"Transfer plus"

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27.07.2005 Expertenworkshop "Innovation und Berufsbildung" im Rahmen des BIBB-Modellversuchs "Transfer plus"

Im Rahmen des BIBB-Modellversuchs "Transfer plus" hat die IG Metall Baden-Württemberg am 22. März 2005 zu einem Expertenworkshop eingeladen. Nachfolgend eine kurze Darstellung der Ergebnisse mit einem Ausblick.

"Permanente Innovationen erforderlich"

Hinsichtlich der Überschrift herrschte unbestritten Einigkeit unter den Teilnehmern des Workshops "Innovation und Bildung", der im Rahmen des vom BMBF geförderten Modellversuchs "Transfer plus" bei der Bezirksleitung der IG Metall Baden-Württemberg durchgeführt wurde. Und so wandte man sich dem Begriff "Innovation" - inzwischen häufig als schillerndes Modewort tituliert -, der "Innovationspolitik" und dem "Innovationsmanagement" aus unterschiedlichen Perspektiven zu und nahm eine Beschreibung des Zusammenhangs von Innovation und beruflicher Bildung vor.

Wie kann Innovation gefördert werden? Was be- oder verhindert Innovation? Dr. Josephine Hofmann, Fraunhofer IAO, ging auf diese Thematik am Beispiel der Innovationsinitiative "Partner für Innovation" ein, einer gemeinsamen Initiative der Bundesregierung mit Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaft und Politik. Eine Analyse der Hauptfehler im betrieblichen Innovationsprozess verdeutlichte, woran das "Projekt Innovation" häufig krankt: etwa zu geringem kreativem Spielraum, geringer Fehlertoleranz und kurzsichtiger Ergebnisorientierung. Dr. Hofmann führte zudem aus, wo die Herausforderungen für Innovatoren liegen, so z.B. darin, dass der Zukunftswert Deutschlands geprägt ist von der "Brain-Power" seiner Menschen, und dem Ausbau der I- und K-Techniken zum Aufbau eines nachhaltigen Wissens- und Informationsmanagements. Neben den technologischen Innovationen misst die Initiative auch den Struktur- und Prozessinnovationen sowie denen in Gesellschaft und Politik Bedeutung bei; verschiedene Impulskreise erarbeiten konkrete Innovationsansätze und Umsetzungskonzepte.

Kann man Innovation tatsächlich sinnvoll fördern? Ulrich Klotz, Innovationsexperte der IG Metall, näherte sich in seinem Beitrag einer Antwort, in dem er zwei weitere Fragen aufwarf: Warum werden in Deutschland geborene Erfindungen nicht hierzulande, sondern vorrangig in anderen Ländern zu innovativen Produkten und neuen Märkten weiterentwickelt, wie er anhand von Beispielen vergebener Chancen, etwa der Tintenstrahl-Drucktechnik, belegte? Und: Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher als andere? Entscheidend sei hier, so Klotz, die Gestaltung von Arbeitsstrukturen und -prozessen. In einer tayloristisch geprägten Unternehmenskultur können sich die innovativen Kräfte der Human Resources nicht entfalten; der Begründer moderner Management-Lehren, Peter Drucker, erkannte hingegen schon früh die rapide Zunahme der Wissensintensität bei allen Arten von Arbeit und prägte den Begriff vom "Wissensarbeiter". Als innovationsfördernde Arbeitsbedingungen in der wissens-basierten Ökonomie nannte Klotz ganzheitliche Aufgabenzuschnitte sowie ein offenes Klima, das Freiräume und Fehlertoleranz gewährt. Mit "Wertschöpfung durch Wertschätzung" könne man ein innovationsfreundliches Klima umschreiben, so Klotz, und nannte hier skandinavi-sche Beispiele als vorbildhaft.

