Forderung diskutieren

Gute Arbeit - Gutes Geld

29.11.2001 Erklärung der Großen Tarifkommission für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 29. November 2001

Die Tarifrunde 2002 ist von der Erwartungshaltung unserer Mitglieder nach deutlichen Steigerungen der Löhne und Gehälter getragen. Sie findet in einem ökonomisch schwierigen Umfeld statt. Das Abflachen der Weltökonomie wirkt sich auf die bundesdeutsche Wirtschaft mit ihrer hohen Exportabhängigkeit deutlich aus. Die Ereignisse und Folgen des 11. September 2001 haben diese negativen Entwicklungen teilweise verstärkt. Deutschland ist eines der Schlusslichter der europäischen Ökonomie, wenn auch im Jahr 2001 und 2002 keine Rezession, sondern ein weiteres Wachstum angenommen werden kann. Dass dieses Wachstum relativ schwach ausfällt, ist den fehlenden Impulsen durch die Fiskal- und Geldpolitik insbesondere aber der Schwäche des privaten Konsums geschuldet.

Tatsache ist: Die Einkommen der Haushalte haben 2001 zwar von der Steuerreform profitiert. Die Erhöhung der Tariflöhne blieb aber unter dem verteilungsneutralen Spielraum und trägt im Jahresmittel im besten Fall zu einem Inflationsausgleich bei. Damit fiel die Binnennachfrage als dringend benötigter Wachstumsmotor aus. Es besteht daher die volkswirtschaftliche Notwendigkeit, die Tarifrunde 2002 für deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen zu nutzen. Appelle zur Lohnmäßigung sind vollkommen unangebracht.

Tatsache ist: 2001 wurden die Lohnstückkosten massiv gesenkt. Die Verteilungsposition zwischen Kapital und Arbeit wurde zu Lasten der abhängig Beschäftigten ver-ändert. Die Ertragslage gibt keinen Anlass, für die Tarifrunde 2002 Lohnzurückhaltung zu fordern.
Ohne Wachstumsimpulse wird es keine weitere Stabilisierung und Verbesserung der Beschäftigungssituation geben. Dazu kann eine aktive Entgeltpolitik einen Beitrag leisten. Sie muss aber dringend durch Initiativen der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Geldpolitik ergänzt werden.

Es ist richtig, dass die IG Metall in ihrer Tarifforderung 2002 neben dem verteilungsneutralen Spielraum auch eine Umverteilungskomponente berücksichtigt. Zudem ist in einer Entgeltforderung nicht nur die kurzfristige ökonomische Lage im Frühjahr 2002, sondern die mittelfristige Entwicklung von Produktivität und Inflation zu berücksichtigen. Daher empfiehlt die Große Tarifkommission unter Zugrundelegung der vorliegenden gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten ein Gesamtvolumen in der Bandbreite von 5 bis 7 %. Eine endgültige Festlegung des Gesamtvolumens wird unter Berücksichtigung der Diskussionen in den Betrieben und den aktuellen wirtschaftlichen Rahmendaten Ende Januar erfolgen.

Die Große Tarifkommission sieht es als unaufschiebbar an, in der Tarifrunde 2002 einen ersten Schritt zur materiellen Angleichung der unterschiedlichen tariflichen Lohn- und Gehaltsstrukturen vorzunehmen. Dies führt zu mehr Entgeltgerechtigkeit, insbesondere bei Facharbeit im Zeitlohn. Die Große Tarifkommission empfiehlt neben einer deutlichen linearen Erhöhung aller Löhne und Gehälter eine entsprechende Strukturkomponente im Rahmen des Gesamtvolumens zu berücksichtigen.
Dabei ist sicherzustellen, dass das Gesamtvolumen der Entgelterhöhung den Beschäftigten zufließt.

Die IG Metall in Baden-Württemberg wird das Thema eines Tarifabschlusses, das die Beschäftigten an den Erträgen der Unternehmen beteiligt, weiter diskutieren. Die Meinungsbildung dazu ist noch nicht abgeschlossen.

Das verantwortliche Handeln der Tarifvertragsparteien braucht und verträgt keine Einmischung der Politik.

Die Große Tarifkommission fordert die Verwaltungsstellen und Betriebe auf, in den nächsten Wochen die Diskussion um die Forderung fortzusetzen. Sie wird auf ihrer Sitzung am 24. Januar 2002 die Forderung für die Tarifbezirke Baden-Württembergs beschließen und dann beim Vorstand der IG Metall beantragen.

Beschlossen bei 11 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen.

Letzte Änderung: 25.04.2008