Tiefe Risse an der ...

19.10.2007 ... Beschäftigungsbrücke - Die IG Metall bedrängt Politik und Arbeitgeber, einen gleichwertigen Ersatz auf das 2009 auslaufende Altersteilzeitgesetz zu schaffen

Stuttgarter Zeitung - 19. Oktober 2007 - Matthias Schiermeyer

Hinter den Berliner Kulissen wird seit Monaten um die Altersteilzeit gefeilscht. Weil bisher wichtige Förderinstrumente abgeschafft werden könnten, will die IG Metall nun in die Offensive gehen.
Kein Thema beschäftigt gerade ältere Beschäftigte in der Industrie so wie die neue Rentenregelung. Nicht nur muss länger gearbeitet werden, auch der flexible Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand nach dem 55. Lebensjahr wird erschwert. Weil die staatlich geförderte Altersteilzeit Ende 2009 ausläuft, drängen die Gewerkschaften - vornean die IG Metall - die Politik, rasch Ersatzlösungen zu schaffen. Auf diese Grundlage wollen die Tarifparteien dann ihre Modelle aufsetzen. Doch an wichtigen Stellen hakt es noch.
IG Metall und Gesamtmetall hatten sich im Tarifabschluss verpflichtet, bis Juni 2008 neue Tarifregelungen zum Altersübergang zu entwickeln. Im Grundsatz sind sie sich also einig, dennoch zeigen sich erste Reibungspunkte. "Wir werden das lösen - entweder schiedlich-friedlich oder auf Hauen und Stechen", sagte neulich der IG-Metall-Vize Berthold Huber. Doch warteten Huber und sein Vorsitzender Jürgen Peters zunächst das erste Spitzentreffen mit Gesamtmetll in dieser Woche ab, bis sie gestern ein detailliertes Positionspapier veröffentlichten. Ebenso beschäftigte sich die baden-württembergische Tarifkommission gestern mit dem Thema. Und auch die Betriebe, die Öffentlichkeit und die Abgeordneten sollen verstärkt an der Diskussion teilhaben; Nach dem Gewerkschaftstag Anfang November startet die IG Metall eine Informationskampagne, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Zunächst ist der Gesetzgeber gefragt. Die SPD-Führung hat festgelegt, dass von 2010 an durch eine stärkere Verzahnung von Teilrente und Altersteilzeit ein flexibler Übergang ab dem 60. Lebensjahr ermöglicht werden soll - und zwar "weitestgehend kostenneutral" für die Sozialsysteme. IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann mäkelt, das SPD-Papier gehe nicht weit genug. Er vermisst "eine klare Aussage" zur Weiterführung der BA-Förderung. Gemeint sind die massiv gefährdeten Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit, wenn der Arbeitgeber für einen in die Altersteilzeit wechselnden Arbeitnehmer einen Auszubildenden oder Arbeitslosen einstellt.
Bei 102400 Geförderten hat sich die BA die Altersteilzeit im Vorjahr 1,12 Milliarden Euro kosten lassen. Das sei keine astronomische Zahl, sagt der Bezirksleiter. Dennoch zeigt sich die IG Metall offen für zielgenauere Kriterien. Demnach sollte die Förderung auf die Wiederbesetzung durch Menschen unter 25 Jahren und über 50 Jahren sowie durch versicherungspflichtige Azubis konzentriert werden. In jedem Fall müsse die BA-Förderung bleiben, zumal Baden-Württemberg die höchste Wiederbesetzungsquote habe.
Auf einem besseren Weg sehen sich die Gewerkschaften bei der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der vom Arbeitgeber an den Beschäftigten geleisteten Aufstockungszahlungen. Die soll erhalten bleiben. Gleiches gilt für die Entgeltumwandlung: Die Eigenbeiträge von Beschäftigten zur Betriebsrente sollen auch nach 2008 von Sozialabgaben freigesetellt werden. Und schließlich will die SPD die - bereits 1992 eingeführte - Teilrente attraktiver machen. Diese sei interessant, wenn sie vom 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden könne und die Hinzuverdienstgrenzen angehoben würden, lobt die IG Metall Baden-Württemberg, die federführend mit den Parteien verhandelt.
Der Druck auf die SPD wirkt, und selbst CDU-Promis wie Ministerpräsident Christian Wulff plädieren für eine weitere, wenn auch niedrigere Förderung durch die BA. Und die Wirtschaft? Der größte Widerstand gegen die bisherige Altersteilzeit kommt von der Arbeitgebervereinigung BDA. Gesamtmetall dagegen hält sich - hin-und hergerissen zwischen kleineren Betrieben und großen Konzernen - auffällig zurück. Der Verband sei nicht gegen die Zuschüsse, tue aber auch nichts dafür, kritisiert Hofmann.
Eine Verbindung mit der Lohntarifrunde im Herbst 2008 will die IG Metall vermeiden. Der Bezirksleiter zeigt sich da zuversichtlich, auch weil die Kosten der Altersteilzeit in der Praxis weniger als ein Prozent der Gesamtlohnsumme ausmachen. Dieses Volumen lasse sich außerhalb der Tarifrunde mit den Arbeitgebern regeln, hofft er. Sollte die BA-Förderung aber auslaufen, müssten die Tarifparien neu abwägen und sich fragen: "Was ist für uns noch zu schultern?" Dem künftigen Vorsitzenden Berthold Huber schwant offenbar nichts Gutes: Einen gleichwertigen Ersatz der Altersteilzeit "kriegen wir nicht zum Nulltarif", sagt er. "Aber Alterssicherung haben wir uns immer etwas kosten lassen".

Letzte Änderung: 20.11.2007