Arbeitszeitforderung, u.a. für Schichter

Tarif 2018: Miteinander fuer Morgen

05.12.2017 "Es läuft immer nur so, wie die Firma will" - Der Kollege Yunus Dinc arbeitet Schicht bei Bosch in Feuerbach und würde gerne die Arbeitszeit reduzieren - Tarifrunde Metall und Elektro 2018

Yunus Dinc arbeitet Schicht bei Bosch, fast jeden Samstag. Er würde gerne die Arbeitszeit reduzieren und samstags frei haben, um Zeit für die Familie zu haben. Doch die Firma lässt ihn nicht. Dabei dient gerade Bosch der Arbeitgeberseite als Vorzeigebeispiel.

Als Paradebeispiel, wie modern die Arbeitszeitregelungen der Unternehmen seien, führt die Arbeitgeberseite gern "Bosch" an: 100 Arbeitszeitmodelle gebe es dort. Daher sei die Tarifforderung der IG Metall nach mehr Selbstbestimmung für Beschäftigte bei der Arbeitszeit unnötig. Schichtarbeiter Yunus Dinc erlebt das anders.

"Mein elfjähriger Sohn fragt mich ständig, warum ich samstags nicht zu seinen Fußballspielen kommen kann, wie die anderen Eltern", erzählt Yunus Dinc. "Und ständig muss ich Feiern mit Familie und Freunden absagen. Die glauben mir schon gar nicht mehr, dass ich immer samstags arbeiten muss."

IG Metall - Yunus Dinc

Arbeitgeber verweigert Wunsch

Der 43-jährige Vater von drei Kindern arbeitet Schicht im Werk von Bosch in Stuttgart-Feuerbach, sechs Tage früh, sechs Tage spät und sechs Tage nachts - und immer auch am Samstag. Dann hat er eine Woche frei. Auf die freie Woche würde er gerne verzichten - da sitzt er sowieso alleine zuhause - wenn er nur samstags frei haben könnte. Dafür würde Yunus Dinc sogar auf das Geld verzichten. Doch sein Arbeitgeber verweigert ihm das.

Dabei hat er das bis September ein Jahr lang gemacht, auf Wunsch der Firma. In seinem Produktionsbereich waren die Aufträge zurückgegangen. Dinc und seine Kollegen bekamen das Angebot, befristet in Teilzeit zu gehen. Praktisch für die Firma, die dadurch Geld sparen konnte und keine Kurzarbeit beantragen musste.

"Die Vorgesetzten haben sogar Werbung bei den Beschäftigten für die befristete Teilzeit gemacht", erinnert sich Havva Demir, die im Betriebsrat für den Bereich mit rund 200 Beschäftigten zuständig ist. "Und vielen wurde sogar versprochen, dass sie nach Ablauf der Befristung ihre Teilzeit verlängern könnten. Das sei kein Problem."

Immer nur so, wie die Firma es will

Von wegen. Seit September ist Schluss mit der Teilzeit für Dinc und seine 14 Kollegen, die ebenfalls neue Teilzeit-Anträge gestellt haben. Die Stückzahlen im Bereich sind wieder hochgegangen und Bosch hat alle Anträge abgelehnt - aus "betrieblichen Gründen". Das kann der Arbeitgeber, so steht es im Teilzeit- und Befristungsgesetz.

"Es läuft immer nur so, wie die Firma will", kritisiert Yunus Dinc. "Eigentlich hat die Firma kein Problem, samstags Leute zu finden. Aber sie machen es nicht."

Früher haben sie das unter Kollegen geregelt. Der eine wollte freimachen, ein anderer sprang dafür ein, erinnert sich Dinc. Den einen war der Samstag mit der Familie wichtiger, die anderen brauchten das Geld.

Vor einigen Jahren hat Bosch dann in der Fertigung das 18-Schicht-Modell eingeführt. Seitdem ist dort der Samstag Regelarbeitstag. Seitdem spart die Firma die Zuschläge für die Samstagsarbeit.

Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit per Tarif durchsetzen

Dabei würde Yunus Dinc nicht nur auf das Geld verzichten, sondern auch den Bereich wechseln, wenn er nur endlich samstags frei haben könnte. Aber auch das lehnt die Firma ab.

Im Jahr 2015, als das neue Schichtsystem eingeführt wurde, hat Dinc sogar an neun Samstagen extra Urlaub genommen, damit er auch mal für die Familie da sein konnte.

Genau für Beschäftigte wie Yunus Dinc tritt die die IG Metall in der jetzt anstehenden Metall-Tarifrunde unter dem Motto "Miteinander für morgen" an: Beschäftigte sollen einen Anspruch darauf bekommen, ihre Arbeitszeit auf 28 Stunden in der Woche zu reduzieren - damit Arbeitszeiten auch mal zum Leben passen. Damit wäre beispielsweise ein freier Tag in der Woche drin.

Die Arbeitgeber lehnen das vehement ab - und verweisen darauf, dass es in den Betrieben genügend Regelungen für die Beschäftigten gäbe. Dabei wird von Arbeitgeberseite immer wieder mit Bosch argumentiert: 100 Arbeitszeitmodelle gebe es dort - und eine tarifliche Regelung sei völlig unnötig.

Freiheiten gelten hauptsächlich für indirekten Bereich

"Ja, ja", meint Betriebsrat Mustafa Kalay. "Doch all diese Freiheiten gelten hauptsächlich für den indirekten Bereich. In der Fertigung, wo die Maschinen rund um die Uhr laufen müssen, ist es für die Schichtarbeiter kaum möglich Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinzubekommen. Alles hängt vom Arbeitgeber ab. Deshalb brauchen wir unbedingt den Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung im Tarifvertrag, damit die Beschäftigten auch mal selbst über ihre Zeit bestimmen können."

Yunus Dinc findet das richtig. "Wir sind doch auch zufrieden, wenn es der Firma gut geht - und kommen der Firma entgegen, wo wir können. Die Firma weiß das", betont er. Seine Ausbildung zum Industriemechaniker etwa hat er damals neben der Arbeit, abends und am Wochenende nachgeholt, obwohl die Firma ja auch davon profitiert. Und immer wieder ist auch er kurzfristig eingesprungen. "Da können wir doch auch erwarten, dass die Firma uns entgegenkommt. Das hebt doch die Motivation und damit auch die Qualität unserer Arbeit. Ich hoffe daher, dass die IG Metall sich in der Metall-Tarifrunde durchsetzt. Ich stehe voll dahinter und bin dabei, wenn es Aktionen gibt."

Letzte Änderung: 05.12.2017