Ein deutsches Beispiel an Innovationsfähigkeit stellte Dr. Frank-Oliver Karutz von der Carl Zeiss AG vor und zeigte als Leiter der "New Business Generation" auf, wie Innovationsma-nagement in der Praxis gestaltet ist. Das Unternehmen erzielt 41 % des Umsatzes mit Pro-dukten, die nicht älter sind als drei Jahre. Das zentrale Innovationsmanagement erfolgt über verschiedenartige Aktivitäten: So wird z.B. der New Business Prozess, auf den Dr. Karutz den Fokus seiner Präsentation legte, als Stage-Gate-Prozess zur Identifikation, Priorisierung und Validierung von neuen Geschäftsideen bezeichnet. Mit der Technologie-Pipeline hinge-gen wird ein Prozess beschrieben, der zu neuen relevanten Technologien führt. Zeiss bietet allen Mitarbeitern die Nutzung einer Intranet-Diskussionsplattform zu Innovationsthemen, es gibt Innovationstage und Ausschreibungen von Innovationspreisen sowie ein Netzwerk zum Austausch von Experten und Praktikern. Neben einem aktiven Screening durch spezielle Suchteams, können Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen Ideen einreichen. Ihnen stehen Ideenmanager zur Seite und zur Weiterentwicklung werden Freiräume für Projekte gewährt. So zeigte sich auch in diesem Beitrag der Zusammenhang von Innovationsfähigkeit mit Organisationskultur und Arbeitsstrukturen.

Die Bedeutung der Industriekultur als entscheidendem Faktor für Innovationsfähigkeit betonte Professor Felix Rauner, ITB Uni Bremen, und stellte unterschiedliche Ansätze dar, mittels derer untersucht wird, worin Innovationsfähigkeit verwurzelt ist - etwa Untersuchungen innovativer Milieus, Regionen oder "National Innovation Systems". Vor dem Hintergrund einer häufig geforderten Ausweitung des Dienstleistungssektors sieht Rauner den Kern des Innovationsgeschehens weiterhin in der Industriegesellschaft und formulierte die Gegenthese: Wenn der produzierende Sektor an Wichtigkeit verliert, bleibt die Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke. Im Zusammenhang mit beruflicher Bildung ging Rauner auf den Wissens- und Kompetenzbegriff ein und verdeutlichte, dass Innovationsfähigkeit nicht auf Oberflächenwis-sen basiere, sondern vielmehr der große Anteil an Erfahrungswissen zu beachten sei. Innovationskompetenz setze außerdem Commitment voraus, das durch ein hohes Allgemeinbildungsniveau und berufliche Identität gefördert werde. Das Bildungssystem sei weiterzuentwickeln, die vertikale Durchlässigkeit zu erhöhen.

Als Impulsgeber für eine innovative Berufsbildungsentwicklung wirken seit rund 30 Jahren Modellversuche, so Heinz Holz (BIBB), und erwähnte mit der Projektlern- und Leittextmethode, den Juniorfirmen, der Qualifizierung von Benachteiligten oder den Lerninseln einige Bei-spiele von Modellversuchen, die eine besonders erfolgreiche Verbreitung in der Praxis fanden. Die starke Seite von Modellversuchen sind ihr handlungsorientierter Ansatz; der Praxis-bezug - die Einbindung erfahrener Praktiker und die Weiterentwicklung des Erfahrungs-schatzes aus der Bildungspraxis - ist Voraussetzung für eine zukunftsorientierte Modernisie-rung der Berufsbildung. Für diese Modernisierung sei die wachsende Bedeutung des Lernortes "Arbeitsplatz" zu beachten, so Holz, eine Vision dessen Modellversuche schon früh transportiert haben.

Mikropolitische Einflüsse und Aspekte beim Innovieren berücksichtigte Hermann Novak in seinem Beitrag und stellte fest, dass sich betriebliche Berufsbildung mit Innovationen schwer tue und hier eher kleinstschrittige Veränderungen möglich seien. Aus der Erfahrung mit zahl-reichen Modellversuchen arbeitete Novak die Einflussgrößen auf Innovationsverhalten und -handeln heraus: Macht- und Herrschaftsverhältnisse, Erwartungen und Enttäuschungen, Regeln und Ausnahmen, Vertrauen und Misstrauen, Resignation und Hoffnung bestimmen Milieu, Kultur und Klima. Schwierigkeiten treten dann auf, wenn etwa Partizipation und alternative Gestaltung der Arbeitsorganisation das Ziel neuer Konzepte sind, wie am Beispiel der "Lerninsel" aufgezeigt wurde. Berufliche Bildung lege in den Unternehmen im Prinzip die Ba-sis für innovatives Handeln, sie sei als Reflexionsprozess zu gestalten und dürfe die mikropolitische, informelle Seite von Organisationen nicht ausklammern. Lernen sollte hierbei u.a. neue Erfahrungsräume eröffnen und kooperatives und kollektives Lernen in den Mittelpunkt stellen sowie soziale Kompetenz fördern; soziale Beziehungen zu vertiefen und solidarisches Handeln zu stärken sind Aufgaben der beruflichen Bildung - und für Novak eine wichtige Komponente für den Innovationsprozess.

