Betriebsrätepreis - Kandidat Daimler

Betriebsräte-Preis

18.08.2016 Beteiligungskampagne Mobiles Arbeiten bei Daimler - Stellvertreterpolitik war gestern - Der Gesamtbetriebsrat Daimler ist einer der drei Nominierten aus Baden-Württemberg

Öfter von unterwegs oder zu Hause arbeiten - das wünschen sich viele. Bei Daimler geht das dank einer Gesamtbetriebsvereinbarung geschützt und bezahlt. Über Art und Weise ihrer Umsetzung konnten die Beschäftigten in einer Beteiligungskampagne selbst entscheiden - mit überwältigender Resonanz.

Die Ausgangslage war eindeutig, der Auftrag klar: Bereits seit 2009 ermöglicht eine Gesamtbetriebsvereinbarung mobiles Arbeiten bei Daimler. Rund 30 000 Beschäftigte im Unternehmen sind bereits "always on" - allerdings: Der Umgang mit Arbeitszeit, ihre Erfassung und Vergütung, ist nicht geregelt, es gelten örtliche Gleitzeitvereinbarungen. Die Beschäftigten arbeiten deshalb häufig unentgeltlich mobil beziehungsweise bewegen sich in rechtlichen Grauzonen. "Mit einer neuen Gesamtbetriebsvereinbarung wollen wir es den Beschäftigten ermöglichen, flexibler über ihre Arbeitszeit und den Arbeitsort zu bestimmen", sagt Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht, "und zwar im legalen Rahmen, geschützt und bezahlt".

Michael Brecht

Das Konzept, mit dem das Vorhaben nun umgesetzt wird und das für den Betriebsrätepreis nominiert ist, stellt die Betriebspolitik radikal vom Kopf auf die Füße. Vor der Aufnahme von Verhandlungen zu einer neuen, innovativen Gesamtbetriebsvereinbarung wurde eine zweistufige Beteiligungskampagne im Unternehmen durchgeführt: In einer Onlinebefragung sowie in vertiefenden halbtägigen Workshops an allen Standorten konnten die Beschäftigten ihren Regelungsbedarf eigenständig formulieren - und das taten sie. Die Resonanz war überwältigend: 33 400 Daimler-Beschäftigte nahmen an der Onlinebefragung teil, das sind 41 Prozent der insgesamt 82 500 Befragten. Auch an den bundesweiten Workshops beteiligten sich die Beschäftigten engagiert und leidenschaftlich.

Durch die Initiative des Gesamtbetriebsrats, der sowohl die IG Metall als auch das Unternehmen als Projektpartner und das Fraunhofer IAO als wissenschaftliche Begleitung gewinnen konnte, gelang es, die ganze Bandbreite an Meinungen und Erfahrungen der Beschäftigten zu mobilem Arbeiten zu erfassen. Klar wurde: Für mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden hat mobiles Arbeiten eine positive Bedeutung. Sie versprechen sich konzentrierteres Arbeiten, weniger unnötige Wege, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Die Ergebnisse zeigen den klaren Wunsch nach mehr mobiler Arbeit", sagt Michael Brecht. "Dem werden wir Rechnung tragen."

Deutlich wurde zudem, dass die Beteiligungskampagne eine Blaupause für künftige Betriebspolitik ist. "Wir wollen als Gesamtbetriebsrat den Raum für direkte Beteiligung schaffen - damit gehen wir zum einen auf die veränderten Ansprüche der Beschäftigten ein", sagt Michael Brecht. "Zum anderen hilft uns konsequente Beteiligung auch dabei, unsere organisationspolitischen Ziele zu verfolgen und als IG Metall noch stärker zu werden."

Silke Ernst

HINTERGRUND:

Beteiligungskampagne Mobiles Arbeiten

Zum Praxisbericht:

Stellvertreterpolitik war gestern. Der Daimler Gesamtbetriebsrat hat beschlossen, die Betriebspolitik "vom Kopf auf die Füße zu stellen" - zuerst wird den Beschäftigten zugehört, dann wird gehandelt.
Im Klartext: Es wird nicht verhandelt bevor die Erfahrungen, Erwartungen und Bedürfnisse der Belegschaft im Hinblick auf eine neue Regelung eingeholt und ausgewertet wurden. Dieser Anspruch wurde mit einer breit angelegten Beteiligungskampagne zu Mobilem Arbeiten bei Daimler erstmals mit hoher Konsequenz umgesetzt. Und das mit Erfolg: 33.400 Beschäftigte füllten einen umfangreichen Online-Fragebogen aus (41%), rund 1000 nahmen an halbtägigen Workshops an allen Standorten der Daimler AG in Deutschland teil. Das zeigt: die Belegschaft will bei betriebspolitischen Entscheidungen mitreden. Wir haben den Raum dafür geschaffen.

Zum Unternehmen:

Die Daimler AG ist eines der erfolgreichsten Automobilunternehmen der Welt. Sie gehört zu den größten Anbietern von Premium-Pkw und ist der größte weltweit aufgestellte Nutzfahrzeug-Hersteller. Daimler Financial Services bietet u.a. Finanzierung, Leasing und innovative Mobilitätsdienstleistungen an. Daimler vertreibt seine Fahrzeuge und Dienstleistungen in nahezu allen Ländern der Welt und hat Produktionsstätten in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika. Im Jahr 2015 setzte der Konzern mit insgesamt 284.015 Mitarbeitern rund 2,9 Mio. Fahrzeuge ab. Der Umsatz lag bei 149,5 Mrd. EUR, das EBIT betrug 13,2 Mrd. EUR.

Zu den ReferentInnen:
Michael Brecht & Silke Ernst
GBR-Vorsitzender & Leiterin Kommunikation GBR, Daimler AG

Michael Brecht wurde 1965 in Forbach im Schwarzwald geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser bei Daimler-Benz in Gaggenau. Es folgten verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen, unter anderem zum Refa-Sachbearbeiter. Im Jahr 2011 schloss er ein berufsbegleitendes Studium beim Malik-Management-Zentrum in St. Gallen als Master of Management ab.

Von 1981 an war Michael Brecht Mitglied der Gaggenauer Jugend- und Auszubildendenvertretung und wurde 1985 zum Vorsitzenden der Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Seit 1990 gehört er dem Betriebsratsgremium Gaggenau an, dessen Vorsitz er im Jahr 1998 übernahm. Seit 2014 ist er Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats und der internationalen Interessenvertretungsgremien der Daimler AG. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Silke Ernst wurde 1965 in Karlsruhe geboren. Schon während ihres politik- und verwaltungswissenschaftlichen Studiums war sie als Referentin in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig. Nach dem Diplom an der Universität Konstanz 1992 arbeitete sie zunächst als Referentin beim Betriebsrat der Porsche AG, ab 1996 als Referentin des Betriebsrats des Standorts Sindelfingen der Daimler AG. Hier übernahm sie 2002 die Leitung des Verwaltungsbüros und der Kommunikation des Betriebsrats. Seit 1998 verantwortete sie außerdem die externe Kommunikation des Gesamtbetriebsrats. Seit 2014 leitet sie die interne und externe Kommunikation des Gesamtbetriebsrats in der Stabsstelle des Gremiums.

Letzte Änderung: 18.08.2016