert?

Jörg Hofmann: Es wäre ein Signal der Verantwortungslosigkeit gegenüber den Beschäftigten und ein falsches Zeichen in einer Zeit, in der die Stabilität des Arbeitsmarktes die Konjunktur noch stützt. Gerade im Umfeld eines Publikummagnets wie der Automobilausstellung IAA so eine Meldung zu provozieren, zeigt, dass einige Mercedes-Führungskräfte nicht rational handeln.

STZ: Inwieweit könnte Sindelfingen den Verlust der C-Klasse auffangen?

JH: Eine Entscheidung, die C-Klasse abzuziehen, würde nicht nur einen deutlichen Arbeitsplatzverlust für Sindelfingen bedeuten. Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten der langfristigen Absatzentwicklung im Premiumsegment und der anhaltenden Produktivitätsfortschritte wäre sie auch eine echte Bedrohung von Beschäftigung insgesamt. Der Vorstand ist in der Verantwortung, für den Standort ein Konzept vorzulegen, mit dem dort nachhaltig Beschäftigung gesichert wird. All das, was an Ersatzprodukten diskutiert wird, reicht nicht aus.

STZ: Wie sehr wären hiesige Zulieferer betroffen?

JH: Eine Verlagerung hätte natürlich den Verlust von Produktionsarbeitsplätzen der Zulieferer zur Folge. Zudem würde sie einen Verlust von Arbeitsplätzen im indirekten Bereich von Mercedes und bei der Masse von Handwerkern und Dienstleistern um das Werk herum bedeuten.

STZ: In Tuscaloosa ist die Lohnstunde umgerechnet etwa 24 Euro günstiger. Gibt es ein besseres Argument für die Verlagerung?

JH: Ach, das ist doch eine Milchmädchenrechnung, die den jetzigen Dollarkurs zugrunde legt. Wer so plant, plant nicht nachhaltig. Wenn Sie den Dollarkurs vor zwei Jahren rechnen, ergibt sich ein anderes Bild. Natürlich gibt es Wechselkursrisiken, aber es ist unsinnig, Lohnkostenvergleiche aufgrund aktueller Währungsparitäten zu machen. Eine Verlagerungsentscheidung damit zu begründen, ist zu kurz gesprungen.

STZ: Ist Arbeit hier noch zu teuer oder sind die einstmals sogenannten baden-württembergischen Krankheiten ausgestanden?

JH: Der Standort ist sehr gesund und hoch wettbewerbsfähig. Ich hoffe nicht, dass ihn falsche Managemententscheidungen unter sein Leistungspotenzial bringen. Die C-Klasse ist mit Sindelfingen eng verbunden, und es zeugt von null Feingefühl, mit angreifbaren Argumenten eine Standortkonkurrenz aufbauen zu wollen.

STZ: Muss Sindelfingen den erneuten Vergleich mit Bremen nicht doch noch scheuen?

JH: Damals haben wir gemeinsam eine Antwort gefunden. Der Versuch, Minenleger auszuschicken, um neuen Unfrieden zu stiften, wird wieder scheitern. Da gibt es bei uns eine enge Abstimmung. Wir sehen keinen Grund, an der Verteilung des C-Klasse-Volumens etwas zu ändern. Durch den Zukunftssicherungsvertrag haben wir das Lohngefüge bei Daimler bundesweit tariflich gleichgestellt, so dass es nur noch marginale Unterschiede bei den Schichtzuschlägen gibt. Insoweit zieht das Lohnargument nicht.

Letzte Änderung: 23.11.2009