Die Innovationsthematik ist ein weites Feld und bedarf hierzulande einer stärkeren Beachtung und Bearbeitung - Beiträge und Diskussion des Workshops haben dies bestätigt. Den-noch wurden in diesem ersten Workshop bereits viele Facetten des Themas beleuchtet, anhand zahlreicher Positiv- wie Negativbeispiele aufgezeigt, wie innovationsfreundliche Kulturen gefördert werden können bzw. was sie behindert, und somit die Voraussetzungen für ein innovationsgedeihliches Klima benannt. Selbstverständlich kann man es nicht bei diesen Feststellungen belassen. Nimmt man den entscheidenden Aspekt der Gestaltung von Arbeitsstrukturen und -prozessen im Innovationsgeschehen, so gilt es weiter zu diskutie-ren und zu klären, wie die in Deutschland noch vielerorts anzutreffenden innovationsfeindlichen Organisations- und Arbeitsstrukturen überwunden und durch motivationsförderliche und offene Strukturen modernisiert werden können. Wie ist ein beteiligungsorientierter Ansatz im Innovationsgeschehen zu verankern? Hinsichtlich der Entscheidung über und Beteiligung an Innovation ist zu erörtern, wie Voraussetzungen und Strukturen hierfür im modernen Innovationsmanagement zu schaffen sind.
Klärungsbedarf besteht des Weiteren hinsichtlich der "Innovationskompetenz": Was zeichnet sie aus? In diesem Zusammenhang wäre eine Fortsetzung der Diskussion um Schlüsselqualifikationen hilfreich.

Vor dem Hintergrund einer notwendigen Verzahnung von Organisations-, Unternehmens- und Personalentwicklung im Innovationsprozess wird in selbigem der beruflichen Bildung eine bedeutende Rolle zugesprochen. Wird sie jedoch weiterhin "stiefkindlich behandelt" (PD Dr. Martin Allespach), wird sie als Instrument und Voraussetzung für Innovationsfähigkeit noch weniger Beachtung finden. In diesem Zusammenhang ist die Wertschöpfung von "brain power" weiter zu erörtern, doch ein Controlling der Berufsbildung wird als "hochprob-lematisch" betrachtet, hieß es in der Diskussion. Wie kann aber Nutzen und Wertschöpfung dieses bedeutenden Faktors vermittelt werden?
Berufliche Bildung muss weiterhin selbst innovativ sein, damit sie als Instrument zur Innova-tionsfähigkeit gesehen wird. Die Durchführung von Modellversuchen trägt wesentlich zur Weiterentwicklung der Berufsbildungslandschaft bei - und hat es in der Vergangenheit be-reits erfolgreich unter Beweis gestellt, wie anhand von konkreten Beispielen nachgewiesen wurde. Die Verbreitung erfolgreich erprobter Konzepte ist und bleibt Herausforderung für die Bildungspraxis; es gilt außerdem, den Anforderungen hinsichtlich tief greifender gesell-schaftlicher Veränderungen - Stichwort "demographischer Wandel" - mit innovativen Konzep-ten zu begegnen.

Eine abschließende Erörterung aller relevanten Aspekte des Themas "Innovation und Bildung" war im Rahmen des Workshops nicht möglich; eine Vertiefung der Thematik ist in einem zweiten Workshop angedacht, in dem eine weitere fruchtbare Diskussion durch die Auseinandersetzung von Innovations- und Bildungstheorie mit der Bildungspraxis angestoßen werden soll. Vertieft werden die Fragen zum Thema des Weiteren mittels Betriebsfallstudien, die in den kommenden Wochen durchgeführt werden und deren Auswertung vor dem zweiten Expertenworkshop abgeschlossen sein wird, so dass die Ergebnisse in die Dis-kussion einfließen können.

Letzte Änderung: 01.06.2008