Hofmann: Die 8 Prozent stehen

IG Metall Interview

17.10.2008 Interview mit dem IG Metall Bezirksleiter Jörg Hofmann mit der Pforzheimer Zeitung - 17. Oktober 2008 - Das Gespräch führte Ulrike Bäuerlein

Die Inflation galoppiert - die Löhne und Gehälter stagnieren. In den Taschen vieler Arbeitnehmer kommt trotz zuletzt anhaltend brummender Wirtschaft immer weniger an. Die IG Metall will das ändern und fordert satte acht Prozent mehr Lohn und Gehalt für die Beschäftigten der Branche. Unsere Korrespondentin Ulrike Bäuerlein sprach mit IG Metall-Südwestchef Jörg Hofmann über diese Forderung.

Pforzheimer Zeitung: Herr Hofmann, haben Sie den Arbeitgebern schon mitgeteilt, dass Sie aus Solidarität im Zuge der Finanzmarktkrise auf sämtliche Lohn- und Tariferhöhungen verzichten?

Jörg Hofmann: Nein, nein (lacht). Ich wüsste auch gar nicht, mit wem ich Solidarität üben sollte. Etwa mit den Bankern? Unsere Leute hätten kein Verständnis, dass sie als Steuerzahler für die Folgen der Finanzmarktkrise in die Haft genommen werden sollen, obwohl sich dort viele goldene Nasen verdient haben, und dann auch noch ihre Lohnentwicklung begrenzt werden sollte mit dem Argument, die Finanzmarktkrise verbiete ordentliche Entgelterhöhungen.

PZ: Dennoch: Alles schreit Rezession - und Sie bleiben bei Ihrer acht Prozent-Forderung?

Hofmann: Zunächst mal schreit nicht alles Rezession, es gibt da sehr differenzierte Prognosen. Wir haben die Prognose der fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, die mit 0,2 Prozent noch von einem - wenn auch sehr schwachen - Wachstum ausgehen. Und es gibt die DIW-Prognose von einem Prozent. Ich gehe nicht davon aus, dass wir einen Einbruch erleben. Wir haben eine stabile Grundstruktur, und wir haben auch nächstes Jahr ohne Zweifel Wachstumsmärkte, was den Export der Metall- und Elektroindustrie angeht. Die acht Prozent stehen. Dieses Jahr haben wir zudem Nachholbedarf durch die hohe Inflationsrate, die die Haushalte tragen müssen und mussten.

PZ: Metall- und Elektroindustrie sind hauptsächlich der Mittelstand - keine börsennotierten Unternehmen, die in den letzten Jahren Milliarden abgeschöpft haben. Wollen Sie zum Sargnagel des Mittelstands werden?

Hofmann: Es ist eine alte Mär, dass der Mittelstand von der Ertragslage her schlechter da steht. Die höchsten Ertragsrenditen haben in vielen Branchen - etwa im Maschinenbau - Betriebe in der Größe von 100 bis 500 Beschäftigte. Dort wird und wurde in den letzten Jahren gut Geld verdient. Die ganz Großen haben eine niedrigere Ertragslage gehabt als dieser Mittelbau, der in Baden-Württemberg prägend ist.

PZ: Gibt's keine mahnenden Stimmen in Ihren Reihen, die sagen: Wer weiß was kommt, macht mal langsam, wir wollen unsere Arbeitsplätze nicht gefährden?

Hofmann: Wir haben Betriebe, gerade im Maschinen- und Anlagenbau, die brummen und ein Polster von festen Aufträgen bis 2011, teilweise bis 2013 haben. Und beim Fahrzeugbau haben wir keinen Sturz ins Bodenlose. Wenn Sie Daimler anschauen, haben wir die gleiche Stückzahl wie 2007. Nur die Erwartungen des Zuwachses haben sich nicht erfüllt. Und die Leute stellen in vielen Bereichen fest: Wir haben allenfalls einen Schritt zurück in die Normalität. Die ständige Samstags- und Wochenendarbeit, die regelmäßige Mehrarbeit reduziert sich etwas. Die Sorge vor einem Arbeitsplatzverlust stellt sich in der großen Masse der Betriebe nicht. Aber die Menschen sind extrem verunsichert, wenn die Kanzlerin sich hinstellt und sagt: Die Spareinlagen sind sicher. Da greift ja jeder automatisch an seinen Geldbeutel und guckt, was noch drin ist.

PZ: Machen Sie sich Sorgen um die Streikkasse der IG Metall?

Hofmann: Nein. Die Kasse ist gut gefüllt und das Geld sicher und gut angelegt. Das sind alles Mitgliedsbeiträge, Sie können davon ausgehen, dass die IG Metall sorgsam damit umgeht.

PZ: Wünschen Sie sich dennoch heute, die Tarifverhandlungen schon vor einem halben Jahr geführt zu haben?

Hofmann: Was jetzt alles unter dem Thema Finanzmarktkrise verkauft wird, ist nur zu einem Teil auch dadurch bedingt. Schon vor einem halben Jahr wäre deutlich geworden, dass wir etwa im Bereich des Fahrzeugbaus einen abflachenden Auftragseingang haben. Es war damals schon bekannt, dass das Auswirkungen auf die Märkte hat. Und im Übrigen: Vor einem halben Jahr wären ganz andere Risiken groß geschrieben worden: hoher Dollarkurs, steigende Rohöl- und Rohstoffpreise, das spielt jetzt praktisch keine Rolle mehr.

PZ: Ihre Verhandlungsposition ist durch die Finanzmarktkrise also nicht geschwächt?

Hofmann: Nein. Die Krise verstärkt sicherlich in der einen oder anderen Branche, etwa dem Export in einzelne Länder, eine Absatzschwäche. Aber die Metall- und Elektroindustrie hat in den letzten Jahren ihre Eigenkapitalbasis deutlich verbessert, ist in ihrer technologischen Wettbewerbsfähigkeit und Ertragssituation hervorragend aufgestellt. Das alles schwächt die Verhandlungsposition der IG Metall nicht, im Gegenteil, es untermauert unsere Argumente.

PZ: Anderes Thema. Sitzen Sie eigentlich im Aufsichtsrat einer Bank?

Hofmann: Nein. Ich sitze im Aufsichtsrat von Daimler, Bosch und Heidelbergerdruck.

PZ: Und was bekommt man da so als Vergütung?

Hofmann: Das können Sie in jedem Geschäftsbericht nachlesen. Aber wir haben bei der IG Metall die Regelung, dass wir die Vergütungen an die Hans-Böckler-Stiftung abführen. Das muss jeder unterschreiben, und das wird auch kontrolliert.

PZ: Die Finanzmarktkrise hat das Thema Managergehälter verdrängt. Nun sitzen ja in nahezu allen großen Unternehmen auch Gewerkschafter in den Aufsichtsräten. Ist es nicht ein wenig scheinheilig, einerseits diese Managergehälter abzunicken und andererseits zu geißeln?

Hofmann: Es ist ja nicht so, dass Arbeitnehmer da etwas verhindern könnten. Die Kapitalseite hat letztlich immer den längeren Arm. Das ist aber kein Grund, die Diskussionen darüber nicht zu führen. Wo ich aber sehr dafür bin, ist, bei den Erfolgskriterien hinzuschauen. Ich würde auch mit großen Gehältern ungezwungener umgehen, wenn die Erfolgskriterien darin liegen würden, dass Beschäftigung aufgebaut wird und nachhaltig in zukunftsfähige Produkte investiert wird, und nicht, wie viel zu oft, in einer kurzfristigen Profitoptimierung.

Letzte Änderung: 17.10.2008