Betriebsrätepreis - Kandidat Marquardt

Betriebsräte-Preis

19.08.2016 Beschäftigungssicherung bei Marquardt - Zukunftssichernde Investitionen statt Arbeitsplatzabbau - Der Betriebsrat Marquardt ist einer der drei Nominierten aus Baden-Württemberg

Mehr als schlecht stand es um die Zukunft der deutschen Standorte des Automobilzulieferers Marquardt. Bis der Betriebsrat mit seinem Konzept Geschäftsführung und Beschäftigte gleichermaßen überzeugen konnte.

Bis zu 800 der 2500 Arbeitsplätze wollte der Automobilzulieferer Marquardt in Rietheim-Weilheim nach Rumänien und Mazedonien verlagern.

Die Gründe: Hoher Kostendruck in der Automobilbranche und gescheiterte Verhandlungen über einen Haustarifvertrag im Jahr 2013, mit dem man ihm hätte begegnen können. Gekommen ist es anders - dank der Initiative des Betriebsrats, die ihr nun eine Nominierung für den Deutschen Betriebsrätepreis eingebracht hat.

"Wir konnten das nicht einfach geschehen lassen, sondern mussten etwas unternehmen", sagt Antonio Piovano, Betriebsratsvorsitzender der Marquardt GmbH. Der Betriebsrat brachte Geschäftsleitung und IG Metall an einen gemeinsamen Tisch, um über die Erhaltung des Standorts zu verhandeln. Und er entwickelte ein Konzept, wie die geforderten Einsparungen in Höhe von 12 Millionen Euro erbracht werden können.

Antonio Piovano

Das Ergebnis: Ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag, der alle Arbeitsplätze bei Marquardt in Deutschland, auch die in der Marquardt Service GmbH, bis 2020 sichert - und die Zusage für Investitionen in Höhe von 20 Millionen Euro enthält: Geplant sind ein Entwicklungs- und Innovationszentrum sowie ein Ausbildungszentrum ebenso wie ein modernes Betriebsrestaurant. "Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort", freut sich Piovano.

Außerdem stellt der Arbeitgeber Geld für Bildungsteilzeit zur persönlichen Weiterbildung bereit und er gewährt ein Budget von insgesamt 100 Tagen bezahlter Bildungsfreistellung für die IG Metall-Vertrauensleute.

"Darüber hinaus bekommen alle Auszubildenden und DHBW-Studenten zugesichert, unbefristet übernommen werden. Und sie erhalten einen Tag Bildungsurlaub im Jahr, an dem sie sich bei der IG Metall Albstadt über Arbeits- und Tarifrecht informieren lassen können", ergänzt Betriebsratsvorsitzender Piovano.

Ganz umsonst ist die Vereinbarung aber nicht. Die Gegenleistung: Der Arbeitgeber bekommt während der Laufzeit des Tarifvertrags bis 2020 drei Wochenstunden unentgeltliche Arbeitszeit vom jedem Beschäftigten. Geschäftsführung und leitende Angestellte müssen einen wertgleichen Verzicht leisten. Außerdem werden Tariferhöhungen erst neun Monate später wirksam. Das jedoch haben die IG Metall-Mitglieder im Betrieb bewusst so mitentschieden. Sie waren in die Verhandlungen eingebunden und haben am Ende über den Tarifvertrag abgestimmt. Fast 84 Prozent waren dafür.

Das Familienunternehmen Marquardt stellt elektronische Schalter und Schaltsysteme her. Es zählt weltweit rund 8000 Beschäftigte an 14 Standorten in zehn Ländern in Europa, Amerika, Afrika und Asien.

Ralf Lulei

HINTERGRUND

Beschäftigungssicherung bei Marquardt

Zum Praxisbericht:

Mit dem Abschluss des Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrages im November 2015 bekennen sich die Belegschaft und Unternehmen dank der Initiierung und des Einsatzes des Betriebsrats mehrheitlich zu den deutschen Standorten. Damit wurden zum einen die Arbeitsplätze aller Beschäftigten gesichert, zum anderen stellt sich die Firma in Deutschland nachhaltig und wettbewerbsfähig für die Zukunft auf. Viele IG Metall-Mitglieder konnten im Laufe der Verhandlungen gewonnen werden.

In Summe konnten mehr als 800 Arbeitsplätze in Deutschland erhalten werden. Mit dem Neubau des Forschungs- und Entwicklungszentrums kann sich Marquardt in Rietheim zukünftig als attraktiver Arbeitgeber insbesondere auch für junge Ingenieure und Techniker präsentieren. Das ebenso geplante neue Ausbildungszentrum hebt die berufliche Ausbildung im Betrieb auf ein neues Niveau und sorgt für Zuwachs an jugendlichen Bewerbern. Das neue Betriebsrestaurant gestaltet den Stadtkern in Rietheim mit und steht auch der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Zum Unternehmen:

Marquardt ist ein seit 90 Jahren erfolgreiches, internationales und unabhängiges Familienunternehmen mit weltweit über 8500 Beschäftigten. Wir sind ein führender Hersteller von elektromechanischen und elektronischen Schaltern und Schaltsystemen. Unsere Produkte kommen bei allen namhaften Herstellern der Automobilindustrie zum Einsatz. Bei Batteriemanagement-Systemen sind wir Vorreiter. Im Bereich der Elektrowerkzeugschalter sind wir Weltmarktführer.

Zu den Referenten:
Antonio Piovano & Ralf Lulei
BR-Vorsitzender & stellv. BR-Vorsitzender, Maquardt GmbH

Antonio Piovano ist seit neun Jahren bei Marquardt beschäftigt. Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann war er Fertigungsleiter für Anlagen der Papierverarbeitung und für den Bau von Fertigungslinien verantwortlich. Bei Marquardt war er in der Disposition eingesetzt.
Seit dem Jahr 2010 ist er freigestellter Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzender. Schwerpunktmäßig setzt er sich in Personalgesprächen für die Beschäftigten ein. Außerdem ist er für die Strategie und Ausrichtung des Betriebsrats zuständig. Als Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gestaltet er die Zukunft der Firma mit.

Ralf Lulei ist seit 12 Jahren im Unternehmen beschäftigt. Nach dem Studium der Informatik arbeitete er als Systemanalytiker im Telekommunikations-Sektor und war Consultant für Datenbanken. Bei Marquardt war er im Rahmen der Software-Entwicklung und im Software-Test eingesetzt.
Seit 2010 ist er als Betriebsrat freigestellt und seit 2014 stellvertretender Vorsitzender. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsrecht, Datenschutz und Öffentlichkeitsarbeit.

Letzte Änderung: 19.08.2016